Ein interdisziplinäres Projekt
Das japanische Verb shiboru bedeutet pressen, drehen, quetschen. Diese Bearbeitung von Material, in Kombination mit Farbe, lässt eine faszinierende Welt aus Mustern und Formen entstehen. Während eines Trimesters behandelte ich das Thema Shibori und Musterentwicklung mit 10 SuS der ersten Gymnasialstufe am Freien Gymnasium Basel.
Inhalt
Für dieses Projekt entwickelten der Lehrer für technisches Gestalten des Freien Gymnasium Basel und ich eine interdisziplinäre Aufgabe zu den Themen ressourcenschonendes Arbeiten anhand von den gewählten Materialien, das reinterpretieren eines schweizer Design Klassikers, das generieren und vielseitige erproben von Mustern durch die Abbinde-, Schnür- und Pressmethode genannt Shibori und das Umsetzen eines Sitzkissens, welches passgenau auf den entworfenen und umgesetzten Stuhl geschneidert ist.
Wir riefen das imaginäre Designstudio WeCare ins Leben, durch welches der Wettbewerb ausgeschrieben wurde den Schweizer Designklassiker LOOP von Willy Guhl neu zu interpretieren. Die Innovationslust und Experimentierfreude der SuS war gefragt. Die Materialien für den Unterricht waren für die Arbeit zentral, denn wir wollten nur Materialien verwenden, welche entweder aus Produktionsüberschüssen bestanden oder aus sonstigen ausgedienten Materialien. Für Materialüberschüsse und Nachlasse bot sich die kreativ Materialverwertung vom OFFCUT an. Das OFFCUT handelt mit Reststoffen, um diese wieder zu Werkstoffen werden zu lassen. In der Vorbereitung besuchten der Lehrer für technisches Gestalten und ich den OFFCUT, um die Materialien zu sichten, welche sich für den Bau des Stuhls verwenden lassen würden. Wir stiessen auf einen ganzen Stapel Wabenkarton, welchen wir als geeignet erachteten. Durch die Waben Verstrebungen ist der Karton sehr stabil und lässt sich wie Holz bearbeiten. Da sich für das Färben Materialien eignen, welche schon etliche Male gewaschen worden sind und zu 100% aus natürlichen Fasern bestehen müssen, eignen sich vor allem alte, weisse Bettlaken. Einige fand ich im OFFCUT. Zusätzlich bat ich die SuS, zu Hause mal nachzufragen, ob es eventuell alte Laken (eventuell auch von der Grossmutter) gäbe, welche wir verwenden konnten. Zu meiner Freude, fanden sich tatsächlich, einige alte Laken.
https://www.offcut.ch/ch/de.html
https://blog.nationalmuseum.ch/2017/09/design-klassiker/
Sach- und Begründungsanalyse
Unter der Reservierungstechnik, auch Shibori genannt, wird ein Verfahren verstanden, bei welchem Stoffpartien vor dem Färben durch Falten, Pressen, Abbinden oder Abnähen freigehalten werden. Durch das “reservieren entstehen auf dem Stoff Aussparungen, welche vom Färbesud nicht aufgesaugt werden. Durch diese Anhäufung von Aussparungen und deren Repetition kann eine Vielfalt an faszinierenden Mustern und Formen erzeugt werden. Reservierungsverfahren kennen viele Kulturen auf der ganzen Welt. Sie heissen überall anders: Afrika = Adire, China = Jiao Xie, Indien = Bandhani, Indonesien, Mittel- und Südamerika = Titrik und Plangi, Japan = Shibori. Shibori ist also das japanische Wort für die Behandlung eines Stoffes vor dem Färben. Das japanische Verb «shibori» bedeutet nämlich: pressen, drehen, quetschen. Shibori hat in Japan eine lange Tradition. Früher nutzten vor allem arme Leute die Shiborikunst. Waren ihre Kleider nicht mehr so schön, färbten sie sie neu ein. Sie erfanden hunderte von verschiedenen Mustern.
Die jugendlichen sollten lernen, dass mit einer einfachen Methode, dem Reservierungsverfahren, eine Vielzahl an Musterungen erzeugt werden können. Sie sollen ein Bewusstsein dafür bekommen, dass mir einer Färbetechnik die Dreidimensionalität und die Textur eines Stoffes hervorgehoben werden kann. Zudem sollten die einen Einblick in die Vorbereitung des Färbeprozesses bekommen. Dieser ist material- und zeitintensiv. Schon nur das Vorbereiten der Stoffe kann Stunden benötigen sowie das Vorbereiten der Farbbänder und Fixierbäder muss richtig geplant sein. Da das Endergebnis nicht zu 100% steuerbar ist, spielt bei dieser Technik der Zufall auch immer eine grosse Rolle. Was das Ergebnis aber nicht minder spannend macht, im Gegenteil. Die SuS waren gebeten zu Experimentieren und sich auf das Imperfekte des Shibori einzulassen.
Lernziele
- Die Schülerinnen und Schüler können Eigenschaften und Wirkungen von Materialien und Werkzeugen erproben und im bildnerischen Prozess einsetzen.
- Die SuS können Stoff, Holz und Glas als Bildträger erproben und nutzen.
- können Materialien plastisch erproben und für eine räumliche Darstellung einsetzen (z.B. Wabenkarton, Porenbeton, Wachs, Offsetplatte).
- Die SuS können ein Färbebad ansetzten und kennen den richtigen Ablauf des Färbens und wissen was es in den jeweiligen Etappen zu beachten gilt: Wasserbad, Färbebad, Auswaschen, Fixierbad, Färbegut öffnen und aufhängen.
- Die SuS können durch Abstrahieren, Reduzieren, Kombinieren, Variieren und Dekonstruieren Darstellungsmöglichkeiten erproben, auswählen und gezielt einsetzen
- Die SuS können die verschiedenen Methoden innerhalb der Shiboritechnik unterscheiden und diese den Ergebnissen ablesen.
- Die SuS können ein persönliches ästhetisches Urteil an Kriterien festmachen, eine eigene Meinung entwickeln und diese mit anderen Standpunkten vergleichen.
Ablauf
ABLAUF (Lek. à je 60min)
Lek. 1 & 2
Einführung in das Thema des Shiboris. Beispiele zeigen und Diskussion darüber anstossen, wie die Beispiele wohl entstanden sind. Vorstellen der verschiedenen Techniken. Auswahl von 3 Techniken, welche die SuS erproben möchten. Beginn mit dem Vorbereiten der Probestoffe. Das Abbinden des zu Färbenden Materials, auch Färbegut genannt, ist in der Shiboritechnik zentral und bildet die Ausgangslage dieses Muster Bildungsprozesses.
Lek. 3 & 4
Weiterarbeit an den Probestoffen. Abbinden und Färbebäder parat machen.
Lek. 5 & 6
Färben der Probestoffe. Farbbäder parat.
Lek. 7 & 8
Entwickeln der Probestoffe. Damit die Musterstoffe nicht einfach irgendwo in einer Mappe oder einem Heft verschwinden, hatte ich die grösse der Musterstoffe so geplant, damit die SuS aus ihnen einen Kissenbezug für ein kleines Kissen nähen konnten. Mit diesem Prinzip blieb ich dem Thema des ressourcenschohnenden Umgang mit Material treu, da die Versuche sogleich eine Verwendung fanden und gleichzeitig als Dokument der Versuche dienten.
Die Sus waren gebeten, sich für eine Shibori Variante zu entscheiden welche sie für ihr grosses Sitzkissen benutzen wollten. Danach begann der Zuschnitt des Stoffes und der Beginn des Abbindens der Hauptarbeit.
Lek. 9 & 10
Fertig Abbinden der Hauptarbeit und Färben
Lek. 11 & 12
Entwickeln → Auflösen, Öffnen der grossen Arbeit und Beginn mit dem Nähen des Kissens, welches zum gefertigten Stuhl passt.
Lek. 13 & 14
Kissen nähen & fertigstellen
Reflexion
Das Färben im Unterricht hat sich als organisatorische Herausforderung entpuppt. Die Bäder mussten zum richtigen Zeitpunkt parat sein, sowie die Nachbehandlung. Fehlte aber ein Schüler oder eine Schülerin, hatte das zur Folge, dass sich die ganze Planung verzögerte und ich neue Farbbänder anrühren musste. Die Shibori Technik ist eine spannende und kurzweilige Mustererzeugungstechnik, in ihrer Vorbereitung ist sie aber sehr material – und zeitaufwendig, vor allem dann, wenn die Schulzimmer nicht dafür ausgerüstet sind und man als LP improvisieren muss. Das Projekt hat sich aber allemal gelohnt. Die Arbeitsstimmung war meistens konzentriert und die SuS bei der Sache. Das Vorbereiten des Materials empfanden sie SuS als eine meditative, aber anstrengende Arbeit. Umso mehr Vergnügen bereitete ihnen dann aber das “Auspacken” der Stoffe, denn erst dann kam die ganze Mühe zum Vorschein.
Am Schluss war es für uns LP wohltuend, die Stühle mit den Kissen in Kombination und in Gebrauch zu sehen. Es entstanden vielfältige Willy Guhl Interpretationen, die einluden, sich hinzusetzen und einen Moment bequem sitzend zu geniessen.