Personographie ein Unterrichtsprojekt rund um das Thema Perspektive mit einer 2. Klasse an der Kantonsschule Reussbühl. Mit Blick auf Gebäude, die das eigene Leben beeinflussen, wurde ein Mapping entworfen aus Elementen in Bedeutungs-Perspektive und Ein-Punkt oder Zwei-Punkt-Perspektive.
Sach- und Begründungsanalyse
Es ist ein besonderer Moment, wenn SuS beginnen sich von den „freien“ Bedeutungs- und Erfahrungsperspektive weg zu bewegen, hin zu „realistischer“ dreidimensionaler Darstellung. Es liegt oft mit der Zeitphase zusammen, in der sie von Kindern zu Jugendlichen werden und beginnen eine neue Perspektive auf sich selber und die Welt, in der sie sich bewegen, einzunehmen.
Sie starten die eigene Person zu verorten und sich dem eigenen Handeln und dessen Wirkung bewusster zu werden. Aber auch wahrzunehmen, von was sie beeinflusst werden. Zu verstehen, wie man in welchen Kontext eingebettet ist, heisst ein wenig mehr Macht über die eigenen Situation zu erlangen. Dieser Macht des Überblicks waren sich schon die frühen Seefahrer*innen mit ihren streng gehüteten Seekarten bewusst aber auch diverse Kunstschaffende, die bswp. mit Countermappings Machtstrukturen aufzeigen oder mit Protest Mappings zusätzliche Informationen zu sonst verborgenen Zusammenhängen darstellen.
Mich interessierte es, den SuS die Möglichkeiten von Mapping aufzuzeigen und unterschiedliche Perspektiven-Techniken im Zusammenspiel zeichnerisch bearbeiten zu lassen. Oft werden die „freien“ Perspektiven als „nicht Können“ abgewertet und die „realistischen“ Darstellungen als „Können“ aufgewertet, was ein grosser Verlust von Gestaltungsmöglichkeiten bedeutet. Mir war es daher wichtig die Gleichwertigkeit der möglichen Perspektiven zu betonen.
Ablauf
Aus der Erinnerung heraus das eigene Quartier zeichnend starten die SuS in das Projekt. Sie produzierten mit ihren Zeichnungen gleich das Anschauungsmaterial für die Auseinandersetzung aller im folgenden angewandten Perspektive-Techniken.
Mit einem kleinen Input über Karten als Machtinstrumente ging es weiter mit Bausteine für eigene Mappings zu entwickeln. Das Handwerk, Vorgänge in sich selber aber auch Zusammenhänge seiner Umgebung sichtbar und dadurch bewusst und gestaltbarer zu machen, wurde eingeübt.
Das Ziel des Unterrichtprojektes sollte es sein, darzustellen, was sie, die SuS, in einen Ort hineingeben, was sie mitnehmen und fürs Leben mit auf den Weg erhalten. Dazu sollten sie in der Hauptaufgabe ein Mapping von drei bis fünf Gebäuden gestalten. Gebäude, die in ihrem Leben zurzeit eine Bedeutung haben. Zwischen den Gebäuden sollte eine Verbindung hergestellt werden: Symbole zeigen auf, was sie als Personen in die Orte hinein geben, was sie mitnehmen und für ihr Leben erhalten. Die Gebäude konnten in zwei unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen dargestellt werden: In Ein- oder Zwei-Punktperspektive. Eine Verbindung konnte bspw. eine 2D Karte sein, aber auch andere Verbindungselemente waren möglich.
Im Folgenden gab es Inputs, Übungen (bspw. Erinnerungskarten, Signaturensammlung, Strukturbild erstellen), und individuelle Hilfestellung zu den Perspektive-Techniken. Zudem Analysen von ausgewählten Zeichnungen aus vergangenenen Lektionen, um Herausforderungen und Formen der Perspektive-Techniken zu erkennen. Und ab und an eine Geschichte aus dem Alltag oder eine Situation im Klassenzimmer, die in Bezug auf «Perspektive» betrachtet wurde.
Beurteilung
Bewertung
Ausstellung und Reflexion mit Mitschüler*innen
Reflexion
Das Thema Mapping bietet sich an mit verschiedenen Themen und auch verschiedene Techniken miteinander zu verknüpfen. Was sich als Abschluss eines Semesters oder Jahres sehr gut anbieten würde. Zum einen fordert es die SuS auf eine neue Art heraus vernetzt zu denken und gelerntes anzuwenden, zum anderen ist es eine optimale Vorbereitung für die Arbeitswelt, wo oft diverse Themen verknüft betrachtet werden müssen. Dafür würde sich insbesondere auch interdisziplinäres Arbeiten mit anderen Fächern sehr anbieten denn die übersichtliche Darstellung von Daten ist nicht nur bei Geografie sondern auch bei sehr vielen anderen Fächern wertvoll.
Das Projekt war an der Grenze zu Komplexität, war es doch das Einstiegsprojekt nach den Sommerferien. Um die einzelnen Techniken (Raumschaffende Mittel und Perspektiven, Mapping, Symbole, Komposition) präzis einzusetzen, kann es Sinn machen, sie als einzelne Themen nacheinander zu behandeln und dann erst für eine Semesterabschlussarbeit zu verbinden.
Die Klasse wurde von anderen Lehrer*innen als lebhaft beschrieben. Mir fiel es auf, dass meine Inputs regelmässig durch Gespräche oder durch derailing, das einbringen anderer Themen, unterbrochen wurde.
Ich zeigte dieses Verhalten auf und besprach es mit der Klasse. Die Klasse setzte sich anschliessend eigene (meiner Ansicht strenge) Regeln, um solche Situationen zu verhindern. Eigentlich klar, aber auch immer wieder überraschend, wie genau eine Klasse weiss, was ihr selber gut tut.
Literatur
Web
https://monde-diplomatique.de/artikel/!377853
https://archplus.net/ausgabe/183/
Bücher
Perspektive richtig sehen und zeichnen; Matthew Brehm, 2016
Atlas of Emotions – Journeys in Art, Architecture and Film; Giuliana Bruno, 2018
Handbook of Tiranny, Theo Deutinger, 2009
You Are Here: Personal Geographies and Other Maps of the Imagination; Katharine Harmon, 2003