Yoko Ono, Cut Piece, 1964
Mein drittes Praktikum fand vom 26.02 – 08.04.2024 im Liceo artisico, in Zürich statt (auf Italienisch). Meine Praxislehrerin war Raffaella Troiero. Das Thema war Performance, insbesondere die Fluxus-Bewegung. Die Schüler*innen wurden mit Fluxus und den Fluxkits vertraut gemacht und mussten eine Gruppenperformance entwickeln.
Die Klasse besteht aus 12 Schüler*innen der 2. Klasse des Gymnasiums. Das Klassenzimmer ist hell und gemütlich, aber klein und verfügt über keinen Projektor. Ich muss immer das Material ausdrucken, das ich zeigen möchte. Dieses Klassenzimmer wird normalerweise für Architektur- und Designstudien genutzt und ist für Performancestudien nicht geeignet. Dies ist einer der Gründe, warum ich die Schüler*innen gebeten habe, einen anderen Arbeitsplatz ausserhalb des Klassenzimmers zu finden.
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Sachanalyze
Fluxus war eine Kunstbewegung der 1960er Jahre, die ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten hatte, aber von internationalen Künstlern*in gegründet wurde. Nach Ansicht der Künstler von FLUXUS kann jeder ein/e Künstler *insein und alles kann Kunst sein. Im Mittelpunkt standen der intermediäre Ansatz, die Transdisziplinarität von Musik, Tanz, Theater, Performance, bildender Kunst und Poesie sowie die Überwindung der Grenzen zwischen den Disziplinen.
Ich habe ihnen hauptsächlich Werke von John Cage und Yoko Ono gezeigt. Unser Hauptaugenmerk lag auf der Bedeutung der sogenannten Fluxkits, die Fluxus-Künstler*innen als Inspirationsquelle für ihre Kunst (meist Performances) nutzten.
Begründungsanalyse
Ich wollte mich auf die Verspieltheit hinter dem Fluxus konzentrieren, darauf, wie man respektieren und verstehen kann, wie ernst dieses Spiel sein kann (gibt es etwas Ernsteres/Absichtlicheres als spielende Kinder?), und darauf, wie die Vermittlung von Verspieltheit zu interessanten, künstlerischen Entdeckungen führen kann. Es ist eine Herausforderung, z. B. John Cages Partituren und seine Unbestimmtheit zu vermitteln.
Wir haben uns viel mit Zufälligkeit, Humor in der Performance, Geschichtenerzählen, Stille, zufälligen Geräuschen um uns herum (Verkehr / Vögel / Kirchenglocken …), Übersetzung von Symbolen, Übersetzung von Wörtern usw. beschäftigt.
Lernziele
Wie man vielfältige, spielerische Übungen einsetzt, die sich auf Unbestimmtheit und Zufälligkeit konzentrieren
Lernen, worum es bei der Fluxus-Bewegung ging, was die spezifischen Ideen / entscheidenden Künstler waren
Wie man das Wissen über Fluxus in anderen Bereichen des Kunstschaffens anwenden kann
Wie man sich gegenseitig konstruktives Feedback gibt
Wie man neutrale Fragen stellt bzw. seine Meinung nicht äussert, wenn man anderen Feedback gibt
BEWERTUNGSKRITERIEN
- 1. Dokumentation: Ideenvielfalt, Gedankengang, Originalität, Risikoübernahme Hallo
- 2. die Originalität und Fremdartigkeit des Fluxkits, das sie für die andere Gruppe vorbereitet haben
- 3. PERFORMANCE: Verwendung von Objekten, Beziehung zum Raum, Aufmerksamkeit für Klang/Sprache
- Die Bereitschaft, Risiken einzugehen, mit dem Zufall zu spielen, zu experimentieren. Erfahrung.
Ablauf
- Am ersten Tag habe ich einen relativ langen Theorie-/Geschichtsinput darüber gegeben, was die Fluxus-Bewegung ist (20 Minuten). Dann haben wir uns 2 Videos von John Cage angesehen. Eines ist sein Interview, in dem er über seine Einflüsse und seinen künstlerischen Ansatz spricht. Das andere Video war seine «Waterwalk»-Performance. Als nächstes sahen wir Yoko Onos Cut Piece. Wir haben auch aus ihrem Buch «Grapefruit» gelesen. Die SuS waren immer noch sehr verwirrt darüber, was die Fluxus-Bewegung ist.
- Wir gingen nach draussen und machten ein paar Übungen(Körpertheater), die von einer sehr kreativen Regisseurin, Anne Bogart, durchgeführt wurden. Alle Übungen basierten darauf, im Kreis zu gehen und bestimmte Regeln zu befolgen, z.B. kann nur eine Person den Sprung einleiten, aber die ganze Gruppe muss gleichzeitig springen. Oder während sie im Kreis gehen, kann nur eine Person einen Stopp und Richtungswechsel einleiten, und die ganze Gruppe muss dies gemeinsam tun. Die SuS haben sich nach diesen Übungen sehr entspannt.
- Zurück im Klassenzimmer gab ich ihnen eine weitere Übung, die mit dem Thema Zufall spielt – dieses Mal im Zusammenhang mit Zeichnen. Ich habe für alle das gleiche Bild auf das Papier gedruckt. Das Bild war sehr grafisch; schwarz-weisse Linien. Ich habe 6 verschiedene, lustige und seltsame «Scores» vorbereitet: z.B. mit der Farbe Rot, stellt euch vor, dass ein Marienkäfer auf eurem Papier krabbelt. Markiere ihren Weg. Oder: Springe 3 Mal vorsichtig auf dein Papier.
- 1. Esegui 10 passaggi casuali in questa stanza e disegna una mappa di questi passaggi (con il colore verde) sul tuo disegno.
- 2. Aggiungi il colore rosso per disegnare il percorso che la coccinella immaginaria ha intrapreso sul tuo foglio.
- 3. Soffia sulla carta e ombreggia le aree colpite dall’aria. (con il nero)
- 4. Il tuo gatto ha mangiato la sua cena dal tuo disegno. Ha lasciato dei segni. Quale?
- 5. Salta delicatamente 3 volte sul foglio.
- Am Ende haben wir gezeigt, dass die gleichen Scores/Regeln zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen!
2. FLUXKIT TAG
Einsteig: Beim nächsten Mal haben wir über Sprache gesprochen. Was ist der Unterschied zwischen den Wörtern PLAY und GAME auf Englisch? Gibt es diese Unterschiede in den Sprachen, die sie sprechen? (Italienisch, Hebräisch, Französisch, Bosnisch, Russisch…Die Wörter «Play» und «Game» werden auch mit dem Spielen eines Instruments, dem Schauspielern, der Inszenierung eines Theaterstücks usw. in Verbindung gebracht. Einige der Beispiele sind auf dem Foto zu sehen.
Ich teilte einen weiteren Beitrag, der zu einem zentralen Thema unserer Studien wurde FLUXKITS! Fluxkits waren magische, seltsame, merkwürdige Boxen oder Taschen, die FLUXUS-Künstler*innen kreierten und benutzten, um neue Inspiration zu wecken. Fluxkits enthielten immer eine Partitur.
Ich teilte 12 Schüler*innen in 4 Gruppen ein, indem ich verschiedenfarbige Post-its (blau, rot, grün, gelb) zufällig unter ihre Stühle klebte. Sie schauten an ihrem Stuhl herunter, entdeckten ihre Farbe und sortierten sich entsprechend in die Gruppen ein.
Ich habe zu Hause 4 verschiedene Fluxkits mit zahlreichen, seltsamen, alltäglichen und billigen Gegenständen vorbereitet. Fotos sind beigefügt.
Jede Gruppe präsentierte die Performance, die sie mit diesen Objekten erstellt hatte.
Nun war es an ihnen, ihr eigenes Fluxkit (mit eigenen Objekten und einer Partitur) zu erstellen. Sie arbeiteten in Gruppen. Die Gruppen wurden mit dem Spiel «Stein, Papier, Schere» neu gebildet. Ich habe versucht, immer das Element des Zufalls mit einzubeziehen.
4 Gruppen erstellten 4 verschiedene Fluxkits und tauschten sie mit einer anderen Gruppe aus. Nun hatten die Gruppen 3 Stunden Zeit, um die Aufführung vorzubereiten.
Ein sehr wichtiger theoretischer Input, den ich vorbereitet habe, war, wie man konstruktives und fruchtbares Feedback gibt. Während meines Bachelorstudiums am College of the Atlantic in Maine, USA, habe ich viel über Theater und Performance gelernt. Wir haben immer den ‹Criticial Response Process› von Liz Lerman als Feedback-Methode verwendet, und das hat meine Sicht auf das Thema wirklich verändert. Es ist eine so nützliche Feedback-Methode, dass ich empfehle im Unterricht einzusetzen (aber ohne SCHRITT 4 – er ist zu kompliziert!)
Der Critical Response Process von Liz Lerman ist eine Methode, um Feedback zu laufenden Arbeiten zu geben und zu erhalten, die darauf abzielt, dass die Schöpfer eifrig und motiviert sind, wieder an die Arbeit zu gehen.
Schritt 1. Aussagen zur Bedeutung
Die Befragten geben an, was an der Arbeit, die sie gerade gesehen haben, bedeutungsvoll, anregend, interessant, aufregend und/oder auffallend war.
Schritt 2. Der Künstler als Fragesteller
Der Künstler*in stellt Fragen zu dem Werk. Bei der Beantwortung bleiben die Teilnehmer*innen beim Thema der Frage und können ihre Meinung als direkte Antwort auf die Fragen des Künstlers äussern.
Schritt 3. Neutrale Fragen
Die Teilnehmer*in stellen neutrale Fragen über das Werk, und der/die Künstler*in antwortet. Fragen sind neutral, wenn sie nicht mit einer Meinung verbunden sind.
Dieser Schritt ist einer der grundlegendsten, schwierigsten und am meisten missverstandenen Schritte des Critical Response Process.
Diese Methode ist sehr schwierig zu erklären und anzuwenden, aber sehr vorteilhaft, wenn die Schülerinnen und Schüler sie einmal verstanden haben. Es braucht viel Übung, um zu lernen, wie man wirklich neutrale Fragen stellt.
Beispiele für neutrale Fragen:
Welche Entscheidungen hast du bezüglich der Beleuchtung in dieser Aufführung getroffen?
- NICHT: Warum ist alles so dunkel?
Was wolltest du mit dem Blumensymbol auf deinem Bild ausdrücken?
- NICHT: Warum sind so viele Rosen auf deinem Bild?
Welche Bedeutung hat die Stille für deine Arbeit?
- NICHT: Warum gab es keinen Dialog?
PERFORMANCES
Gruppe I:
Gruppe II:
Gruppe III
Gruppe IV
Reflexion:
Ehrlich gesagt, ich hatte so viel Spass.
Das Liceo artistico ist eine besondere Sprachumgebung, da es sich um eine zweisprachige Schule handelt. Mir ist aufgefallen, dass bei längeren, selbständigen oder Gruppenarbeiten alle Schüler auf Schweizerdeutsch umschalten, obwohl der Unterricht auf Italienisch stattfindet. Das stört mich überhaupt nicht, ich finde den Reichtum der Sprachen immer ein Gewinn. Diese dynamische und aufmerksame Sprachatmosphäre hilft tatsächlich, die Nuancen des Lehrstoffs zu finden und zu verstehen.
Die besondere Schwierigkeit bestand darin, die Bedeutung und den Sinn des Themas Fluxus zu vermitteln, da es sich um eine komplexe und paradoxe Kunstbewegung handelt. Im Allgemeinen bin ich beim Kunstunterricht davon überzeugt, dass es eine gute Balance gibt, einige Definitionen und Regeln festzulegen und gleichzeitig alle Regeln über Bord zu werfen.
Zahlreiche praktische, spezifische Übungen mit realen Objekten halfen der Gruppe wirklich zu verstehen, was diese Kunstbewegung vermitteln wollte. Notwendig war jedoch eine dynamische und ständige Erinnerung an die Ursprünge der Kunstrichtung, die mit dem genetischen Prinzip des Lernstückunterichts verbunden ist.
Wäre ich stark in der Theorie geblieben, ohne die Fluxkits tatsächlich in den Raum zu bringen, wäre es für die Schüler*innen natürlich schwierig gewesen, Sinn und Bedeutung zu verstehen.