ABSTRACT
Die Schüler*innen einer 6. Klasse im Langzeitgymnasium mit Schwerpunktfach Bildnerisches Gestalten realisieren in 2er Gruppen einen Kurzfilm. Dabei lassen sie sich von einem selbstgewählten Gemälde inspirieren und entwicklen daraus eine kurze Filmhandlung. Diese verfilmen sie mit ihrem iPhone, die entstandenen Aufnahmen werden anschliessend mit der Software Adobe Premiere Rush zu einem Film montiert.
SACH- UND BEGRÜNDUNGSANALYSE
Film ist ein komplexes Medium und bildet eine Symbiose unterschiedlichster Bereiche aus narrativen, gestalterischen und technischen Elementen. Wer sich am Ende eines Films Zeit nimmt, den Abspann anzusehen, dem begegnet eine umfangreiche Funktionspalette: Von der Entwicklung der Dramaturgie, der Umsetzung in ein Storyboard, der performativen Leistung der Akteur*innen, von der optischen Gestaltung mittels einer Kamera bis hin zur Montage. Film ist somit eine vielseitige und anspruchsvolle Kunstform, welches ein planvolles Vorgehen bedingt und das Ergebnis von mannigfaltiger künstlerischer Entscheidungen ist. Die Auseinandersetzung mit diesem audio-visuellen Medium im Unterricht bietet den Jugendlichen die Möglichkeit, ihr konzeptionelles Denken zu fördern, verschiedene gestalterische Elemente zu kombinieren und einen reflektieren Umgang mit dem bewegten Bild zu üben, welches schliesslich einen grossen Teil ihrer Lebenswirklichkeit und ihres gesellschaftlichen Alltags prägt.
LERNZIELE UND BEURTEILUNGSKRITERIEN
Die Schüler*innen entwickeln in Teamarbeit einen eigenständigen Kurzfilm. Im Vorfeld lernen sie, Filme auf auf ihre inhaltlichen und gestalterischen Qualitäten zu analysieren und die künstlerischen Entscheidungen dahinter zu verstehen. Die Erkenntnisse aus der Filmrezeption bilden die Grundlage für die Umsetzung ihres eigenen Films: Sie können eine dramaturgische Handlung in Bildern bzw. Einstellungsgrössen transformieren und diese anschliessend mit der iPhone-Kamera aufnehmen. In der Schnittphase lernen sie die entstandenen Aufnahmen zu selektionieren, verschiedene Lösungsewege für das Zusammenfügen des Bildmaterials zu erarbeiten und schliesslich einen in sich geschlossenen Kurzfilm zu montieren.
Die Beurteilungskriterien setzen sich wie folgt zusammen:
- Narration – Dramaturgie, Storytelling
- Kamera – Bildkomposition, Kameraführung, Szenografie
- Schnitt – Rhythmus, Kontinuität
- Reflexion – Prozessdokumentation, Storyboard, Skizzen
ABLAUF
In der ersten Doppellektion lernen die Schüler*innen wie eine Filmszene aufgebaut ist. Dazu analysieren wir die Eröffnungssequenz von High Noon (1952) und untersuchen, wie diese in Einstellungen und Einstellungsgrössen gegliedert ist. Ein weiterer Ausschnitt aus Portrait de la jeune fille en feu (2019) bildet die Überleitung zur Aufgabenstellung: Die Schüler*innen bilden 2er Gruppen für die Umsetzung eines eigenen Filmprojekts und wählen ein Gemälde aus, welches als Inspiration für ihren Kurzfilm dient. Dieses Bild soll dabei im Kontext ihres Films integriert werden – z.B. als Startpunkt der Handlung.
Zweite Doppellektion: Wir vergleichen zwei Filmausschnitte von Tangerine (2015) und Unsane (2018), welche komplett mit dem iPhone gedreht wurden. Wir schauen, wo es Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede gibt und welches Potenzial sich in Bezug auf die gestalterische und inhaltliche Umsetzung mit dem Filmen eines iPhones ergibt. Danach entwickeln die Schüler*innen ausgehend von ihrem ausgewählten Bild eine kurze Filmhandlung. Sie überlegen sich, ob ihr Film eine Botschaft beinhalten soll bzw. mit welchen gesellschaftlich-relevanten Themen sie sich auseinandersetzen möchten. Anschliessend gliedern sie ihre Filmidee in Bildern – dazu skizzieren sie die entsprechenden Einstellungsgrössen in einem Storyboard, notieren sich ggf. Kamerabewegungen und in welcher Dynamik (statisch, bewegend aus der Hand gefilmt, schnell geschnitten etc.) sie ihren Film umsetzen möchten.
In der dritten Doppellektion erhalten die Schüler*innen eine technische Einführung zum Filmen mit dem iPhone. Dazu steht ihnen zusätzlich die professionelle Filmapp ProMovie zur Verfügung, welche erweiterte Filmeinstellungen bietet, um ihre Aufnahmen in Bezug auf Blende, Fokus, Weissabgleich etc. zu kontrollieren. Sie erhalten zudem ein Stativ und eine iPhone-Stativhalterung.
Die Schülerinnen überlegen sich nun, an welchen Drehorten sie ihre Aufnahmen realisieren möchten und welche Ressourcen (Requisiten, Statisten etc.) sie dazu benötigen.
In der vierten und fünften Doppellektion setzen die Schüler*innen ihre Aufnahmen gemäss ihrem Storyboard an den ausgewählten Schauplätzen innerhalb und/oder ausserhalb des Schulgeländes um.
Während der sechsten Doppellektion werden die Schüler*innen in das Schnittprogramm Adobe Premiere Rush eingeführt und lernen dessen Bedienelemente kennen. Zusätzlich lernen sie anhand von kurzen Filmausschnitten verschiedene Schnitttechniken (Jump-Cut, Cross-Cut, Match-Cut etc.) kennen und beginnen mit dem Editieren ihres Filmmaterials und finalisieren im Verlauf der siebten und achten Doppellektion ihren Kurzfilm.
REFLEXION
Die Schüler*innen hatten grosse Freude am Erstellen eines eigenen Kurzfilms. Vor allem wurde geschätzt, dass bei der Umsetzung keine Grenzen gestellt wurden und sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen konnten. Entstanden sind dabei qualitativ sehr gute Kurzfilme mit unterschiedlichen thematischen Aspekten, welche an die Lebenswelt der Jugendlichen anknüpfte. Das Praktikum bot auch die Gelegenheit, um das iPhone – welches ein ständiger Begleiter der Jugendlichen ist – als kreatives und reflektiertes Gestaltungs-Werkzeug einzusetzen. Dieses Projekt erfordert von den Schüler*innen ein gutes Zeitmanagement, die Bereitschaft im Team zu arbeiten und die Fähigkeit sich selbst organisieren zu können und ist meiner Meinung nach eher für das Obergymnasium geeignet. Eine Schwierigkeit bestand darin, die Filmaufnahmen vom iPhone auf die von der Schule zur Verfügung gestellten Windows-Computer zu transferieren – hier wäre es von Vorteil mit Geräten und Softwares vom gleichen Betriebssystem zu arbeiten. Das Medium Film bietet Möglichkeiten für eine Vielzahl von weiterführenden Projekten. Als interdisziplinäres Projekt wäre beispielsweise eine Zusammenarbeit mit einer anderen Fachrichtung möglich – z.B. könnte in einer Projektwoche eine Kurzgeschichte mit dem Fach Deutsch filmisch umgesetzt werden.
Standbilder aus den Kurzfilmen der Schüler*innen.