Abstract
Was ist ein Kunstwerkbuch? Welche Form hat es? Wozu dient es? In 8 Doppellektionen haben sich die Schülerinnen und Schüler (SuS) einer dritten Klasse der Liceo Artistico – Kantonsschule Freudenberg (Kurzzeitgymnasium) mit dem Konzept des Kunstwerkbuchs auseinandergesetzt und ein eigenes Buch zu einem der zwei vorgeschlagenen Themen, Identität und Zukunft, gestaltet.
Sach- und Begründungsanalyse
Da ich bei diesem Praktikum mit SuS einer fortgeschrittenen Klasse zu tun hatte (11 SuS), die an einer Kunstschule studieren und sich daher besonders für den BG-Unterricht interessierten, habe ich beschlossen, ihnen ein Projekt vorzuschlagen, bei dem sie sich frei ausdrücken konnten. Dabei bin ich davon ausgegangen, dass sie über die nötigen Kompetenzen und ein gewisses Interesse für ein Projekt dieser Art verfügen konnten, und dass sie diese Freiheit schätzen würden. Gleichzeitig musste ich aber auch das Projekt ein bisschen eingrenzen und Leitlinien vorgeben.
Ursprünglich war ich mir nicht sicher, ob ich ein Thema für alle vorgeben und dann die Wahl des Mediums völlig frei lassen sollte. Dies hätte jedoch zu Schwierigkeiten bei der endgültigen Bewertung geführt, da es unmöglich gewesen wäre, für alle die gleichen Bewertungskriterien zu benutzen. Ich habe mich daher für die umgekehrte Variante entschieden: Das gleiche Medium für alle und zwei frei wahlbaren Hauptthemen, Identität und Zukunft. Ich habe bewusst zwei breite Themen gewählt, die eine Vielzahl von Unterthemen und daher viele Auswahlmöglichkeiten anbieten. Tatsächlich nutzten die SuS diese Freiheit, und die endgültigen Themen reichten von sehr persönlichen Themen (wie der Identität in der Beziehung zu einer Zwillingsschwester) bis hin zu aktuellen und gesellschaftlichen Themen (wie dem Paradoxon des Krieges). Sogar das Medium, obwohl «vorgeschrieben», lässt Spielraum für den persönlichen Ausdruck: Das Kunstwerkbuch ist eine umfangreiche Kunstform, die verschiedene Formen, Materialien, Zwecke, Bindungen, usw. haben kann.
Zu Beginn des Praktikums habe ich beschlossen, den SuS einige Beispiele zu zeigen, um ihnen eine klarere Vorstellung davon zu vermitteln, was ein Künstlerbuch sein könnte. Sie hatten zunächst eine Vorstellung davon, worum es geht, aber die Beispiele haben ihnen einen klareren Blick für die unzähligen Möglichkeiten bei der Gestaltung eines Künstlerbuchs gegeben. Diese Beispiele haben auch als Inspirationsquelle und Motivation für den Beginn des Projekts gedient.
Lernziele und Beurteilungskriterien
Lernziele:
- Einführung der SuS in das Thema (Kunstwerkbuch).
- Vermittlung des Verständnisses, was ein Künstlerbuch ist und welche Möglichkeiten es gibt.
- Erlernen von Begriffen, die mit dem Thema zu tun haben + Aktivierung von Vorwissen.
- Den SuS die Themen (Identität und Zukunft) näherbringen und sie durch die Erstellung einer Mindmap zum Nachdenken anregen.
- Den SuS die Gelegenheit geben, Wissen oder Meinungen zu den Themen zu diskutieren und auszutauschen.
- Präsentation von KünstlerInnen, die mit dem künstlerischen Ausdruck des Künstlerbuchs verbunden sind.
- Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten.
- Fähigkeit, ein Konzept zu formulieren (bezogen auf das gewählte Thema, Identität/Zukunft).
- Fähigkeit, Thema und Form (des Buches) zu kombinieren.
- Planungsfähigkeit (Komplexität des Projekts/verfügbare Zeit).
- Fähigkeit, Input zum eigenen Projekt zu erhalten; Fähigkeit zur Reflexion; Entwicklung eines Sinns für Selbstkritik.
- Präsentationsfähigkeit (kurze Vorstellung der eigenen Arbeit und des eigenen Konzepts vor der Klasse); Fähigkeit, konstruktives Feedback zu geben (im Rahmen von Abschlusspräsentationen).
- Organisationsfähigkeit, Teamarbeit (im Rahmen des Aufbaus der SuS-Künstlerbuchausstellung).
- Abschlussdiskussion: Fähigkeit zur Selbstreflexion (Was habe ich gelernt?); Fähigkeit, der Lehrperson konstruktives Feedback zu geben.
Beurteilungskriterien:
- Konzept und Erzählung: Originalität und Komplexität des Konzepts (Thema – Form); Klarheit der Erzählung/des Konzepts.
- Technische Kriterien: Durchführung des Projekts (Liebe zum Detail, Sorgfalt bei der Verwirklichung des Buches).
- Arbeitsprozess: Eigeninitiative und kreative Ansätze im Prozess; Engagement, Selbstständigkeit und Konzentration bei der Arbeit.
- Formale Anforderungen: Pünktliche Lieferung eines fertigen Künstlerbuchs.
- Eigenes Kriterium: Jede Person hatte die Möglichkeit, ein eigenes Kriterium zu formulieren.
Ablauf
In der ersten Doppellektion (DL) habe ich das Thema des Kunstwerkbuchs eingeführt, indem ich die SuS zunächst gefragt habe, «was ein Buch zu einem Buch macht» (was sind die Merkmale eines Buches). Sie haben verschiedene Eigenschaften aufgezählt (es hat Seiten, es ist gebunden, es kann gelesen werden usw.), die ich an die Tafel geschrieben und so eine Liste erstellt habe. Ich habe dann ein erstes Beispiel für ein Kunstwerkbuch gezeigt: die Literaturwurst. Meine Absicht war es, ein extremes Beispiel zu zeigen, das eine Diskussion auslöst. Anschliessend sind wir die verschiedenen «Kriterien» der Liste an der Tafel durchgegangen und haben darüber diskutiert, warum die Literaturwurst als Buch betrachtet werden kann (oder warum nicht). Ich habe dann weitere Beispiele von Künstlerbüchern gezeigt, um zu verdeutlichen, dass man sich bei dieser Kunstform von der klassischen Vorstellung des Buches lösen muss. Ein Künstlerbuch kann sehr unterschiedliche Formen und Definitionen haben: man könnte sagen, dass es etwas zwischen einem Buch und einer Skulptur ist.
Ich wollte genügend unterschiedliche Beispiele zeigen, um sie zu inspirieren und das Konzept eines Künstlerbuchs zu verdeutlichen, aber gleichzeitig nicht zu viele, um sie nicht zu stark zu beeinflussen. Anschliessend habe ich die beiden Themen (Identität und Zukunft) kurz vorgestellt. Die SuS haben sich provisorisch für eines der beiden Themen entschieden und sich in zwei Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe hat eine Mindmap zum gewählten Thema erstellt. Die Mindmaps wurden dann vorgestellt und diskutiert. Am Ende der Stunde hat jede Person ein Thema gewählt und begonnen, ihr eigenes Konzept zu entwickeln.
In der zweiten DL habe ich das Aufgabenblatt und ein weiteres Blatt ausgeteilt, auf dem die SuS ihr Kunstwerkbuch beschreiben mussten. Sie mussten Folgendes definieren: Thema + Unterthema (mit Begründung, warum sie es wichtig und interessant finden), Form des Künstlerbuchs (“Art” des Künstlerbuchs), Technik, Material, Grösse, Zweck (muss es einen Zweck haben?), warum ist es ein Buch, Art der Bindung.
In den folgenden Lektionen haben die SuS an ihren Kunstwerkbüchern gearbeitet. Ich habe sie individuell begleitet, den Prozess mit ihnen diskutiert und ihnen Feedbacks und Inputs gegeben. Während der 6 DL habe ich die Zwischennoten und ein mündliches Feedback an jede/n SuS gegeben und mit ihnen besprochen, wie sie die Arbeit fortsetzen konnten. Am Ende der 7 DL mussten die SuS ihre Künstlerbücher abgeben und in der letzten DL stellte jede Person ihr Buch vor; die anderen SuS konnten Fragen stellen und ihr Feedback geben. Nach den Präsentationen haben wir alle zusammen die Ausstellung in einer Halle des Gymnasiums aufgebaut. Die Noten wurden von mir schriftlich über die Online-Plattform Teams übermittelt, begleitet von detaillierten Feedbacks.
Reflexion
Bei diesem Praktikum stellte die Zeitplanung eine Schwierigkeit dar. Das von mir vorgeschlagene Projekt war sehr anspruchsvoll, und ich musste einige geplante Inputs streichen, damit die SuS weiterarbeiten konnten. Sie selbst haben in dem 8DL-Feebdack ausgedrückt, dass sie sich mehr Zeit für dieses Projekt gewünscht hätten. Hätten sie mehr Zeit gehabt, hätten sie auch Aspekte vertiefen können, die zur Kunst des Kunstwerkbuchs gehören, wie Buchbinderei, Papiersorten, die Welt der Typografie und so weiter. Zu jedem «Unterthema» hätten kleine Workshops stattfinden können, um die einzelnen Aspekte zu vertiefen. Eine weitere Selbstkritik betrifft das Gespräch der Zwischennote, das ich auf eine eher «traditionelle» Weise durchgeführt habe: Ich habe die SuS einzeln aufgerufen und ihnen ein mündliches Feedback gegeben, während sie mir zugehört haben. Auch aus Zeitgründen habe ich für jede Person ein Feedback vorbereitet, das ich dann mündlich und in möglichst kurzer Zeit erklärt habe, da ich der Meinung war, dass dies die effizienteste Methode sei. Ich hätte einen anderen Weg finden können, um die SuS mehr einzubeziehen und Raum für eine Diskussion zu lassen.
Im Allgemeinen hat die Klasse grosses Interesse am Projekt gezeigt: Ihnen hat das Thema gefallen, weil es ihnen die Freiheit gegeben hat, sich selbst auszudrücken (und dies wurde von ihnen während der Abschlussdiskussion bestätigt). Während der 1DL haben sie aktiv mitgemacht und es gab sofort einen Austausch: Meine Präsentation der Beispiele von Künstlerbüchern war nicht einseitig, die SuS haben meine Fragen beantwortet, eigene Fragen gestellt und viel Neugier und Interesse gezeigt.
Sie haben sehr hart gearbeitet, und ich bin sehr zufrieden mit der Qualität und Vielfalt der Arbeiten, die sie geschaffen haben. Obwohl es zwei Themen gab, hat jede Person ein sehr persönliches Unterthema gewählt, das dann auf originelle, komplexe und interessante Weise entwickelt wurde.