Im Rahmen einer Stellvertretung an der Primarschule Huttwil absolvierte ich mein freies Praktikum. Da es sich hierbei um etwas jüngere SuS handelte, wollte ich ein Projekt umsetzen, welches die Kreativität und Fantasie fördert. Gleichzeitig wollte ich herausfinden, wie ich in diesem Kontext einen prozess- und vertiefungsorientierten Ansatz integrieren kann.
Primarschule Huttwil, Zyklus II, 5./6. Klasse, 2023/24
Inhalt
Für das Projekt „Übertreib doch mal“ wählte ich das Tiermotiv als Ausgangslage, da es mir in Anbetracht der Altersstufe angemessen und für alle leicht zugänglich erschien. Ausserdem wollte ich den SuS damit auch einen lockeren Einstieg in die Aufgabe ermöglichen. Da ich das Weiterentwickeln von Ideen und kreativen Prozessen in den Fokus stellen wollte, entschied ich mich dazu, den SuS innerhalb eines Themas, verschiedene Teilaufgaben zu geben, welche alle miteinander verbunden waren und aufeinander basierten.
In einem ersten Teil erhielten die SuS die Aufgabe, ein Tier ihrer Wahl neu zu entwerfen und zeichnerisch zu visualisieren, indem sie ausgewählte Merkmale verformten und seine Proportionen übertrieben darstellten. Ein Tier konnte also plötzlich riesen grosse Ohren, ganz kurze Beine oder eine viel zu lange Schnauze haben…die SuS konnten ihrer Fantasie freien Lauf lassen! Dafür gestalteten sie zuerst verschiedene Entwürfe, danach wurde aus einer ausgewählten Skizze eine Umsetzung gemacht.
Im zweiten Teil des Projekts griffen die SuS ihre erfundene Tierfigur wieder auf, indem sie diese zur Hauptfigur ihrer selbst erfundenen Geschichte machten. Sie bekamen die Aufgabe, einen Comic zu zeichnen, dessen Handlung erzählt, wieso dieses Tier diese besonderen Merkmale hat, wie es dazu gekommen ist oder was es damit machen kann.
Lernziele und Beurteilungskriterien
- Imagination: die eigene Vorstellung aufs Papier bringen
- Merkmale und Besonderheiten eines Tieres erkennen und visuell darstellen
- Zeichnerische Verformung und Übertreibung
- Prozess und Entwicklung: von der Skizze zur Umsetzung
- Das entworfene Tier zur Hauptfigur einer Geschichte machen
- Gestalterische Aspekte des Comics kennenlernen und anwenden
- Narration: eine Geschichte mit Bild und Text erzählen
Ablauf
Der Einstieg ins Praktikum begann mit einer Kennenlernübung: die SuS sollten mit farbigem Papier, Schere und Leim ein mit einfachen geometrischen Formen reduziertes Selbstporträt gestalten. Dabei sollten sie besondere Eigenschaften, ein Lieblingstier oder ihr Hobby in ihr Porträt integrieren. Der Umgang mit den Farben war völlig frei und sollte auch Ausdruck ihrer Persönlichkeit sein.
Im Anschluss an diese Einstiegsübung begann der erste Teil des Hauptprojekts „Übertreib doch mal“. Wir starteten dafür mit einer kurzen Lockerungsübung, bei der ich den SuS ein Tier mit besonders vielen Adjektiven beschrieb und sie dieses innerhalb 10 Minuten zeichnen sollten. Wir betrachteten gemeinsam die Ergebnisse mit dem Visualizer und die SuS konnten gewissen Unterschiede und Parallelen beobachten.
Danach bekamen die SuS ein von mir vorbereitetes Skizzenblatt ausgehändigt, auf welchem sie ein Tier ihrer Wahl entwerfen sollten. Das Tier sollte in einem ersten Schritt in seiner „normalen“ Form aus dem Gedächtnis gezeichnet und seine wichtigsten körperlichen Merkmale schriftlich dazu notiert werden.
In einem zweiten Schritt hoben die SuS eins oder mehrere der Merkmale hervor, indem sie diese zeichnerische verformten und übertrieben. Das Tier sollte dabei immer erkennbar bleiben, durfte sich aber stark vom „Original“ unterscheiden.
Nachdem die SuS verschiedene Variationen ihrer Tierfigur skizziert hatten, sollten sie sich für einen Entwurf entscheiden. Diesen galt es dann auf einem A3 Blatt umzusetzen, indem sie die Skizze zuerst mit Bleistift auf das nun viel grössere Format übersetzten, die Outlines mit Kugelschreiber umrandeten und zum Schluss das Bild mit Aquarell kolorierten.
Erst zu diesem Zeitpunkt verriet ich den SuS, dass sie mit ihrer nun entworfenen Tierfigur weiterarbeiten werden und diese zum Hauptprotagonisten ihres eigenen Comics verwandeln werden. Als Anhaltspunkte nannte ich den SuS folgende Kriterien: Die Geschichte sollte 1 bis 2 Seiten lang sein, die Handlung sollte etwas mit den besonderen Merkmalen des Tieres zu tun haben und das Ende des Comics sollte spannend sein.
Da ich schnell feststellte, dass die Vorkenntnisse der SuS bezüglich Comics praktisch bei null waren, entschied ich mich einen Comic Jam als Einstiegsübung mit der ganzen Klasse zu machen. Comic Jam = Jede*r zeichnet das erste Panel eines Comics, legt das Blatt dann in die Mitte des Tisches, nimmt ein anderes Blatt, zeichnet da weiter, usw..dadurch entstehen sowohl absurde wie auch lustige Geschichten und ermöglicht den Teilnehmern eine erste lockere Annäherung ans Comiczeichnen.
Danach schaute ich mit den SuS einige der wichtigsten Aspekte des Comics an (Panels, Leserichtung, Bild&Text, Sprechblasen, Spannung,usw.) und dann gings los mit zeichnen! Zuerst gestaltete jede*r einen Entwurf/ein Storyboard seines Comics, dazu schrieb ich allen ein kurzes Feedback mit Tipps, anhand welchem sie die Geschichte nochmals anpassen konnten. Danach wurde alles auf Zeichnungspapier mit schwarz/weiss rein gezeichnet. Wer früher fertig war konnte den Comic auch noch kolorieren und/oder ein Deckblatt dazu gestalten.
Reflexion
Es war für mich eine sehr spannende und lehrreiche Erfahrung, mit Primarschüler zusammen zu arbeiten. Zuerst hielt sich die Begeisterung in Grenzen, als ich nach dem ersten Teil des Projekts eröffnete, dass wir mit derselben Figur weiterfahren und einen Comic daraus zeichnen. Mir schien es so, als fiele es vielen schwer, sich etwas länger mit demselben Thema zu beschäftigen und, dass sie ein etwas vertiefteres Arbeiten in BG leider eher wenig kannten. Doch dann merkte ich, dass sie sich immer mehr darauf einlassen konnten und prozesshaftes Arbeiten wie z.B. zuerst Ideen sammeln, dann Entwerfen, dann nochmals überarbeiten und zum Schluss zu einer Umsetzung gelangen, plötzlich viel besser zu funktionieren schien. Nebstdem stellte ich fest, dass die richtige Mischung zwischen kurzen Inputs, Vorgaben, Anforderungen und „einfach mal machen lassen“, gerade auf dieser Stufe extrem wichtig ist.