Dank einem superhippen Design wird auch ein simpler Wasserbehälter zum superteuren Produkt. Das Projekt «Von der Form zum Verkaufsschlager» macht diese Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Gestaltung zum Thema: Zu den möglichen Anwendungsbereichen und Idealsituationen, der von den Schüler*innen mitgebrachten Behältern zum Transport von Wasser, werden Schriftdesigns entworfen und fiktive Produkte gestaltet.
Sach- und Begründungsanalyse
Tagtäglich finden wir uns mit Produkten konfrontiert; währenddem Daten erhoben, Profile erstellt, Werbungen personifiziert, Produkte erfunden, Bedürfnisse erschaffen werden, wächst die Anzahl und Vielfältigkeit von Produkten für (beinahe) dasselbe. Hinter jedem Einzelnen versteckt sich eine Absicht, ein (kreiertes) Bedürfnis, eine Zielgruppe. In einer vom Kapitalismus regierten Welt ist Konsum allgegenwärtig: Was verleitet mich zum Kauf, was spricht mich an? Wir lassen uns gerne durch Produkte mit ästhetisierender Bildsprache verführen. Gerade aufgrund dieser täglichen, manipulativen Konfrontation halte ich es für wichtig, dass wir uns diese Prozesse bewusstmachen.
Das Projekt will an den von mir vermuteten Interessen der Klasse mit Schwerpunkt Wirtschaft durch die Schnittstelle Wirtschaft, Kommunikation, Marketing – Gestaltung – Form / Kontext anknüpfen.
Dem Projekt zugrunde liegt eine simple Beobachtung: Dank einem superhippen Design wird auch ein simpler Wasserbehälter zum superteuren Produkt. Dennoch ist das Wasser aus dem Hahn genauso trinkbar, lokal, wie das norwegische Quellwasser für 6.20 Franken pro Liter. Preise entstehen scheinbar unter anderem durch visuell vermittelte Exklusivität. Das Projekt ist im Bereich der Visuellen Kultur und Kommunikation im Produktekontext «Wasserbehälter» angesiedelt.
Ablauf
Während 6 Wochen unterrichtete ich die Klasse in 3-Lektionen-Blöcken. Wie im Voraus mit der Praktika-Lehrperson abgesprochen, standen als Richtwert zwei Lektionen für ein praktisches Projekt und eine Lektion für das Behandeln theoretischer und geschichtlicher Bereiche zur Verfügung. Die Inhalte waren freigestellt. In der Theorie sprachen wir nach einem Block zu unserem subjektiven Empfinden (Was finden wir schön oder ästhetisch? Weshalb ist das so?), über Design und Kunst, auf Wunsch der Schüler*innen über den Kunstmarkt und den Wert von Kunst(werken). Obgleich in den Praktika-Vorbereitungen Themenbereiche festgelegt und aufgearbeitet wurden, wurden die Inhalte und Fragestellungen auf den Diskussionsablauf angepasst.
Im praktischen Bereich standen Gefässe zum Transport von Wasser im Fokus: Auf unterschiedliche Arten betrachteten, hinterfragten die Schüler*innen die Behälter. Über die ertastende Blind-Zeichnung, das Ausfüllen eines Forschungsprotokolls zum Objekt in der Rolle des Archäologen in der Zukunft, das Abzeichnen ihres gewählten Gegenstandes, in raschen Skizzen das Gefäss verformend oder durch die spontane, fotografische Inszenierung des Behälters mit sich selbst in einer Idealsituation entdeckten die Schüler*innen ihr Gefäss von unterschiedlichen Seiten. Die Erkenntnisse hielten die Schüler*innen sprachlich fest und formulierten daraus eine Absicht und Zielgruppe. Der Behälter soll typografisch diese Zielgruppe ansprechend gestaltet werden. Um ein Bewusstsein für Schriftgestaltungen und die Anwendungsbereiche von Schriften zu entwickeln, legten die Schüler*innen eine Schriftsammlung an; es gab Inputs zum Schriftaufbau. Während Gruppengesprächen gaben sich die Schüler*innen Rückmeldung auf die Wirkung. Während des Projektes wurde das Sprechen über Schrift – das Finden von präzisen Bezeichnungen und Beschreibungen von Wirkung – zum Thema und zur grossen Herausforderung für die Schüler*innen. Es entstanden neue Produkte mit neuen Namen, auf welche die Schüler*innen ihre Beschriftungen anpassten und befestigten – aus 2D wurde 3D.
Beurteilung
Aufgrund des durch die Schüler*innen formulierten Statements zu ihrer Absicht und imaginiertem Produktekontext wurde das Projekt nach den Kriterien bewertet. Ergänzend zu den Teilnoten konnten die Schüler*innen die Bewertung anhand einer schriftlichen Rückmeldung nachvollziehen.
Reflexion
Das Praktikum ist mit wenig Vorlaufzeit gestartet. Es blieben mir wenig Möglichkeiten, mich mit den Realitäten der Schüler*innen und der eigenen Funktion am Gymnasium auseinanderzusetzten. So fand ich mich bald mit neuen Situationen konfrontiert: Im Gegenzug zu meinem ersten Praktikum im gestalterischen Vorkurs wurden nun neben der fachspezifischen Auseinandersetzung auch didaktische Entscheidungen, Klassenführung, detaillierte Planung und Strukturierung zu einem wichtigen Teil des Praktikums. Diese stellten mich vor neue Herausforderungen, welche sofort umgesetzt werden mussten: Bereits im Praktikum stehend, mussten an die Stufe angepasste Heranführungsaufgaben entstehen. Ausserdem war die thematische Rahmung (Theorie und Praxis) breit angelegt, sodass präzisere, fokussiertere Zielsetzungen zu einem differenzierteren, dichteren Projekt hätten beitragen können.
In meinen Augen liegt das Potenzial des Projektes in seinen inhaltlichen Anlagepunkten zwischen Gestaltung und Wirtschaft: Die Phänomene des verführerischen Vermarktens umhüllen uns allgegenwärtig.
Weiterentwickelt könnte das Projekt mit Produktinszenierungen, Plakatwerbung oder Werbespots. So war das Praktikum für mich eine wertvolle Erfahrung. Besonders Freude bereitet hat, dass ich durch die Aufgabe einen Einblick in die Realitäten und Interessen der Schüler*innen gewinnen durfte.