Einführung in das Thema Raum und Skulptur, anhand von räumlichen Übungen und Erfahrungen. Raumbildende Mittel werden zeichnerisch und bildhauerisch kennengelernt. Ausgangspunkt Objekte des Alltags. Räume der Kunst werden verhandelt und besucht.
Begründungs- und Sachanalyse
Es handelt sich um ein Tandempraktikum von Wanda Nay und Max Grünig, die Praxislehrperson war David Stamm. Das Praktikum fand in einer 1. Klasse Kurzzeitgymnasium (14 SuS) vom 27.2-02.04.2024 an der Kantonsschule Wettingen statt. Wir haben alle Unterrichtseinheiten im Tandem entwickelt, geplant und durchgeführt.
Dem Lehrplan entsprechend haben wir uns mit den Themen Raum und Skulptur beschäftigt.
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit kunsthistorischen und aktuellen Positionen der Bildhauerei, und viele Gespräche zwischen uns beiden LPs, ging der Planung voran, ehe wir uns folgenden Unterrichtsinhalten annäherten:
Nach einer kurzen historischen Abhandlung haben wir die SuS hauptsächlich mit zeitgenössischer Bildhauerei in theoretischer, wie praktischer Weise konfrontiert. Alltag, Funktionalität, Objekt, Original und Kopie wurden zu zentralen Begriffen. In einer Abfolge von ästhetischen Erfahrungen, die aufeinander aufbauten, entstanden gebrannte und glasierte, persönliche Tonskulpturen, welche letztlich Teil eines Rollenspiels wurden. Beim Thema Raum stand die Frage im Zentrum: In welchem Räumen kann Kunst entstehen, resp. ausgestellt werden? Das verlassen des Schulzimmers war uns daher ein Anliegen: In der Mitte des Praktikums besuchten wir im Migrosmuseum in Zürich die Ausstellung ‚Material Memories’. Prozessorientierter Unterricht und der regelmässige mündliche Austausch über das Erlebte und Gelernte war uns wichtig und wurde gepflegt und gefördert.
Rachel Whiteread, Fischli Weiss und Heidi Bucher waren zentrale Referenzpositionen in der Entwicklung des Unterrichtsinhalts.
Die Objekte, die später in in Textilsäckchen versteckt wurden:
Ablauf
27. Februar (2 Lektionen): Skulpturale Erfahrung im Klassenzimmer. Erstellen und präsentieren von Skulpturen aus Gegenständen im Klassenzimmer: Objekte umfunktionieren, stapeln, ineinanderstecken, verkeilen, verschachteln, ausbalancieren, Irritationen schaffen, der Sinn der Objekte auflösen, Geschichten erfinden. 3-er Gruppen, 2-3 Skulpturen, Zeit 30’, 3-10 Gegenstände pro Skulptur, Titel erfinden, Kurze Präsentation und Rückmeldung pro Skulptur. Jeweils eine andere Gruppe sammelt währenddessen gefallene Worte, welche im Kontext von Skulptur und Plastik fallen. Anschliessend kunsthistorisches Kurzreferat zum Thema Bildhauerei.
5. März (2 Lektionen): Ertasten und Zeichnen. Zeichnerische Übung zum räumlichen Vorstellungsvermögen: 2-Dimensionales zeichnen von 3-Dimensionalen Körpern. Vorbereitete Textilsäcke, die jeweils einen schwer erfassbaren/erkennbaren Gegenstand beinhalten wurden von uns LPs vorbereitet. Die SuS wählen ein Säckchen und haben die Aufgabe, den Gegenstand mit mehreren Zeichnungen möglichst exakt ‚abzuzeichnen’, dies jedoch nur Mithilfe des Tastsinn. Seitliche Ansichten und Perspektivische ‚Pläne’ in A3-formatigen Zeichnungen werden mit Bleistift erstellt.
12. März (2 Lektionen): Intro: Reflexion der vergangenen Wochen und Ausblick. Was wurde bereits erlebt, was steht noch an? Aufgabe: Rücktransformation ins 3D: Modellieren der Tonskulpturen, anhand der erarbeiteten Zeichnungen und Plänen. Abstraktion und Transformationen sind erwünscht, falls diese der Stabilität der Tonskulptur dient. Zusätzlich, erste Überlegungen dazu, welchen (neuen) Nutzen der geformte Körper haben könnte. Die Klasse hat bereits mit Ton gearbeitet, daher wird eine Einführung in die Tonbearbeitungswerkzeuge nur kurz gehalten.
19. März (4 Lektionen): Ausflug nach Zürich ins Löwenbräu Areal. Mehrere Ausstellungsbesuche im Haus, Diskussionen zu den verschiedenen Ausstellungsorten. Was ist der Unterschied zwischen einer Galerie und einem Museum? Danach gibt die Kuratorin vom Migromuseum eine Führung zur Ausstellung: Material Memories (https://migrosmuseum.ch/ausstellungen/material-memories). Anschliessend, Zeichnungsübung mit Kohle zum Thema Negativer Raum.
26. März (2 Lektionen): Einführung: Reflexionsübung zum Museumsausflug. Aufgabe: Glasieren der Skulpturen. Einführung ins Thema Tonglasur. Die Originalgegenstände werden danach aus den Textilsäckchen ausgepackt und verteilt. Die SuS wählen eine Glasurfarbe, welche dem Originalgegenstand möglichst nahe kommt und glasieren ihr Objekt und platzieren es anschliessend im Brennofen.
2. April (4 Lektionen): Inszenierung, Ausstellung und Präsentation der eigenen Arbeiten. Einführung: Wie kann über Kunst gesprochen werden? 3 KünstlerInnen-Interviews werden gemeinsam auf Youtube geschaut. Gemeinsam sucht die Klasse danach nach Akteur:innen, die mit Kunst in Berührung kommen, z.B. SuS, LPs, Künstler:innen, Kurator:innen, Kunsthändler:innen, Galerist:innen. Die Akteur:innen werden an der Wandtafel gesammelt. Anschliessend werden die erarbeiteten Skulpturen in einen neuen Kontext gebracht, indem sie zum Gegenstand eines Rollenspiels werden. Die SuS schlüpfen in selbst gewählte Rollen und gestalteten ein ca. 3-Minütiges Schauspiel anhand eines Gesprächs zweier Personen, die sich über ihre Skulptur/en unterhielten. Zusätzlicher Teil der Aufgabe ist es, sich zu überlegen, wo das Schauspiel stattfinden, ob im Klassenzimmer, im Gang oder im Garten. Auch sollen die SuS beachten, wie sie ihre Werke dabei inszenieren wollen. Die Vorbereitungszeit beträgt 60’, danach werden die Rollenspiele direkt aufgeführt und eine Rückmeldung von uns LPs wird gegeben. Abschluss: Anonyme Evaluation mit Hilfe eines 5-Finger-Feedbacks mit folgender Vorgabe durchgeführt: Daumen = Das Fand ich gut, Zeigefinger = Darauf möchte ich hinweisen, Mittelfinger = Das hat mir nicht gefallen, Ringfinger = So habe ich mich gefühlt, Kleiner Finger = Das kam zu kurz.
Lernziele
Lernen, über eigene und andere Arbeiten zu sprechen. Prozessorientiertes Arbeiten kennenlernen. Erweiterung des Raumbegriffs und des Raumverständnis. Bewusstsein schaffen, dass Kunst in ganz unterschiedlichen Räumen stattfinden kann. Entwicklung eines Verständnis für den negativen Raum und den Zwischenraum. Raumbildende Mittel zeichnerisch und bildhauerisch kennenlernen. Übersetzung vom 3D ins 2D und umgekehrt. Unterschied zwischen additiver und subtraktiver Technik kennenlernen. Verschiedene Materialien kennenlernen, im Kontext der Skulptur
Kriterien
Aktive Mitarbeit und Teilnahme im Unterricht. Gesamteindruck zeichnerische und skulpturale Arbeiten. Nachvollziehbare Transformationen vom 2D ins 3D und umgekehrt.
Inszenierung und Präsentation der eigenen Arbeiten.
Reflexion
Wir sind zufrieden Ablauf und der Umsetzung des Praktikums und danken David für die grosse Bewegungsfreiheit in den Planung dessen, sowie seine beratende Unterstützung.
Zum einen weil es für uns beide das erste Praktikum war, zum anderen, weil wir alles gemeinsam entschieden, vorbereitet und durchgeführt haben, war die Planung recht intensiv und hat viel Zeit in Anspruch genommen. Da wir zwei uns vorher kaum kannten, mussten wir erstmal einander und unsere künstlerisch pädagogische Haltung kennenlernen. Die beiden Hintergründe Kunst und Architektur fanden sich gut im Thema wieder und ergänzten sich gut. Die Diskussionen in der Planung führten zu einer produktiven Reibung.
Wir haben ziemlich viel in die 6 Wochen (inkl. 2x 4 Lektionen am Stück) reingepackt und zum Teil etwas zu kurz an einer Teilaufgabe verweilt, dies wurde uns von einigen SuS zurückgemeldet. Auch inhaltlich haben wir viel von den SuS abgefordert und sie oft Situationen oder Fragen ausgesetzt, die ihnen Unbekannt waren und auch mal zu zwischenzeitlichem Stirnrunzeln führen konnte. Die reichhaltigen Abschlusspräsentationen der SuS zeigten jedoch, dass viel vom Stoff angekommen und hängengeblieben ist. Generell waren die SuS fast immer motiviert und konzentriert im Unterricht.
Ein Punkt der uns erstaunt hat war, dass uns bei der Evaluation mehrere SuS rückmeldeten, dass sie den Museumsbesuch zu lange und etwas langweilig fanden. Wir stellten fest, dass auch das reine handwerkliche Schaffen im Atelier vielleicht manchmal genau das ist, was die vielbeschäftigten Gymnasial-SuS brauchen.