WONDERLAND
Swinde Wiederhold Alles, Charakter, Identität, Selbstinszenierung Bildanalyse, Bildkomposition, Porträt Fotografie, Wort und Bild
In acht Doppellektionen setzen sich die SuS der Kantonsschule Sargans mit dem klassischen Thema des Porträts in der Fotografie auseinander. Dabei begeben sie sich auf eine Reise der Fotografie. Beginnend mit dem ersten Selbstporträt der Foto-Geschichte schlagen sie eine Brücke zum für sie stets präsenten Thema des „Selfies“. Ausgehend vom „Sprechen über Bilder“, über die Technik der Digitalkamera, hin zu der Rolle von Licht in der Fotografie sowie dem Zusammenspiel von Foto und Text gelangen wir zu einem ersten eigenen Porträtfoto mit Textergänzung. Der zweite Teil steht ganz im Zeichen der „Inszenierung in der Fotografie“. Unter dem Thema „WONDERLAND“, in Anlehnung an das gleichnamige Buch von der berühmten Porträtfotografin Annie Leibovitz, entwickeln die SuS ein eigenes Konzept für ein inszeniertes Porträt und setzen dies in die Praxis um.
Dieses Unterrichtsprojekt wurde mit einer 2. Klasse mit 23 SuS am Kurzzeitgymnasium an der Kantonsschule in Sargans durchgeführt.
Inhalt:
Sach- und Begründungsanalyse:
Je mehr Bilder unsere Kommunikation bestimmen, umso grösser scheint über immer neue Fotos das Bedürfnis nach der Versicherung des Selbst in einer Welt voller Bilder. Die allgegenwärtige Wahrnehmung einer Flut von Bildern gehört ebenso wie das Erstellen von Fotos – sozusagen auf einen Klick – zur Lebenswelt der Jugendlichen. Das fotografische Digitalbild erleichtert uns die Technik für die Nutzung im Unterricht, im Gegensatz zur analogen Fotografie. Aus didaktischer Perspektive gelten für das digitale Foto ähnliche Regeln wir für das analoge Foto: Lichteinfall, Perspektiven, Farben, Komposition, Einstellungsgrössen, Schärfe, Blende usw..
Was lässt sich mit Fotos erzählen und erreichen? Und wie gestalte ich ein Foto, damit ich eine gewisse Aussage transportiere?
Die SuS setzen sich mit der Strategie des Inszenierens – am Beispiel der Porträt-Fotografin Annie Leibovitz – auseinander. Hierbei steht die narrative Funktion fotografischer Arbeiten im Fokus.
Thema:
«WONDERLAND»
Wer bin ich oder wer könnte ich sein? / Wer sind wir oder wer könnten wir sein?
Was will ich mal werden oder wer wollte ich schon immer mal sein? / Was wollen wir mal werden oder wer wollten wir schon immer mal sein?
Im Rahmen des Unterrichts des ästhetischen Gestaltens ergibt sich hier die Möglichkeit, dass die SuS mit sich selbst und der eigenen Person in Kontakt treten müssen. Im Kontext der finalen Aufgabenstellung findet eine Rollen- und Selbstinszenierung statt, in welcher die SuS eigene Lebensentwürfe reflektieren, in andere Rollen schlüpfen oder sie sogar ironisieren können. Diese Rollenspiele können den Jugendlichen bei der Bildung der Ich-Identität helfen. Denn inszenierte Ereignisse setzen auch immer eine symbolische Vergegenwärtigung von Erlebtem oder Imaginiertem voraus. So entsteht eine intensive Reflexion von vergangenen Erfahrungen und Erlebnissen im geschützten Rahmen des Unterrichts. Wesentliche Kriterien der Identitätsbildung werden gestärkt, nämlich die Selbstwahrnehmung, die Selbsteinschätzung und die Selbstbewertung.
Literatur:
Lernziele und Beurteilungskriterien:
Lernziele:
Beurteilungskriterien:
Foto: Ausdruck, Bildeinstellungsgrösse, Kameraperspektive, Blende (Schärfe/Unschärfe), Lichtrichtung => 1/4 Note
Text: neue Ebene (persönlich, innere Einsicht) => 1/4 Note
– Steckbrief: Idee, Originalität, Ausführlichkeit, Verständlichkeit (5 Punkte)
– Fotografische Inszenierung: Zusammenhang Steckbrief, Ausdruck (Mimik, Gestik, Körpersprache), Blende (Schärfe/Unschärfe), Lichtsetzung, Kameraperspektive, Bildeinstellungsgrösse, Bildkomposition, Auswahl Umgebug und Requisiten (5 Punkte)
– Gestaltungsprozess: eigene Begründung der gewählten Mittel und Entscheidungen (5 Punkte)
=> insgesamt 1 1/2 Noten
Ablauf:
Wir starten mit einem Kennenlern-Spiel mit Fotografie durch Verwendung des Smartphones der SuS.
Wir lernen eine Methode zur Bildanalyse kennen: Das 4-Augen-Modell von Martin Zurmühle.
Wir lernen die Technik hinter einer Kamera kennen und starten mit dem Vergleich „Auge versus Kamera“, an welchen sich ein Experiment bezüglich des Pupillenreflexes anschliesst.
Wie belichten wir richtig? Wir lernen das Belichtungsdreieck kennen.
Wir lernen die Kamera und ihre Einstellungen durch kleine praktische Übungen kennen.
Nachdem wir uns die Grundkenntnisse der Fotografie angeeignet haben, fotografieren wir erste Porträts auf dem Schulgelände (siehe oben, Aufgabe 1).
Im Anschluss geht es um das Zusammenspiel von Fotografie und Text (Beispiele: Jim Goldberg, Duane Michals).
– Was kann Fotografie nicht leisten?
– Was/Wie kann Text ergänzen?
Mittels transparenter Folie wird über den entstandenen Porträts aus der 3. DL mit Text gearbeitet und die Fotografien werden um Informationen ergänzt, die das Foto verbirgt.
Nach den ersten vier Doppellektionen folgt nun das «finale Projekt»:
Projekt „Wonderland“ – SuS – Was ich mal werden will oder wer ich schon immer mal sein wollte (siehe oben, Aufgabe 2).
Die SuS schreiben ein Konzept, setzen dies fotografisch um und stellen ihr Projekt anschliessend der Klasse vor.
In der achten (letzten) Doppellektion folgt die Präsentation der entstandenen Werke im Plenum unter dem Leitaspekt: «Reflektieren durch Präsentieren».
Das Unterrichtsprojekt wird mit einem Hinweis zum Thema «Bildrechte» abgeschlossen.
Reflexion:
Die SuS brachten ein grosses Interesse an dem für sie aktuellen und lebensweltbezogenen Thema der Porträt-Fotografie mit und lauschten sehr aufmerksam und wissbegierig dem Input im Unterricht. Besonders für die eigene Konzeptentwicklung und Projektumsetzung erarbeiteten sie spannende Ideen. Man merkte ihnen ihre Experimentierfreude und Kreativität geradezu an. Leider blieb ihnen für ihre Umsetzung jedoch wenig Zeit und daher würde ich rückblickend den Anteil der theoretischen Inputs im Unterricht zu Gunsten mehr freier Zeit für das eigene Projekt reduzieren. Eine andere Möglichkeit für den Unterricht wäre, das Projekt auf mehr als acht Doppellektionen auszuweiten. Meinen ursprünglichen Grobplan habe ich daher das ein oder andere Mal situativ angepasst und zum Beispiel die Vorstellung eines weiteren Porträt-Fotografen, August Sander, weggelassen. Den schüleraktivierenden Einstieg in die erste Doppellektion mit dem Erstellen von Selfies würde ich als neue Praktikantin an einer fremden Schule und mit fremden SuS nicht wiederholen, da das dazu notwendige SuS-Lehrer-Vertrauen sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht entwickelt haben kann und somit fiel die Resonanz im Erstellen der Selfies eher dürftig aus. Der Lehrer-Aufwand des Erstellen der Keynote-Präsentation zum Thema Porträt-Fotografie mit 223 Folien sowie das Ausdrucken der Bilder der SuS auf Fotopapier ausserhalb der Unterrichtseinheiten war sehr gross und ist vermutlich mit einem Vollzeitpensum als Lehrperson in dieser Ausführlichkeit nicht umsetzbar. Dankbar bin ich für die sehr motivierende Unterstützung meiner Praktikumslehrperson und seinem konstruktiven Feedback.
Für die SuS war es schade, dass nur sechs Kameras für die 23 SuS zur Verfügung standen. Der fototechnische Lernerfolg war damit nicht allen SuS gleich zugänglich.
Das abschliessende „Reflektieren durch Präsentieren“, indem die SuS ihre eigenen Arbeiten der Gruppe in einem 5-minütigen Vortrag vorstellten, war ein gelungener Abschluss eines tollen ersten Praktikums. Als mögliche Ergänzung oder vorangestellte Aufgabe an die (Selbst-)Inszenierung kann ich mir das detailbewusste Nachstellen eines berühmten Porträt-Fotos vorstellen, denn gerade durch das genaue Beobachten und (Re-)Konstruieren lässt sich ein hoher Lerneffekt erzielen.