Abstract
In dieser Unterrichtseinheit von 4 Doppellektionen lernen die Schülerinnen und Schüler (nachfolgend als SUS bezeichnet), mit der Lesbarkeit von Buchstaben zu experimentieren, den Zusammenhang von Wort und Inhalt zu verstehen und diesen in einem experimentellen Wortbild umzusetzen. Anhand von Alltagsgegenständen soll als abschliessende eigenständige Arbeit ein Wort gewählt werden, welches im weitesten Sinne die Eigenschaften oder Bedeutung des Materials widerspiegelt und als Wortbild bzw. Bildwort in einer Fotografie umgesetzt wird.
Sach- und Begründungsanalyse
Ob im Schulunterricht, beim Schlendern durch die Strassen oder vor dem Bildschirm zuhause: Schrift umgibt uns immer und überall. Ohne es zu merken, lesen wir ganze Sätze, nehmen Worte auf. Schrift begegnet uns täglich und ist fester Bestandteil unseres Lebens. Schrift ist Informationsträger und kann Gestaltungsmittel sein. Sich mit Schrift zu beschäftigen ist ein eigenes Berufsfeld.
Für mein erstes Praktikum will ich den SUS die Möglichkeiten, die Schrift bietet, näherbringen. Da es für die SUS der erste Kontakt mit diesem Gestaltungsbereich ist, soll der Schwerpunkt nicht auf der Kenntnis der Schriftfamilien und Gestaltungsregeln liegen, sondern die Verbindung von Wort und Bild, von Inhalt und Form, herausgearbeitet und spielerisch umgesetzt werden. Es sollte einen Übergang vom Schrift- zum Wortbild hergestellt werden über die Geschichte der Schriftzeichen und dem Umgang mit Schrift als Gestaltungsmittel. Wichtige Fragen dabei sind: Was ist leserlich? Wie kann ich Buchstaben herstellen? Wie beeinflussen sich Form und Inhalt? Welche Möglichkeiten gibt es, Worte darzustellen? Mit anderen Worten: Wenn das Wort „Hund“ geschrieben steht, kann es auch aussehen wie ein Hund?
Die Unterrichtseinheit besteht grob gesehen aus zwei Teilen: In der ersten Hälfte nähern sich die SUS spielerisch an die Form von einzelnen Buchstaben an. Losgelöst von ihrer Einbettung in ganze Worte ist der Buchstabe an sich Grundlage für eine Buchstabenwerkstatt. Die Grenzen der Lesbarkeit sollen erkundet werden.
Ausgehend vom Wort als Schrift-Zeichen erfinden die SUS ein kleines Piktogramm als Zwischenübung. Ausgehend von Materialien des Alltags (Putzschwamm, Streichhölzer, Garn, Wäscheleine, Pappteller etc) überlegen sich die SUS ein Wort, dass in einem Zusammenhang mit dem Material und seinen Eigenschaften steht. Sie setzen das Wort mit ebendiesem Material um und fotografieren es. Die Bedeutung eines Wortes kann durch seine Darstellung beeinflusst werden. Wichtig ist, dass der Prozess der Bildfindung dokumentiert wird. Dieser Umgang mit dem Arbeitsprozess sind die SUS nicht gewohnt. Dazwischen werden Beispiele aus der Schriftgestaltung gezeigt mit Schwerpunkt auf Stefan Sagmeister. Ein wichtiges Anliegen ist für mich, dass die SUS lernen, einzelne Zwischenschritte fotografisch festzuhalten. Dies soll sie dazu animieren, möglichst viele Versuche zu machen, bevor sie sich für ein Resultat entscheiden.
Als Einstieg zu jeder Unterrichtseinheit war es mir wichtig, kurze Einstiegsübungen zu machen, um einfacher im BG-Unterricht anzukommen und sich „aufzuwärmen“ für die folgenden Übungen. Durch die Unterrichtseinheit arbeiten die SUS vorwiegend alleine, tauschen sich in Murmelphasen über Zwischenergebnisse aus und haben durch die Tischanordnung einen Überblick, wie und woran die Tischnachbar*innen arbeiten.
Literatur
- typotheater – 50 Lernbilder, Susann Stammbach
- Wegweiser Schrift, Hans Peter Willberg
- things I have learned in my life, Stefan Sagmeister
- Buchstabengeschichten, Max Bollwage
- Drei D – Grafische Räume, Gerrit Terstiege
Lernziele und Bewertung
Ausgehend vom Lehrplan 17 des Kantons Bern, sollen die SUS als Grobziel „Gestaltprinzipien und Gestalttheorien kennen, analog und digital anwenden und neu befragen können“ und Schrift als vielseitiges Gestaltungsmittel wahrnehmen“. Inhaltlich liegt das Augenmerk auf „Typografie: Gestalten mit Zeichen und Wörtern“ und „Korrespondenz von Form, Funktion und Inhalt“.
Für die selbständige Arbeit habe ich den SUS ein Aufgabenblatt mit der Herangehensweise und der Aufgabenstellung ausgeteilt sowie den Bewertungskriterien:
Prozess: Nachvollziehbarkeit der gestalterischen Entscheide; Vielfältigkeit der Versuche (Dokumentation!)
Resultat: Bildidee (Bezug Wort und Material bzw. Materialien); Sorgfältige Arbeitsweise; Technische Umsetzung (Bildqualität, Komposition, Ausschnitt, Perspektive, Licht)
Ablauf
1. Doppellektion
Einstiegsübung: 10 Begriffe schnell zeichnen. Die kleinen Zeichnungen werden ausgeschnitten und auf einem zusätzlichen Blatt unter dem entsprechenden Begriff aufgeklebt. Kurzes Gespräch im Plenum über Auffälliges, Einfaches, Schwieriges. Input: Schriftzeichen, Entstehung der Schrift. Die SUS denken sich einen Satz aus, der mindestens 3 Begriffe der Einstiegsübung enthält und schreiben diesen mit den Schnell-Zeichnungen. Kurzer Lesbarkeitstest im Plenum. Input: Vergleich Hieroglyphen-Piktogramme. Die SUS wählen einen Begriff und setzen diesen, aufgrund der bestehenden Schnell-Zeichnungen, in einem Piktogramm in ihr Skizzenheft um. Input: Wortbilder. Einstieg in die Buchstabenwerkstatt. Alle Aufgaben werden kurz vorgestellt, dann arbeiten die SUS selbständig. Gelöste Aufgaben werden gut sichtbar an der Wand gesammelt. Aufräumen.
2. Doppellektion
Einstiegsübung: Farbzuschreibungen. An einem grossen Tisch geben die SUS Blätter rum, auf denen ein Farbfeld abgebildet ist und sie schreiben auf, was ihnen dazu in den Sinn kommt. Ergebnisse einsammeln und aufhängen. Input: Rückblick. Fragen klären zur Buchstabenwerkstatt. Selbständiges Weiterarbeiten mit zeitlichem Schlusspunkt. Die SUS sollen Dokumentationsfotos machen, die sie später auf einen gemeinsamen Klassenordner laden können. Die fertigen Ergebnisse mit der Lehrperson kopieren und ebenfalls an die Wandhängen zu der entsprechenden Aufgabennummer. Gemeinsame Sichtung und Besprechung der gelösten Aufgaben.
3. Doppellektion
Einstiegsübung: 10 Bildtitel geben. Die Titel zu jedem Bild werden gesammelt. Verteilung Arbeitsblatt selbständige Arbeit. Fragen klären. Input: Rückblick und Materialtisch erklären. Als Vorübung zur selbständigen Arbeit verfassen die SUS Steckbriefe zum Material, was vor ihnen auf dem Tisch liegt. Ergebnisse sammeln. Danach wählt jede*r einen Buchstabend und ein Material und schafft auf 3 verschiedene Arten den gleichen Buchstaben. Ergebnisse auf einem grossen Tisch sammeln und gemeinsam kurz durchgehen. Danach Recherche zur selbständigen Arbeit. Erste Materialversuche und Skizzen anfertigen. Aufräumen.
4. Doppellektion
Input: Fachlehrperson erklärt den SUS nochmal kurz, wie das Hochladen der Bilder auf OneDrive funktioniert. Restliche Fragen beantworten zur selbständigen Arbeit. Die Abgabefrist festlegen. Kurzer gemeinsamer Rundgang zum Stand der Dinge: An was arbeiten die SUS? Welches Wort wollen sie umsetzen? Mit welchem Material wollen sie arbeiten? Welche Arbeitsumgebung benötigen sie? Kurz an die Abgabefrist erinnern. Aufräumen. Verabschieden.
Reflexion
Rückblickend hätte ich den verschiedenen Vorübungen weniger Zeit geschenkt und mich rascher der selbständigen Aufgabe gewidmet. So hätten sich die SUS vertiefter mit der Aufgabenstellung auseinandersetzen können und mehr Zeit für Versuche gehabt. Gleichzeitig war es mir wichtig, in meinem ersten Praktikum möglichst viele verschiedene Dinge ausprobieren zu können.
Die SUS hatten bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Erfahrungen mit Schrift oder Schriftgestaltung gemacht. Für diese erste Auseinandersetzung mit dem Thema bin ich zufrieden, wie sie sich auf die Aufgaben eingelassen und mitgemacht haben, obwohl ich sie teilweise etwas durchs Programm gehetzt habe, weil ich mir zu viel vorgenommen hatte. Ich habe gemerkt, wie wichtig und gleichzeitig anspruchsvoll es ist, klar zu kommunizieren.
Eine zentrale Frage für mich war auch, wie viel theoretische Inputs gebe ich den SUS, wie gross soll der Teil der eigenen praktischen Auseinandersetzung mit der Materie sein. Je mehr man eine Unterrichtseinheit strukturiert und mit dem eigenen Programm füllt, desto weniger haben die SUS die Möglichkeit, zu intervenieren und eigene Beiträge zu leisten. Auf dieses Gleichgewicht, auf Gestaltungsunterricht als Zusammenarbeit, möchte ich in meinem nächsten Praktikum ein Augenmerk richten.
Für die vielen Feedbacks in den Nachbesprechungen bin ich der Praxislehrperson sehr dankbar. Viele Punkte konnte ich jeweils in den nächsten Doppellektionen gleich verbessern und gleichzeitig erkennen, für welche Momente vor allem langjährige Erfahrung wichtig ist.