Abstract
Was wäre, wenn man eine Geschichte durch die Reflexion im Spiegel erzählen könnte? Die SchülerInnen einer zweiten Klasse des Langzeitgymnasiums erstellten im Laufe von 8 Wochen eine Stop Motion-Animation mit einem Spiegel. Dabei interagierte ihr Spiegelbild mit auf den Spiegel gezeichneten Motiven.
Sach- und Begründungsanalyse
Da ich recht junge SuS hatte (2. Klasse Langzeitgymnasium, 12 SuS, Literargymnasium Rämibühl, Zürich), habe ich für dieses Praktikum eine Technik gewählt, die ihre Aufmerksamkeit erregen und sie ansprechen würde. In einem Gespräch vor Beginn des Praktikums hat mir die Lehrperson erzählt, dass sie bisher noch nicht mit Stop Motion gearbeitet hatten und generell eher analog arbeiteten, daher habe ich gedacht, dass die Arbeit mit dem Computer eine interessante Abwechslung für die SuS sein könnte, die nun schneller und immer mehr mit den Programmen und Apps auf den Computern umgehen können.
Stop Motion hat aber auch eine langsame Dimension, da es viel Geduld und viele Bilder braucht, um ein Video von wenigen Sekunden zu erstellen: Ich habe gedacht, dass diese Gegenüberstellung die SuS herausfordern könnte, ohne sie zu überfordern, weil es immer noch die digitale Dimension gibt, in der sie sich fähig fühlen und die Teil ihrer Welt ist (eine Art «Challenge», die sie begeistern könnte).
Ich persönlich hatte schon einige Stop Motions gemacht, aber das ist nicht mein Gebiet, also musste ich vor dem Beginn viel recherchieren, vor allem um zu verstehen, was es alles für Möglichkeiten gibt und wie man am besten an das Thema herangeht. Einige der SuS hatten bereits eine Vorstellung davon, was Stop Motion ist, aber keiner von ihnen hatte jemals einen erstellt. Ziel des Projektes war es daher, sie an das Thema anzunähern und sie erste Experimente machen zu lassen, ohne sie zu überfordern und ihr Interesse an dieser Technik hoch zu halten.
Schwieriger war die Wahl des Projektthemas. Ich wollte ein Thema wählen, das den SuS Freiheit im Ausdruck gibt und das nicht banal, aber auch nicht zu kompliziert ist (weil Stop Motion an sich schon einige technische Schwierigkeiten mit sich bringt und die SuS mit vielen Neuheiten konfrontiert werden). Die Wahl fiel auf den Begriff «Spiegelbild»: Ich wollte, dass sich die SuS als Teil der Geschichte fühlen, die sie erzählen wollen, und dass sie Teil der Stop Motion selbst sind. Dementsprechend arbeiteten sie mit einem Spiegel und die Aufgabe bestand darin, ein Objekt auszuwählen, es auf den Spiegel zu zeichnen und eine Geschichte zu erzählen, die auf der Interaktion zwischen dem gezeichneten Objekt und dem Spiegelbild basierte. Sowohl das gezeichnete Objekt als auch das Spiegelbild mussten mit der Stop Motion-Technik animiert werden.
Lernziele und Beurteilungskriterien
Lernziele:
– Annäherung der SchülerInnen an das Thema Stop Motion; Erlernen von Begriffen im Zusammenhang mit Stop Motion und Animation.
– Lernen, wie die Programme istopmotion und iMovie funktionieren.
– Verstehen, wie man ein Storyboard erstellt.
– Nachdenken über die möglichen unterschiedlichen Interaktionen und die verschiedenen Optionen zur Entwicklung der Erzählung.
– Nutzung des Potenzials von Stop Motion; Anwendung der eingeführten Prinzipien.
– Die Funktion und das Ziel des Tons verstehen; lernen wie man ihn zur Verstärkung des Videos einsetzen kann.
– Durchführung einer Stop Motion mit Fokus auf das Hauptthema «Interaktion zwischen meinem Spiegelbild und einem gezeichneten Objekt».
Beurteilungskriterien:
– Grundanforderungen: Die Grundanforderungen sind erfüllt; das Video enthält: Hauptthema (Interaktion), Unterthema, Konstante, Spiel mit dem Raum, Timing/Squash & Stretch/Slow in & Slow out/Exaggeration (wenn notwendig).
– Geschichte: Die Handlung der Geschichte und ihr Ziel, sowie die Konstante sind klar. Die Erzählung ist durchdacht und nicht beliebig. Als Zuschauer fühle ich mich in die Geschichte einbezogen.
– Technische Aspekte: Die Stop Motion-Animation wurde, technisch gesehen, mit Sorgfalt und Präzision erstellt. Wenn nötig, wurden die Prinzipien Timing/Squash & Stretch/Slow in & Slow out/Exaggeration eingesetzt.
– Idee (Originalität und Entwicklung): Die Idee und die Geschichte sind originell.
– Zusammenarbeit: Beide SuS haben engagiert und konzentriert gearbeitet und sich gegenseitig unterstützt.
– Storyboard: Das Storyboard ist gut durchdacht und spiegelt das Engagement der SuS wider.
– Eigenes Kriterium.
Ablauf
Zunächst habe ich die Einführung in das Thema Stop Motion gemacht, indem ich erklärt habe, was es ist (Grundlagen der Technik und kurze Geschichte) und Beispiele für verschiedene Stop Motion-Techniken gezeigt habe. Ich habe auch die wichtigsten Elemente von Stop Motion vorgestellt (Schnitt, Raum, Bewegungen, …). In der ersten Doppellektion konnten die SuS einige Objekte, die mit der Geschichte der Animation zu tun haben, näher betrachten (Daumenkino, Praxinoscop, Thaumatrop) und ein Thaumatrop erstellen. In einem zweiten Teil der Lektion habe ich eine Einführung in das Programm istopmotion gemacht und die SuS konnten dann die ersten Stop Motion-Versuche machen (Ziel: Verständnis der Hauptfunktionen des Programms).
In der zweiten Doppellektion habe ich eine Einführung über einige wichtige Aspekte für die Animation gemacht: Staging, Timing, Squash & Stretch, Slow-in & Slow-out, Exaggeration, Interaktion zwischen Objekten. Die SuS haben Paare gebildet und erneut mit Stop Motion experimentiert, dieses Mal mit einem genaueren Ziel.
In der dritten Doppellektion habe ich das Thema des Hauptprojekts vorgestellt und die SuS mussten in Zweiergruppen das Storyboard für ihre Stop Motion erstellen. Vor dem Start mussten sie untereinander diskutieren (zu zweit) und sich zum Beispiel fragen: Welche Möglichkeiten der Interaktion gibt es zwischen den verschiedenen Elementen (Rahmen, Spiegelbild, Objekt)? Mit welchen Elementen könnte man ausserhalb der Hauptelemente spielen? Wie bewegt sich das Objekt um die Person herum? Usw.
Danach hatten die SuS drei ganze Doppellektionen Zeit, ihre Stop Motion-Animationen herzustellen; ich habe sie immer individuell unterstützt und in der fünften und sechsten Doppelstunde haben wir auch ein Gruppenfeedback gemacht. In der siebten Doppellektion konnten die SuS schliesslich den Ton angeben und dann ihr Endprodukt abgeben. In der letzten Doppellektion habe ich die Notenbesprechungen mit den Paaren gemacht, wir haben alle zusammen die Animationen angeschaut und eine Diskussion über den Ablauf der 8 Wochen geführt.
Reflexion
Während dieses Praktikums war meine grösste Herausforderung der Rhythmus des Unterrichts und des Projekts: Die SuS mussten sich mehrere Doppellektionen hintereinander nur auf das Hauptprojekt konzentrieren und sie haben mir gesagt, dass sie gerne mehr Abwechslung, mehr Rhythmus in den Einzelstunden gehabt hätten.
Vielleicht hätte ich am Anfang jeder Doppellektion kleine Vorübungen einbauen können, damit sie etwas anderes machen und sich für das Hauptprojekt «aufwärmen».
Ich habe auch viel an meiner Präsenz als Lehrperson im Unterricht gearbeitet, die ich von Woche zu Woche verbessern konnte. Die Klasse war recht lebendig und ich lernte allmählich, damit umzugehen. Von der ersten bis zur letzten Doppellektion wurde ich viel selbstbewusster. Die SuS haben meine anfängliche Unsicherheit bemerkt und mir in der abschliessenden Feedbackrunde gesagt, dass ich am Anfang «zu nett» war. Sie haben trotzdem ausgedrückt, dass sie meine Lektionen genossen haben und das Projekt spannend fanden.
Die Projekte der SuS konnten noch weiterentwickelt werden: wie schon erwähnt, war Stop Motion für sie eine grosse Neuheit und deshalb haben wir uns in den 8 Wochen damit beschäftigt, was Stop Motion ist und welche Möglichkeiten es gibt. Hätte ich mehr Zeit mit dieser Klasse gehabt, hätte ich mir auf jeden Fall gewünscht, dass die SuS ihre Geschichte auf der inhaltlichen Ebene entwickeln und ich hätte mir auch mehr Zeit für den Ton genommen (um z.B. zu erklären, welche Wirkung er haben kann und wie er die Animation akzentuieren kann).
Bilder aus einigen Endresultaten