Abstract
Nach dem Lehrplan Sursee hatte ich die Aufgabe für eine vierte Klasse Gymnasium ein Projekt zum Thema Werbung zu kreieren. Ich fand die Aufgabe toll, denn die SuS waren ja durch die Medienvielfalt wunderbar mit dem Thema vertraut und ich sah deshalb viele Möglichkeiten für Lebensbezüge und durch meine Erstausbildung in Grafikdesign kamen mir zudem zahlreiche Ideen für ein Projekt.
Da es in der Werbung primär um das Inszenieren von Innovationen geht, habe ich mich entschieden die SuS ein Produkt erfinden und anschließend ein Werbefoto davon machen zu lassen. Mir war zudem wichtig, dass die Aufgabe einen gewissen Spaßfaktor haben soll, denn mir war aufgefallen, dass die SuS bis anhin eher technisch orientierte Aufgaben bekommen hatten und sehr verkopft zu sein schienen. Auf diese Weise erhoffte ich mir die SuS ein wenig aus ihrer Routine locken zu können und die Kreativität auf eine neuartige Weise anzuregen, was mir schlussendlich, mit viel Vorarbeit, auch gelungen ist. Den «Spaßfaktor» habe ich versucht in die Aufgabe einzubauen, indem ich die SuS nicht irgendetwas erfinden ließ, sondern ein sogenanntes «Chindogu». Das ist ein seltsames Gerät, eine humoristische Abart einer Erfindung und zugleich eine Art Witz, die auf den japanischen Erfinder Kenji Kawakami zurückzuführen ist. Chindogus funktionieren zwar aber erfüllen keinen praktischen Nutzen. «Der japanische Humor setzt oft auf die Peinlichkeit einer Situation. Daher gehört zum Chindogu ein Foto, auf dem das Chindogu tatsächlich in einer Alltagssituation verwendet zu werden scheint. Chindogus sind auch eine Satire auf die Erfindungswut japanischer Firmen, die gemäß dem Kaizen-Konzept den Verbrauchern vorgaukeln müssen, dass sie ein Gerät ständig neu kaufen müssen, weil eine kleine Funktion hinzugekommen ist, auch wenn das alte Gerät noch funktioniert.» Quelle: Wickypedia 2024 Mit dem Aspekt der Satire ebnete ich mir den Weg mit den SuS auch über die kritischen Aspekte der Werbung sprechen zu können. Dies geschah vor allem im Plenum während eines gezielt, geplanten Unterrichtsbeginns.
Das ganze Projekt hört sich jedoch einfacher an als es war, denn es bedurfte zum einen viel Struktur und Information um die SuS in diese ihnen bisher weniger bekannte / weniger technisch orientierte Arbeitsweise einzuführen und zum anderen musste ich enorm viel Zeit (vor allem in der Unterrichtsvorbereitung) investieren, damit die SuS mit dem schillernden Begriff der Kreativität vertraut werden konnten, denn schlussendlich ging es in diesem Projekt vor allem um Kreativität – den Erfindergeist. Zudem war es wichtig, dass die SuS nicht nur wussten sondern auch verstanden was es mit diesem Begriff auf sich hat. Ich habe hierzu zusammen mit der Klasse versucht den Begriff in Vorübungen zu erarbeiten und anschließend zu definieren. Grob formuliert waren wir uns schließlich einig, dass es sich bei dem Begriff um etwas handelt, das auf eine gewisse Weise neuartig und deshalb überraschend ist.
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Lernziele
Sach- und Sozialkompetenzen:
– Den Begriff «Kreativität» für sich selbst definieren können.
– Ein zeichnerisches Mindmap durchführen, vielfältige Ideen kreieren können.
– Die künstlerische Methode der Verfremdung und das Konzept des Chindogu verstehen.
– Die Qualität einer Idee einschätzen können.
– Fotografische Mittel für die Inszenierung eines Objekts kennen und anwenden lernen.
– Eigenständige Ideen entwickeln und diese der Gruppe verständlich machen können.
– Kriterien kennen lernen nach denen Arbeiten von anderen beurteilt werden können.
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Ablauf
Das Projekt umfasste insgesamt vier Phasen plus eine Präsentation:
Einführungsphase
In der Einführungsphase wurden die SuS mithilfe einer Übung mit dem Begriff «Kreativität» vertraut und der Begriff wurde nach der Übung im Plenum diskutiert und definiert. Für die Übung sollten die SuS in einem ersten Schritt Objekte aus dem Elektroschrott dekonstruieren. Die neuen Teile wurden anschließend auf der Fensterbank schön ausgelegt und während eines «Basars» nach der Mittagspause gab es die Möglichkeit sich aus allen Teilen zwei bis drei auszuwählen bzw. auch Teile zu tauschen. Da die SuS sich in einem weiteren Schritt intensiv mit den Formen der Teile auseinandersetzen sollten hielt ich die Anzahl der Teile gering damit sie nicht überfordert wurden.
In einem weiteren Schritt sollten die SuS ihre Teile zu einem neuen Objekt zusammenfügen. In dieser Aufgabe wurden sie bereits mit verschiedenen Möglichkeiten zur Montage wie Klebstoff, Draht, Klebeband usw. vertraut. Hier habe ich zudem einen theoretischen Input über Skulptur / Plastik / Objekt und anschliessend dem berühmten Satz aus der Architektur: «form follows funktion» eingebaut. Damit die SuS die Teile nicht irgendwie zusammenbauten, habe ich sie bereits beim Input auf Möglichkeiten aufmerksam gemacht wie Objekte interessant werden können und sie bekamen die Aufgabe auf Kontraste zu achten. Welche Kontraste es gibt, habe ich mit den SuS im Plenum erarbeitet. Ich habe relativ schnell gemerkt, dass sich diese Aufgabe gut für Team und Gruppenarbeiten eignet und dass viele der SuS diese Arbeitsformation bevorzugten. Deswegen ließ ich es den SuS frei zu entscheiden ob sie lieber alleine oder in Gruppen arbeiten wollten. Das war eine der besten Entscheidungen, die ich in diesem Projekt getroffen habe, denn ich habe gesehen wie viel Potenzial bezüglich Motivation und Kreativität Gruppenarbeiten haben können.
In einem letzten Schritt bekamen die SuS dann die Aufgabe im Gruppenpuzzle Objekte ihrer Klassenkamerad*innen Funktionen zuzuschreiben. Hier überraschten vor allem die Gruppen mit Kreativität, welche sich gut verstanden und keine Hemmungen hatten sich in der Gruppe auszutauschen.
Skizzierphase
Für die Skizzierphase besuchte ich mit den SuS die Caritas Sursee. Sie sollten dort die Möglichkeit bekommen von vielfältigen Objekten inspiriert zu werden und sie hatten zudem anschließend die Möglichkeit Objekte über die Schule zu erwerben.
In der Caritas Sursee bekamen die SuS eine Einstiegsübung wo sie sich einen Gegenstand aussuchen sollten und verschiedene Probleme dieses Gegenstands suchen sollten (eine Beispielskizze von mir, die ich aushändigte, unten angefügt). In einem weiteren Schritt sollten sie Gegenstände suchen, welche die jeweiligen Probleme lösen. Zum Beispiel: Eine Zahnbürste birgt das Problem den Badezimmerspiegel zu verspritzen. So gäbe es die Möglichkeit die Zahnbürste mit einem Schirmchen zu ergänzen als Spritzschutz.
Bild oben: Eine Bleistiftskizze von mir als Möglichkeit wie so eine Ideensuche aussehen kann für die SuS.
Als ich im Vorfeld diese Übung für mich ausprobierte, merkte ich, dass es ziemlich schwierig war innovative Ideen zu entwickeln und überlegte mir deshalb Tricks, wie die SuS auf Ideen kommen konnten. Dafür gestaltete ich ein Aufgabenblatt wo ich zu dem zeichnerischen Arbeitsbeispiel (siehe Foto oben) eben diese Tricks auflistete. Dieses Arbeitsblatt / diese Arbeitshilfe habe ich den SuS zu Beginn des Unterrichts im Brockenhaus ausgehändigt und erklärt. Ich denke das hat geholfen, denn zwar nicht alle aber viele der SuS habe zahlreiche interessante Skizzen gemacht.
Die SuS arbeiteten in der Caritas Sursee in Einzelarbeit. Ich denke das war eine gute Entscheidung, denn so waren sie mehr gefordert. Wenn ich das Projekt noch einmal machen würde, liess ich jedoch zwischen den beiden Lektionen die SuS im Plenum zusammen kommen um den Zwischenstand zu besprechen und einen letzten Motivationsschub hervorzulocken, das hätte denjenigen SuS vielleicht geholfen, die sich gegen Ende ein wenig in der Zeit verlaufen haben.
Zurück im Klassenzimmer konnten die SuS dann noch weitere Chindogus skizzieren, dieses mal hatten die SuS jedoch wieder die Möglichkeit in Gruppen zu arbeiten. Manche SuS hatten Objekte aus der Caritas Sursee mitgebracht und ich stellte zudem auf der Fensterbank eine Vielzahl an Objekten aus dem Schulfundus zusammen bei dem sie sich bedienen konnten. Zum Schluss dieser Phase sollten die SuS ein Arbeitsblatt ausfüllen, wo sie ihren Chindogu-Favoriten beschreiben und mit einer kleinen Skizze ergänzen sollten.
Kreationsphase
Hier gibt es nicht viel zu sagen ausser dass die SuS sehr begeistert bei der Sache waren als sie schlussendlich ihre Chindogus kreieren durften. Die SuS arbeiteten sehr selbstständig und zügig. Ich habe ihnen verschiedene Verbindungsmaterialien (Klebeband, Heißleim, Draht usw.) und Werkzeuge zur Verfügung gestellt.
Fotografierphase
In der Fotografiephase ging es um die Inszenierung. Ich gestaltete hierzu eine Einführung über deren Möglichkeiten bzw. Mittel. Im Anschluss bekamen die SuS die Möglichkeit ihr Chindogu zu inszenieren und mit ihrem Handy zu fotografieren. Hierzu machte ich verschiedene Inputs. Unter anderem über die Funktionen der Handykamera und ihre Möglichkeiten mit Brennweite usw. zu gestalten. Die SuS hatten die Aufgabe ihre Fotografien bezüglich der Inszenierung unter anderem auf folgende Kriterien zu untersuchen: Wahl des Models und dessen Kleidung, Pose, Hintergrund, Licht, Schärfe / Unschärfe, Perspektive, Farbstimmungen, Komposition. Die Fachbegriffe diskutierte ich im Plenum und definierte sie zusätzlich auf dem Aufgabenblatt was ich den SuS aushändigte. Ich war sehr zufrieden mit dem Einsatz der SuS und hatte das Gefühl sie waren mit dem Herzen dabei.
Präsentation
Für die Präsentation ließ ich mit der Gruppenpuzzle-Methode die Gruppen ihren Chindogu-Favoriten wählen. Schlussendlich gab es dann fünf Gewinner. Ich denke es ist gut die SuS die Arbeiten ihrer Mitschüler*innen nach Kriterien beurteilen zu lassen, sie lernen so genau hinzusehen und bekommen ein Gefühl dafür was eine Arbeit gut macht. Andererseits sehe ich diesen Wettbewerb in der Schule auch sehr kritisch und arbeite unter anderem im Moment in meiner Masterarbeit daran eine gute Lösung für das Problem zu finden.
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Beurteilungskriterien
– Zeichnerisches Mindmap: Ideenvielfalt
– Skizze Chindogu: Vollständigkeit / Die Idee wird mit zeichnerischen Mitteln sichtbar gemacht.
– Objekt Chindogu: Das Objekt macht sichtbar, dass die künstlerische Methode der Verfremdung und das Konzept des Chindogu verstanden wurde.
– Foto Chindogu: Die Funktion des Chindogu wird mit fotografischen Mitteln so in Szene gesetzt, dass sie eine spezifische Zielgruppe anspricht (Passender Hintergrund, die Pose des Models ist optimal gewählt, die Perspektive ist unterstützend eingesetzt).
Ich gab jeder der vier Arbeitsphasen Punkte. Während des Unterrichts kommunizierte ich mehrmals mündlich und schriftlich welche Phasen benotet werden.
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Reflexion
In diesem Praktikum habe ich mir vorgenommen, die SuS über jeden meiner Schritte und Überlegungen gut zu informieren und ihnen zudem mitzuteilen, dass ihre Intervention nicht nur erlaubt sondern sogar erwünscht sei um die Selbstständigkeit der SuS zu unterstützen. Zudem habe ich mich im Vergleich zu meinem ersten Praktikum weg von der Technik hin zur Kreativität bewegen wollen, was mir auch gelungen zu sein scheint, da ich mehrere persönliche und überaus positive Feedbacks der SuS erhalten habe. Ihnen schien vor allem die Möglichkeit gefallen zu haben, in Gruppen arbeiten und etwas Erfinderisches gestalten zu können. Es sei etwas ganz anderes was sie bisher gemacht hatten und das hätten sie als sehr «erfrischend» erlebt. Meine Wunschvorstellung wäre, dass die SuS auch das Projekt an sich selbst gestalten dürfen um mehr Motivation und Selbstständigkeit zu erreichen. Denn ich will etwas an dem Zustand ändern, dass die SuS in der Schule lernen müssen sich wie Objekte behandeln zu lassen. Ich habe zwar noch kein Geheimrezept herausgefunden, da die Schule eben genau darauf ausgerichtet ist, aber ich arbeite daran, wie zumindest der Kunstunterricht aus diesem Korsett befreit werden kann.
Für das nächste Praktikum will ich noch weiter an meiner Auftrittskompetenz arbeiten und lockerer werden.