ABSTRACT
Während vier Vormittagen unterrichtete ich Lernende des Propädeutikums an der Schule für Gestaltung in Biel. Das Format «Marktplatz» wird als offenes Lehrformat angesehen, welches Arbeitsstrategien und – methoden thematisiert und verhandelt. Es war mein Auftrag für verschiedene Klassen Methoden des Anfangens zu präsentieren und mit den Lernenden auszuprobieren.
SACHANALYSE
Jeder Vormittag (4 Lektionen) war in sich abgeschlossen, da ich verschiedene Klasse mit jeweils 15 Lernenden unterrichtete. So ergaben sich vier verschiedene Ansätze, die sich thematisch alle im Oberthema RAUM einorden liessen. Dazu gehörten das dialogische Zeichnen im Raum, Random Walk & Materialisierung eines Ortes, Wege & Kartieren, Überwachung im öffentlichen Raum.
BEGRÜNDUNGSANALYSE
Anhand des Überthemas Raums konnten die Lernenden verschiedene Herangehensweisen ausprobieren. Dieser Ansatz eignete sich, weil das Propädeutikumjahr erst begonnen hatte und viele der Lernenden nicht in Biel aufgewachsen waren. Durch das Erkunden von Orten, Wegen etc. konnten die Lernenden den Aussenraum erkunden und aus einer neuen Perspektive wahrnehmen.
Die Aufträge waren mehrheitlich so angelegt, dass zu zweit oder in Kleingruppen gearbeitet wurde, damit sich einerseits die Lernenden besser kennen lernen, sich durch die Zusammenarbeit mit den anderen austauschen konnten und andererseits das kollektive Lernen entstehen konnte.
LERNZIELE UND BEURTEILUNGSKRITERIEN
_ vielfältige Erfahrungen mit Medien, Materialien
_entwickeln und verstehen von künstlerischen Arbeitsmethoden und -strategien durch Handeln: sammeln, transformieren, inszenieren, experimentieren, übersetzen, intervenieren, materialisieren, improvisieren | Kontextverständnis schulen, Verbindungen herstellen
_dabei die Wahrnehmung und Beobachtung schulen, Vorstellungskraft entwickeln
_Innen- und Aussenraum wahrnehmen, entsprechend Arbeiten umsetzen
_kollektives arbeiten: sich kennen lernen, andere Herangehensweisen beobachten, sich austauschen, Entscheide bezüglich der Umsetzung selbständig innerhalb eines Projekts fällen: gemeinsames Lernen und horizontaler Wissensaustausch
_reflektieren: Gewählte gestalterische Prozesse / Lösungen in adäquater Form festhalten, sprachlich gewählt formulieren und reflektieren, entwickeln einer eigenen Haltung
SETTING:
_ es war mir wichtig zu Beginn des Vormittags mit einem anregenden Setting und einem passenden Einstieg die Neugierde zu wecken. Wichtig war mir auch, dass die Lernenden immer wieder unbekannte Erfahrungen machen konnten und ich methodisch vielfältige Verfahren einbaute.
_das Setting für jeden Vormittag war so geplant, dass er möglichst viel Handlungsspielraum für verschiedene Umsetzungen zuliess. Die Nutzung des Aussenraums war dabei sehr wichtig (Wege, Orte etc.) und die Lernenden waren oft in Kleingruppen draussen unterwegs.
_den Raum, den ich für meinen Unterricht benutzen konnte, war vor dem Einrichten jeweils leer. Entsprechend des Unterrichtsvorhabens richtete ich den Raum mit dem nötigen Material ein und stellte alles bereit, dass ein möglichst selbständiges Arbeiten möglich war.
_ich liess die Lernenden mit ihrem Smartphone fotografieren. Dies ermöglichte ein sofortiges Raufladen der Fotos auf meinen Computer und ein gemeinsames Präsentieren und Reflektieren der Bilder auf einem grossen Bildschirm.
ABLAUF
I: DIALOGISCHES ZEICHNEN
a. Body Practise im leeren Raum: gehen, stehen, bewegen nach Instruktionen – wahrnehmen des Raums und der anderen Lernenden. Dialoge zu zweit anhand von Bewegung.
b. Non verbales dialogisches Zeichnen zu zweit: grosses Papier, verschiedenes Zeichenmaterial
c. Dialog im Raum: A zeichnet mit Kohle auf grosse an die Wand aufgehängte Papierbogen, B bewegt sich im Raum mit einem Objekt. Initieren der Bewegung/ Zeichnung von beiden Personen ohne verbale Absprache.
d: Dialogisches Zeichnen mit einem vorgegebenen Zeichentool: am Faden ziehen, in Gruppen
d. In Kleingruppen eigene Zeichentools mit verschiedenen Materialien entwickeln, einander zeigen & ausprobieren und weiter entwickeln lassen. Reflektion der Vorgehen.
II: MATERIALISIEREN EINES ORTES
a: Einstieg: Fundgegenstände von einem Ort sind auf einem Tisch ausgebreitet, Geräusche vom Ort werden abgespielt. Die Neugierde wird geweckt. Auftrag erklären.
b. Die Lernenden spazieren anhand der «Random Walk» Methode (mit einem Kartenset) und mit einem Exkursionskit ausgerüstet (Papiertasche, kleine Dosen, Aufbewahrungssäcklein, Ton, Schere etc.) während einer abgemachten Zeit und erkunden danach den gefunden Ort. Materialisieren des Ortes mit Fundgegenständen, Geräuscheaufnahmen, Skizzen etc.
c. Reflexion des Spaziergangs. Die Fundgegenstände etc. werden in der Schule inszeniert und vorgestellt. Darauf folgt eine Transformation eines ausgewählten Fundgegenstands mit Ton. Das Objekt wird an den Fundort zurückgelegt, inszeniert und fotografiert. Eine Auswahl der Fotos wird hoch geladen.
d. Austausch. Anschauen der transformierten und inszenierten Fundgegenstände, formulieren des Vorgehens / Strategien.
III: MAPPING – WEG
a. Einstieg: verschiedene Arten von (Land)karten sind aufgehängt / ausgelegt. Input zu kartieren als künstlerische Praxis.
b. Stadtkarte von Biel mit eingezeichnetem Weg. Die Lernenden gehen selbständig auf den Rundgang (ca. 1/2 Std.).
c. Zurück: Erste Aufzeichnungen nach der Methode von Mikki Muhr: Freihandskizze des Rundgangs: Wege, Orte, Erinnerungen, Assoziationen, Gedanken aufzeichnen, allenfalls Symbole (Legende) benutzen.
d. Gespräch in Zweiergruppen: einander die Karte erklären, nachfragen, ergänzen.
e. Text schreiben, als würde man die gezeichnete Karte jemandem erklären.
f. Übersetzen der persönlichen Karte in den Raum/ in eine andere Form/ mit verschiedenen Materialien.
g. Austausch & Reflexion
IV: WHERE AM I? MACH DICH UNSICHTBAR! ÜBERWACHUNG IM ÖFFENTLICHEN RAUM
a. Masken des Künstlers Leo Solevaggio (anlässlich der Ausstellung «Anti-Surveillance Fashion» im Kornhausforum Bern) ausschneiden. Bewegungen mit Masken und Stuhl im Raum in zwei Gruppen, beobachten, wahrnehmen. Was löst die Maske aus?
b. Video von Leo Solevaggio: http://leoselvaggio.com/video | Videoüberwachung im öffentlichen Raum thematisieren & diskutieren.
c. An den Wänden: Fotos aus der Ausstellung (Kleider etc.). Rundgang.
d. Auftrag: In der Umgebung zu zweit einen Ort finden und Körper in den Raum einfügen. Fotografisch festhalten.
e. Kurzes Video des Künstlerduos «Bigler und Weibel».
f. Zusätzlich Kleider / Requisiten etc. aus alten Secondhandkleidern, Materialien herstellen, um noch mehr zu «verschwinden», Blick zu irritieren & unsichtbar zu werden. Erneues inszenieren am gewählten Ort, fotografieren.
g. Einander eine Auswahl der Bilder zeigen, Vorgehen & Methoden austauschen, analysieren.
REFLEXION
Anfänglich fand ich die Planung für das Praktikum sehr herausfordernd, da ich eine Weile brauchte, um die Idee des mir vorgegebenen Formats «Marktplatz» und den Alltag am Propädeutikum, der sich aufgrund meines Eindrucks doch ziemlich vom gymnsialen Unterricht unterscheidet, grundsätzlich zu verstehen. Das Hospitieren und die Gespräche mit den Unterrichtspersonen halfen mir dabei.
Die Rhythmisierung des Vormittags war durch die vier Lektionen am Stück noch wichtiger als bei Doppelstunden, liessen aber auch mehr Freiheit zu. Zeitlich hatte ich tendenziell zu viel für jeden Vormittag eingeplant und musste flexibel anpassen. Meist hätte ich am Nachmittag noch weiter am Thema arbeiten und vertiefen können. Weil die vier Unterrichtsblöcke aber unabhängig voneinander waren, war dies nicht möglich.
Ich empfand die Lernenden als sehr offen und interessiert. Sie liessen sich auf all meine Vorschläge ohne Vorbehalte ein, ich konnte sie bedenkenlos mit Aufträgen in den Aussenraum losschicken, was für mich eine neue Erfahrung war und neue Herangehensweisen ermöglichte.
Etwas schade war, dass ich jede Klasse nur einmal unterrichtete und nicht am Vorangehenden anknüpfen konnte.
Am Propädeutikum in Biel wird zweisprachig unterrichtet. Die Zweisprachigkeit war für mich eine Herausforderung und ich hatte das Gefühl, sehr viel sprechen zu müssen. Es war noch wichtiger, mich sprachlich kurz und prägnant zu halten, was mir nicht immer gleich gut gelang. Ich denke, dass ich mich mit mehr Erfahrung diesbezüglich gewandter ausdrücken könnte.
Abschliessend bin ich sehr froh, dass ich eines meiner Praktika am Propädeutikum absolviert habe. Ich hatte das Gefühl, meine eigenen künstlerichen Erfahrungen als Grundlage benutzen und mit dem didaktischen Transfer authentisch unterrichten zu können.