Abstract
Sound ist überall um uns. Der Zug der vorbeifährt, die Stadt, die aufgeregt schreit, der Wind, der durch die Blätter bläst oder die Spotify-Playlist in den Ohren. Einfach mal hin zu hören kann sehr schwierig sein. Doch mit ein bisschen Übung kann mensch neu hören lernen.
«Klangbild» ist ein Projekt, dass mit einer zweiten Klasse im Kurzzeitgymnasium durchgeführt wurde. Es fand über einen Zeitraum von acht Doppellektionen statt. Mit einer Fotografie im öffentlichen Raum als Grundlage haben die S*S (Schüler*innen) Soundcollagen erstellt.
Sach- & Begründungsanalyse
Wie klingt meine Umgebung? Was höre ich gerne, was nicht? Warum? Wie klingt das Klassenzimmer, wenn alle still sind? Kann Aluminiumfolie wie ein knisterndes Feuer klingen? Wie klingt der Flügelschlag eines Vogels?
Mit Klang oder Sound im Bildnerischen Gestalten zu arbeiten ist bis heute eher ungewöhnlich. Sound als Gestaltungsmittel und -material zu verstehen und zu verarbeiten ist eine Herausforderung für alle Teilnehmenden. Dafür muss mensch «neu hören» lernen.
In diesen Praktikum wurde unter anderem versucht, den S*S das «neue Hören», die Erkundung und Erforschung ihrer eigenen Klangwelt, näher zu bringen.
Lernziele
- Sensibilisierung des Gehörs
- den «Blick» vom visuellen auf das sonorische/akustische wenden
- Auseinandersetzung mit der alltäglichen Klangwelt
- Aufnehemen, Bearbeiten und Arrangieren von Sounds mit einem Audio-Rekorder und einer Audio-Software
- Dramaturgische Mittel und Gestaltung kennenlernen und anwenden
- Klangkunst/Soundart kennenlernen
- Fotografischer Bildaufbau und -komposition kennenlernen und anwenden
Ablauf
Zu Beginn des Projekts «Klangbild» stand das eigene Hören der S*S im Zentrum. Wie klingt das Klassenzimmer, wenn wir alle so laut wie möglich sind, wie klingt es, wenn wir alle so still wie möglich sind. Wir haben analysiert, wo mensch Sound begegnet, wie die alltägliche Umgebung der S*S klingt, was sie gerne hören oder was sie stört. Des weiteren begegneten die S*S am Anfang der acht Doppellektionen durch eine spielerische Smartphone-Jamsession (alle S*S konnten mit ihrem Smarthone draussen einen Klang aufnehmen um dann im Klassenzimmer einer kurze Jamsession zu versanstalten) den ersten Annäherungen an eine akustische Dramaturgie.
Weitere Übungen und Experimente, die den S*S das Hören sowie ein Verständnis für Sound als Gestaltungsmaterial näher bringen sollten, waren zum Beispiel die Bild-Ton-Verfremdungen. Dazu hatten die S*S eine Fotografie zur Verfügung, die sie mithilfe eines aufgenommenen Klanges verfremden konnten. Ebenfalls haben wir uns in diesem Zusammenhang mit Foley-Artists befasst und dazu eine kurze Dokumetation angeschaut und besprochen.
Durch technische Einführungen mit portablen Audio-Rekordern, der opensource Software Audacity und weiteren Inputs zu Bildaufbau und -komposition in der Fotografie konnten sich die S*S gut auf die Hauptaufgabe vorbereiten. Ebensfalls wurde anhand von Beispielen wie Christina Kubisch’s Elecrical Walks oder Christian Marclay’s Guitar Drag das Feld der Soundart den S*S näher gebracht.
Ab der vierten Doppellektion konnten die S*S mit der Hauptaufgabe beginnen, die wie folgt lautete:
Bis zu den Weihnachtsferien erstellst du eine Fotografie und eine Soundcollage.
Als Erstes wählst du einen Ort im öffentlichen Raum aus. Es soll ein Ort sein, an dem du viel Zeit verbracht hast oder immer noch verbringst. Der Ort soll in dir etwas auslösen. Das können zum Beispiel gute oder weniger gute Erinnerungen sein. Das können Geschichten und Erlebnisse sein. Oder du wählst den Ort, weil du einfach gerne dort bist.
Sobald du dich für einen Ort entschieden hast, hältst du ihn fotografisch fest. Benutze dazu dein Smartphone.
Diese Fotografie dient als Grundlage für den nächsten Arbeitsschritt. Du erstellst mithilfe von einem Audiorekorder, deinem Smartphone und einem Sound-Programm eine Soundcollage. Sie soll den Ort bzw. die Fotografie akustisch darstellen. Die akustischen Gegebenheiten an dem Ort sowie deine Erinnerungen, Geschichten und Erlebnisse lässt du in die Soundcollage einfliessen. Dafür sammelst und produzierst du zu Beginn viele verschiedene Sounds in der Umgebung vom Schulhaus sowie mit Gegenständen und Materialien im Klassenzimmer. Es entsteht eine Sound-Sammlung, die mit deinem Ort, deiner Fotografie in Zusammenhang stehen. Sobald du genügend Sounds gesammelt und aufgenommen hast, gestaltest du daraus eine Soundcollage. Du erzählst also eine akustische Geschichte, bestehend aus arrangierten und bearbeiteten Geräuschen, Klängen oder Sounds.
Am Schluss werden wir die Fotografie sowie die Soundcollage auf einen Blog hochladen.
Bis zum Ende der siebten Doppellektion hatten die S*S nun Zeit diese Aufgabe zu erledigen. Als Lehrperson stand ich zur Unterstützung bereit. Die letzte Doppelstunde war dazu da die fertigen Soundcollagen und Fotografien gemeinsam anzuhören, anzusehen und zu besprechen.
Bewertungskriterien
- Dynamik, Veränderung & Dramaturgie
- Verständlichkeit der erzählten Geschichte
- Spiel mit Hintergrund und Vordergrund
- Zusammenhang und Verbindung zwischen Fotografie und Soundcollage
- Umsetzung der gelernten Techniken und Methoden
- Prozess, Experimentierfreudigkeit
Ergebnisse (Auswahl)
Reflexion
Zu Beginn des Praktikums merkte ich, dass das Medium Sound ein sehr ungewönliches Gestaltungsmittel für die S*S war. Das bewegte mich dazu die einführenden Übungen und Inputs sehr genau und zeitintensiv durchzuführen. Einerseits konnten sich die S*S deswegen sehr gut auf das Thema einlassen und ihr Gehör sensibilisieren, andererseits wurde ihnen dadurch Zeit für ihr eigenes Projekt genommen. Dennoch sind am Ende sehr spannende und individuelle Arbeiten entstanden. Falls ich dieses Projekt nochmals durchführen würde, würde ich es entweder auf einen längeren Zeitraum verteilen oder in kleinere Teilprojekte unterteilen.
Im Grossen und Ganzen sehe ich dieses Praktikum als sehr gelungen an. Mir hat es Spass gemacht mit den S*S mit so einem komlexen, neuen und herausforderndem Gestaltungsmittel zu arbeiten.