Atelierschule der Steinerschule Zürich, 4. Klasse mit 18-19 jährigen Schüler*innen
Abstract
Wer hätte nicht Lust während zwei Wochen auszuprobieren wie sich Ölmalen, die Königsdisziplin der Malerei, anfühlt, um herauszufinden, ob man mit dieser Technik einmal vertiefter arbeiten möchte oder ob man weiterhin doch lieber andere Maltechniken bevorzugt. Ich hatte das Glück während zwei Intensivwochen (16 Lektionen auf sechs Tage verteilt, was auch wegen dem Umgang mit langsam trocknender Farbe Sinn machte) mit den Schüler*innen durchspielen zu dürfen, und tatsächlich schienen am Ende eine Hand voll Schülerinnen an einer längerfristigen Auseinandersetzung mit dieser anspruchsvollen Art von Malerei interessiert zu sein. Ausserdem wurde die teilweise verstaubte Kategorie «Stillleben» durch zeitgenössische und persönliche Bezüge belebt, und dadurch frisches Interesse an einem klassischen Thema geweckt.
Sachanalyse
Da nebst der Ölfarbe zahlreiche Malmittel zur Verwendung kommen, gibt es einiges über diese Technik zu wissen. Wir thematisieren also zunächst die ganze chemische Materialpalette, widmen uns danach ausgiebig den Möglichkeiten der Komposition im ersten Schritt des Vormalens, und erst danach kommt die Auseinandersetzung mit Farbe und Licht. Ausserdem wird nicht nur mit Pinseln gemalt, sondern auch mit dem Malmesser gespachtelt – in der sogenannten Impasto-Technik.
Die Schüler*innen widmen sich in der ersten Woche gegebenen Motiven, nämlich einer Zwiebel und einer Glühbirne, um sich der Komplexität des Themas anzunähern. In der zweiten Woche dürfen sie anhand von Kriterien eigene Gegenstände mitbringen, welche sie zu einem individuellen Stillleben arrangieren und – durch den Bezug zu persönlichen Dingen – motiviert malen.
Weiter im Programm ist meinerseits ein zeitgenössischer Kunstgeschichtsvortrag über Stillleben, und im letzteren Teil des Praktikums lese ich verschiedene Geschichten zur Entstehung der Pigmente vor, währenddem die Schüler*innen ihre Bilder vollenden. Sie scheinen diese Kombination zu geniessen und können in der letzten Phase der ausführenden Malerei gut parallel zuhören.
Begründungsanalyse
Oft wird in der Gestaltung über Verdichtung geredet. Es bedeutet, dass verschiedene Ebenen der Gestaltung so ausgewogen zusammengeführt werden, dass ein Bestimmtes Motiv in seiner vollen Kraft zur Geltung kommt. Für unser Stillleben bedeutet es, dass die Objekte ihrem Charakter nach kompositorisch passend zusammen geführt werden sollen und die Farben dynamisch oder harmonisch mit einem guten Lichtkontrast bzw. Licht-Schattenführung zusammenfallen sollen. Mit der Ölfarbe, die je nach Zugabe von Malmitteln einige Tage bis Monate trocknet und deshalb lange «herumgeschmiert» werden kann, ist der Umgang mit all diesen Faktoren umso schwieriger. Die Frage nach der gelungenen Verdichtung im Bild ist die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt des Aufhörens, den man bei jedem Bildabschnitt aufs Neue abwägen muss. Wann sollen die Bildelemente in Ruhe gelassen werden, damit nicht über den best-möglichen Zustand hinaus gemalt wird? Dies ist keine einfache Entscheidung, denn sie setzt gleichzeitig eine gewisse Selbsteinschätzung voraus, ab wann der best-mögliche Zustand im Rahmen der Kompetenzen des Malenden eintreffen wird. Besonders mit pastösen Ölfarben, dessen feuchter Zustand über Tage hinweg ineinander gearbeitet werden kann ist der Zeitpunkt des Aufhörens deshalb eher eine Entscheidung für Fortgeschrittene. Es empfiehlt sich deshalb dieses Malmedium mit Klassen durchzuführen, die mit Farbtheorie und Malerei bereits geübt sind.
Durch die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Vanitas, der Vergänglichkeit alles Irdischen, werden junge Menschen mit der Endlichkeit des Lebens und aller Dinge konfrontiert. Macht es Sinn eine lebensfreudig heranwachsende Generation mit dem Tod zu konfrontieren? Nun – gerade inmitten unberechenbarer Weltgeschehnisse, welche zeitweise zu Instabilität und Unsicherheit führen, sind heutige jugendliche wohl mehr mit der Endlichkeit der Dinge konfrontiert als es ihnen vielleicht lieb ist, was allerdings nicht heisst, dass sie diesen Themen aus dem Weg gehen wollen. Der persönliche Lebensweltbezug zum Thema Vanitas kann ausserdem durchaus auf lebensfrohe Weise geschehen. Indem man beispielsweise sich selbst durch Dinge porträtiert, indem Symbole für ein Verlangen, eine Sehnsucht oder eine Erinnerung gefunden werde, oder indem man eine geheimnisvolle Botschaft mit ins Bild einbaut, so wie etwa früher die Fliege oder der Schmetterling auf der Frucht eine bestimmte Geschichte erzählte.
Der folgende Beitragt der Poetry-Slammerin Julia Engelmann macht uns auf eindrückliche weise klar, dass wir uns alle um unser JETZT kümmern müssen, denn: «Eines Tages, Baby, werden wir alt sein…»
Und los gehts!
Mit Hilfe von Zeichnungsmappen und einer Auswahl an schönen Stoffen bauen sich die Schüler*innen ihr erstes kleines Stillleben auf. Wir malen auf Ölmalpapier und verzichten auf Leinwände und Pigmentherstellung. Das ist ein weiteres grosses Kapitel für sich.
1. Vormalen einer einfachen Komposition mit Acrylfarbe:
2. Kennenlernen der Ölfarbe und deren Malmittel:
3. Vertiefung Farbtheorie:
4. Erste Ergebnisse und Reflexionen
Das folgende Blatt mit Fragen ermöglicht die Reflexion in einer Kleingruppe von 3-5 Personen. So können auch wortkarge Schüler*innen zu Wort kommen.
5. Kunstgeschichte
Beim Erzählen der Kunstgeschichte möchte ich eine lebendige und packende Geschichte erzählen, nicht eine lineare Aufzählung. Ich lasse deshalb absichtlich viele Daten weg und erwähne nur diejenigen Namen oder Titel, welche die Geschichte bereichern. Ausserdem schaffe ich springende Vergleiche zwischen alten und zeitgenössischen Werken und auch persönlichen Bezügen, z.B zu Stillleben am eigenen Küchentisch. Diese art von Erzählung öffnet den Schüler*innen die Augen für Dinge im Alltag, die mehr oder weniger zufällig als Stillleben daliegen und von Ihnen als solches entdeckt werden können.
6. Stillleben mit selbst mitgebrachten Gegenständen
Anhand vom unten stehenden Kriterienblatt können die Schüler*innen nun Dinge mitbringen, die so richtig Lust zum malen machen. Man könnte auch in die Metzgerei oder Fischabteilung gehen und etwas ungewöhnliches wie Schweinefüsse oder Krabben holen. Das hat sich dann aber Niemand getraut, bzw. man muss sich die Zeit dafür nehmen 😉
7. Pigmentgeschichten
Ultramarin, Zinnoberrot, Gummigutta, Preussischblau: Die Namen auf den Öltuben klingen geschichtsträchtig. Sind sie auch. Habt ihr gewusst, dass Koschenillerot früher aus Kaktusläusen hergestellt wurde, Indischgelb aus dem Urin von Kühen, die Mangoblätter gefressen haben, oder dass der Lilaton Mauve von einem Chemiker zufällig während der Suche nach einem Malariamittel gefunden wurde? Das Buch «Die Welt der Farben» erzählt wunderbare Geschichten zur Entstehung der Pigmente. Während dem kurzen Praktikum habe ich den Schüler*innen die Geschichten vorgelesen. Sie könnten sich bei längeren Einheiten allerdings (die meist vierseitigen Geschichten) auch gegenseitig, zusammenfassend erzählen. Indem sie es vorbereiten und vorlesen, währenddem die Anderen Malen. Die Geschichten wurde von allen Schüler*innen geschätzt!
Reflexion
Der Anspruch nach der Verdichtung aller Kriterien im Bild ist wie gesagt ein hoher, gerade wenn das Malmedium und das Werkzeug (Malspachtel) noch ungewohnt sind. Es ist deshalb drei (von achtzehn) Schülern nicht gelungen dies umzusetzen. Es waren zu viele neue Faktoren, die zur Überforderung führten. Ausserdem fehlten diesen drei Schülern noch die farbtheoretischen Grundlagen, sodass sie kaum im Stande waren einen Farbton nachzumischen. Ich war überrascht solche Schüler auf dieser Stufe der Atelierschule anzutreffen und konnte in der kurzen Praktikumszeit kaum entsprechend auf deren Bedürfnissen reagieren, denn man hätte mit diesen Schülern nochmals einige Schritte in die Misch-Theorie zurück gehen müssen. Dennoch wirkten die Schüler interessiert an dem ganzen Öl-Mal-Kapitel und schienen auf anderen Ebenen einiges davon abgewinnen zu können.
Für eine Vereinfachung dieser ganzen Unterrichts-Einheit kann in Erwägung gezogen werden das Malmesser wegzulassen oder nur mit Wasserlöslichen Ölfarben zu arbeiten, um die Malmittel zu reduzieren. Die Glühbirne als transparentes Objekt wurde auch eher als schwierig empfunden. Sie kann also durch Einfacheres ersetzt werden. Insgesamt ist es wohl wichtig die hier verwendete Kapitel dem Lernstand anzupassen. Die Licht-Schatten-Führung und das Kapitel «harmonische Farben» sind ganze Übungseinheiten für sich, die Zeit brauchen, um erfahren zu werden. Für eine Praktikumsdauer reicht es auch, wenn die Schüler*innen anhand vom Wissen über Komplementärfarben einfach nachmischen, was sie sehen.