Mein zweites Praktikum habe ich an der Kantonsschule Willisau bei einer 1. Klasse (Langzeitgymnasium) absolviert. Vor meinem Praktikumsprojekt hat die Klasse malerisch unterschiedliche Bildatmosphären erkundet und mit Ton dreidimensional Charakterköpfe entwickelt.
Mit der Klasse 1d wollte ich am dreidimensionalen Arbeiten sowie an der Charakterentwicklung anknüpfen und diese auf den eigenen Körper der SuS übertragen und ausdehnen.
Visuelle Recherche
Vorgehen
Nach unterschiedlichen Kurzübungen mit dem eigenen Körper und Materialien wie beispielsweise Alufolie und Klebeband erhielten die SuS den Auftrag, eine Woche lang Abfall zu sammeln. Verpackungen, kaputte Gegenstände, alte Kleider – alles, was ihnen in die Hände gelangte und als „nicht mehr brauchbar“ eingestuft wurde, sollten sie mit in den BG-Unterricht bringen. Zurück im BG-Zimmer wurde das Material in Unterkategorien geordnet. Die gesamte Klasse konnte nun aus diesem Materialmeer schöpfen. Der Suchauftrag an die selbstgewählten 3er-Gruppen lautete: „Wie könnt Ihr mit diesem Material eine Maske / ein Kostüm / eine Körperverhüllung / eine Körperverformung / ein eigenartiges Wesen (…) gestalten“?
Der Sprung ins kalte Wasser gelang: Die SuS haben durch eine spielerische und experimentelle Herangehensweise das vielseitige Material haptisch erfahren, spontan erprobt, verworfen und weiterentwickelt. Zum einen durchliefen sie interessante gruppendynamische Prozesse, aber auch gestalterisch mussten sie in Teamarbeit Strategien entwickeln, um mit den unterschiedlichen Qualitäten der Materialien umzugehen. Je nach gestalterischen Absichten der Gruppe wurde gebohrt, geklebt, genäht, zerschnitten und wieder neu zusammengefügt.
Parallel zur Gestaltung der dreidimensionalen Körpercollage entstand eine schriftliche Auseinandersetzung mit dem entstehenden Charakter. Identität, Fähigkeiten und Merkmale des Wesens wurden erfunden und jede Gruppe schrieb einen Steckbrief und eine Kurzgeschichte zu ihrem Wesen.
Zum Abschluss des Projekts wurden die Kostüme von den SuS performativ getragen und fotografisch inszeniert. Während des ganzen Prozesses begleitete uns die Auseinandersetzung mit den Themen Abfall. Gemeinsam unterhielten wir uns über unser Verhalten und tauschten Ideen aus, die sich mit der Frage beschäftigten, wie wir etwas gegen die Wegwerfmentalität unternehmen könnten.
Endprodukt
– 1 Kostüm / Körperverhüllung pro 3er-Gruppe
– 1 Steckbrief + 1 Kurgeschichte pro 3er-Gruppe
– Fotografie Serie pro 3er-Gruppe
Lernziele und Beurteilungskriterien
Prozess und Arbeitsintensität
Welche Entwicklung macht Ihr als Gruppe durch?
Wie konzentriert arbeitet Ihr?
Sind alle SuS gleichwertig am Prozess beteiligt?
Wie werden gestalterische Entscheidungen getroffen?
Wie ist die Gruppendynamik?
Originalität und Eigenständigkeit des Kostüms
Wie sorgfältig wurde mit dem Material gearbeitet?
Wurden überraschende Kombinationen, Formen, Verarbeitungsmethoden entdeckt?
Wie fantasievoll ist das Wesen / die Geschichte?
Theatralische Inszenierung und Fotografie
Wie wird die Körperverhüllung getragen?
Wie «spielt» Ihr das Wesen?
Wurde ein zum Wesen passender Ort gefunden, um das Foto zu machen?
Wie wurden die erlernten fotografischen Tricks beim Endprodukt umgesetzt?
Zeitplan / Grobplan
Reflexion
Das prozessorientierte und experimentelle Projekt hat den Schüler:innen gemäss Feedback und meinen Beobachtungen viel Freude bereitet.
Dies, obwohl es zu Beginn etwas anders aussah, da die erste Doppellektion, zumindest für mich, etwas harzig war. Ich plante einen performativen Einstieg, in dem die Schüler:innen gleich am eigenen Körper mit verschiedenen Materialien Verformungen und Verfremdungen erprobten. Ich kannte die junge und sehr aufgeweckte Klasse noch nicht gut und das Vertrauen fehlte wohl auf beiden Seiten. Die Schüler:innen zeigten zwar ihre Neugier an den Übungen, die Stimmung kippte zwischendurch aber ins Lächerliche. Das körperliche Involviert-sein war neu für die Schüler:innen und es ist auch verständlich, dass es bei solchen Übungen besonders in diesem Alter zu Verlegenheit kommen kann. Dies hatte ich jedoch auch erwartet und es war dadurch auch nicht der Grund für meine Verunsicherung. Vielmehr war ich erstaunt über das laute Verhalten gewisser Schüler. In meinen bisherigen Tätigkeiten als Lehrperson war es nicht nötig, sehr starke Präsenz einzunehmen oder gewisse Schüler:innen auf die Verhaltensregeln aufmerksam zu machen. Das war bei dieser Klasse in gewissen Momenten anders. Die Herausforderung der darauffolgenden Lektionen bestand darin, die sprühende Energie der Schüler:innen in das Projekt zu kanalisieren, um zu grosse Ablenkung untereinander zu verhindern. Dies klappte meistens, da die Schüler:innen schon bei der zweiten Doppellektion mit dem eigenen mitgebrachten Material loslegen mussten und sie innerhalb der Gruppe bereits schon viel diskutieren und verhandeln mussten. Das BG-Zimmer verwandelte sich zu einer lebendigen und arbeitslustigen Werkstatt.
Im zweiten Drittel des Praktikums stand die fotografische Inszenierung im Fokus. Auch da erstaunte und erfreute mich das Engagement einzelner Schüler:innen sehr, da darin ihre Ernsthaftigkeit am Projekt sichtbar wurde.