Vom Pigment zur Herstellung einer Ei-Öl Tempera bis zur Oelfarbe aus der Tube
Abstract – Die SuS lernen zwei Maltechniken kennen und arrangieren ein eigenes Stillleben. Ausgehend davon erarbeiten sie sich durch Weglassen, Verfremden, Hinzufügen & Erfinden ihre eigene Interpretation einer «abstrakten» malerischen Umsetzung.
Sach- und Begründungsanalyse – Die Unterrichtseinheit wird mit einer Vollzeitklasse an der Gestalterischen Berufsmaturität in Zürich durchgeführt. Sie SuS haben sich vorgänging mit der Farbenlehre beschäftigt, als Übergang in die Praxis wenden wir uns zwei verschiedenen Maltechniken zu.
In einer Einführung geht es um die Zusammensetzung von Farbe aus Pigment und Bindemittel sowie den historischen Kontext und die Verwendung der Temperamalerei z.B. in der Ikonenmalerei. Mittels Mischen einer Ei-Öl Tempera wird der Prozess der Farbherstellung selbst erlebt und kann nachvollzogen werden.
Die Malereitechnik und ihre Möglichkeiten mit dem vorhandenen Material (Bildträger, Malwerkzeug) werden erprobt. Um dies ausgehend zu Üben arbeiten die SuS mit Einbezug von Mustern, Einsatz von Flächen und mit der Möglichkeit einen Gegenstand zu integrieren anhand dessen hell/dunkel Kontraste eingehender erprobt werden können. Das Mischen der Farbe wird in der Einführung vorgezeigt und für alle sichtbar an die Wand projiziert. Als Anregung zu verschiedenen Maltechniken werden Bildausschnitte aus der zeitgenössischen Malerei gezeigt.
Während dem Malen wird mit dem Farbauftrag experimentiert und die passenden Malereitechniken in Bezug zur Eigenschaft der Farbe ausgelotet. In der zweiten Vorübung wird die Oelmalerei angewendet. Hier wird nicht mehr auf das Anmischen der Farbe fokussiert, es werden stattdessen bereits fertig gemischte Oelfarben aus der Tube verwendet. Die Vorübungen umfassen 6 Lektionen.
Zu Hause arrangieren die SuS ein eigenes Stillleben mit Gegenständen. Das Stillleben wird fotografiert und als Vorlage für die Aufgabenstellung verwendet. Ausgehend von den Vorlagen werden nun Skizzen erstellt und das Stillleben stufenweise abstrahiert. Mittels dieser Skizzen «nähern» sich die SuS dem Bild, welches sie schliesslich malerisch umsetzen wollen. Während die SuS ihre Skizzen erarbeiten finden Einzelgespräche mit der LP statt. Zum Schluss dieser Phase stellen die SuS einander jeweils die Entwürfe und Ideen vor, es können wichtige Inputs zur Weiterentwicklung gegeben werden. Die Entwürfe werden Anhand vorgegebener Kriterien kritisch betrachtet, die SuS üben sich ihre künstlerischen Ideen zu kommunizieren und sich zu positionieren.
Lernziele und Beurteilungskriterien –
- Mittels Einsatz von Farbe, Mustern, Flächen ein anregendes, spannendes Bild, das zwischen Abstraktion und Erkennbarem schwankt, produzieren.
- Auseinandersetzung mit den Eigenschaften der Farbe und den Möglichkeiten des Farbauftrags.
- Die Malerei spielerisch erforschen. Offenheit für das Zufällige, das Bild kann während dem Malprozess überraschende Wege nehmen.
- Beobachten: Wo kann „schnelles Malen“ eingesetzt werden? Kann Schnelligkeit zum Beispiel eine Dynamik im Bild erzeugen? Wann ist eher „präzises“ Malen sinnvoll und gefragt? Können die verschiedenen Ansätze und Ansprüche im selben Bild eingesetzt werden?
Der Abstraktionsprozess zwischen der Vorlage des Stilllebens und dem Resultat ist erforscht und umgesetzt worden. Fotovorlagen werden berücksichtigt.
Technische Umsetzung: Sachgerechter Umgang mit Material und Werkzeugen, Sorgfalt. Gelungene Auswahl der Mal- und Zeichentechniken. Handwerkliches Geschick
Originalität, Einfallsreichtum: Individualität und Originalität von Lösungen. Experimentelle Ausdeutung des Themas. Eigenständigkeit.
Farben- und Formenspiel: Einsatz von Farbe im Gesamtbild. Spannung in der Anordnung der Gegenstände bzw. Formen im Bild. Variable Lösungen in Farben- und Formendarstellung.
Dynamik Gesamtwirkung: Ausdruckskraft im Gesamten. Aspekte der Irritation/Transformation. Macht die Umsetzung in Bezug auf die Aufgabenstellung insgesamt Sinn?
Ablauf – Die Vorübungen umfassen 6 Lektionen. Für die Umsetzung der Aufgabenstellung stehen den SuS insgesamt 12 Lektionen zur Verfügung.
Die Unterrichtseinstiege während den Vorübungen und zu Beginn der Arbeit an der Aufgabenstellung bilden wichtige Momente und sind sorgfältig geplant. In Powerpoint Präsentationen gibt es Anfangs Einführungen zu den Themen:
- Herkunft und Herstellung von Pigmenten
- Geschichte der Tempera Malerei, Beginn der Oelmalerei im kunsthistorischen Kontext
- Alla prima Technik
- Stillleben, Beginn abstrakter Malerei, zeitgenössische Positionen in der Malerei
- In den Einführungen wird themenbezogen auf Werke von Bruegel, van Eyck, Dürer, Cézanne, Richter, Hockney, Grosse hingewiesen. Auch junge Schweizer Künstler Positionen wie Florian Bühler, Lex Vögtli und Daniel Karrer werden vorgestellt.
In regelmässigen Gesprächen im Plenum wird zur Reflexion und Diskussion der verschiedenen Arbeitsschritte angeregt: Wie empfinden die SuS die Unterschiede der zwei Maltechniken, was sind die Vor- und Nachteile der jeweiligen Techniken? Wie denken die SuS über Abstraktion? In wiefern ist Malerei heute noch wichtig? Was könnten allfällige Vorurteile in Bezug auf die Oelmalerei sein?
Während die SuS an der Aufgabenstellung arbeiten werden sie aufgefordert ihre Gedanken zu fünf spielerisch, teils humorvoll formulierten themenbezogenen Fragen schriftlich festzuhalten. Diese eingeschobene Reflexionsaufgabe orientiert sich stilistisch und visuell am Buch «Findet mich das Glück?» von Fischli/Weiss. Die 5 plakatgrossen Papiere mit je einer Frage sind an verschiedenen Orten im Zimmer aufgehängt, allmählich füllen sich die Papiere mit möglichen Antworten. Als Abschluss der Unterrichtseinheit können die SuS das daraus entstandene Produkt in Form von Postkarten mit nach Hause nehmen. Somit wird der Prozess der Reflexion sichtbar und die Mitwirkung der SuS entsprechend gewürdigt.
Reflexion – Mein erstes Praktikum war grundsätzlich eine gute Erfahrung für mich, es war sicher von Vorteil, die Materie der Malerei bereits gut zu kennen und auch die Begeisterung dafür zu haben diese zu vermitteln. In den Feedbacks der SuS wurde mehrfach erwähnt, dass ich gut auf ihre Fragestellungen zur Technik eingegangen bin und ihnen der Austausch weitergeholfen hat. Erstaunt war ich etwas darüber, wie schwierig sich die SuS mit dem Begriff der Abstraktion taten. Ob das schon genug abstrakt sei, wurde ich ein paarmal gefragt. Obwohl ihnen in der Aufgabenstellung ziemliche Freiheit gegeben wurde in wie weit sie sich von der Vorlage in abstraktem Sinne entfernen konnten, schienen viele genau damit zu hadern. Das war für mich der Anstoss um intensiver Reflexionsfragen mit ihnen zu bearbeiten – in den Lektionen selbst kamen die mündlichen Rückmeldungen auf Fragen in der Gruppe eher spärlich und knapp. Deshalb habe ich spontan die schriftliche Reflexion mittels den Fragepapieren initiiert. Das entstandene Nebenprodukt der Postkarten hat mich sehr gefreut und ist bei den SuS als Überraschung in der letzten Lektion sehr gut angekommen. Schön war auch zu sehen, dass es ein paar Schüler gab, die in der Aufgabenstellung über ihr Können hinausgewachsen sind und etwas für sie Neues gewagt haben.