Freies Praktikum mit 4-bis-6-Jährigen
Abstract
Im Rahmen des Freipraktikums durfte ich im CTZ (das Christliche Treffpunkt Zug) mit 4-6-Jährigen arbeiten. Thema dieses Praktikums war das Geschichtenerzählen und Geschichtenerleben. Inhaltlich stand vor allem die Schöpfungsgeschichte im Zentrum, anschliessend wurde durch ausgesuchte Bibelgeschichten zum Thema Wasser thematisiert.
Sach- und Begründungsanalyse
Mein Anliegen war, in diesem Praktikum quasi beim Nullpunkt bzw. «ganz am Anfang» der Kunstvermittlung zu starten. Meines Erachtens stehen im Ursprung der Kunstvermittlung zweierlei Dinge: Die sinnliche Wahrnehmung und das Licht. Aus dieser Sicht war es daher zusätzlich spannend, die Schöpfungsgeschichte durchzunehmen. Das Licht ist darin das erste Element, das bewusst d.h. aktiv durch Gottes Sprechen geschaffen wird. Das Wasser gibt es zum Beispiel schon, wo die Schöpfungsgeschichte anfängt, deshalb habe ich das danach auch thematisieren wollen. Bis der Mensch mit seinen fünf Sinnen am 6. Schöpfungstag geschaffen wird, werden der Reihe nach das Licht (1. Tag), der Himmel (2. Tag), die Erdoberfläche und die Pflanzen (3. Tag), Sonne, Mond und Sterne (4. Tag), Vögel und Fische (5.Tag) und schliesslich die Säugetiere – ebenfalls am 6. Tag wie der Mensch – geschaffen. Während der Planung und bei der Auseinandersetzung mit der Natur, die uns auch heute umgibt, sind mir sehr stark die Vielfalt und ihre unterschiedlichen Ebenen aufgefallen: Es gibt nicht nur eine einzige Art Boden sondern Eis, Gebirge, braune Erde, rote Erde, Sand und Steinwüsten, Festland, Küstenland, Inseln, Vulkane etc. je nach Region. Schaut man dann zu den Bäumen, da stellt man fest, dass es nicht nur unzählige Kombinationen von Ecken und Rundungen gibt, welche die uns bekannten Blatt- und Nadelformen ausmachen, sondern auch bei einem einzigen Baum es kaum zwei idente Blätter gibt, obschon ihre Form grundsätzlich die Gleiche ist. Daher wollte ich auch, dass die Medien, die wir einsetzen, diese Vielfalt spiegeln. Insgesamt haben die Kinder mit Buntstiften, Filzstiften und Wasserfarben gezeichnet und gemalt – was sie schon gewohnt waren – und auch das Malen mit Gouache-Farben, 3-D-Formen mit Zeitung und Malerklebeband bzw. mit Ton kennengelernt und das Theaterspielen sowie das kollektive Arbeiten geübt. Im Zentrum stand das Erschaffen eines eigenen Wesens aus Zeitung und Malerklebeband inspiriert von den Vögeln, Fischen und Säugetieren.
Ablauf
Begonnen habe ich das Praktikum am 1.11.2020 und beendet am 31.01.2021. Die Jahreswende hat sehr stark den Aufbau des Praktikums gekennzeichnet, da während den ersten 7 Einheiten die Schöpfungsgeschichte durchgenommen wurde und in den weiteren 5 Einheiten nach Neujahr das Fertigstellen des 3-D-Tierchens und das Thema Wasser im Vordergrund standen. In der ersten Phase wurde auch die methodische Vielfalt mehr fokussiert, während in der zweiten Phase vor allem das Malen, Farbenmischen und Erzählen Thema waren. Bis am 13.1.2021 als der Bund die Corona-Massnahmen bezüglich privater Treffen erneut verschärft und die Anzahl Zusammentreffender auf 5 Personen reduziert hat, haben wir uns jedes zweite Mal bei mir zuhause getroffen.
Impressionen aus dem Praktikum (zum Teil von den Kindern selbst fotografiert)
1.11.2020 – Projektstarter: Eckige, runde und gemischte Formen
8.11.2020 – Die fünf Sinne: Collage und kollektive Arbeit
15.11.2020 – 1. bis 3. Schöpfungstag: Die Welt der Pflanzen
22.11.2020 – 4. Schöpfungstag: Planeten und Jahreszeiten
06.12.2020 – 5. Schöpfungstag: Vögel und Fische aus Zeitung und Klebeband
13.12.2020 – 6. Schöpfungstag Teil 1: Begegnung mit Tieren
20.12.2020 – 6. Schöpfungstag Teil 2: Der erste Mensch und die Geburt des Christkindes
3.1.2021 – Die Vermehrung der Brote und das Formen mit Ton
10.1.2021 – Der wunderbare Fischzug und das Anmalen der 3-D-Tierchen aus Zeitung
17.1.2021 – Jona im Bauch des Fisches und die Fortsetzung der 3-D-Tierchen
24.1.2021 – Jesus stillt den Sturm, die 3-D-Tierchen und ihre Geschichten
31.1.2021 – Die Verwandlung des Wassers zu Wein auf der Hochzeit von Kana; Projektabschluss durch Wandbild als Erinnerung
Reflexion
Dieses Praktikum hat mir sehr gut getan… es war sehr erfrischend, in die Welt der Kinder einzutauchen, vor allem nachdem ich im Dezember eine Unterrichtserfahrung mit 18-20-Jährigen abgeschlossen hatte. Wie man wohl schon an manchen der 3-D-Tieren sieht, ist die Fantasie der Kinder beinahe grenzenlos… es gibt kein richtig und falsch und auch kaum eine Logik – auf jeden Fall keine, die einschränkt.
Mit den vorliegenden Bedingungen war es eine grosse Herausforderung, ein aufbauendes Projekt zu planen und durchzuführen, da die Kindergruppe stets gewechselt hat und die Kinder (und vor allem Eltern) ausserdem an in-sich-schliessende Einheiten gewohnt sind. Aber es ging – und vor allem für die Kinder, die doch regelmässig gekommen sind, war es sehr bereichernd. Es war auch schön zu sehen, dass es den Kindern keinerlei Mühe bereitet hat, sich zu den geschaffenen Tieren Geschichten auszudenken. Ich musste sie gar nicht erst dazu auffordern, diese mir oder einander zu erzählen, nachdem die Tiere fertig waren, haben sie gleich begonnen sehr vieles und viel Verrücktes zu erleben und die Kinder haben davon nur so gesprudelt. Manches war auch autobiografisch, zum Beispiel war Marina, die 6-äugige Schildkröte mit Haarband und Fell, schwanger und hat ein Ei gelegt und würde bald ein Kleines bekommen. Dabei hatte das Mädchen, das sie geschaffen hatte während dieses Praktikums ein kleines Geschwisterchen bekommen, das kurz vor Neujahr auf die Welt gekommen ist.
Es gibt viele unterschiedliche Potentiale, über welche ich hier schreiben könnte, weil das Projekt sehr viele unterschiedliche Bereiche vereint hat. Zum Beispiel würde ich in Zukunft das Potential des Arbeitens mit Naturmaterialien in diesem jungen Alter noch vielmehr ausschöpfen wollen. Naturmaterialien haben so viel Geschichte, Aussagekraft und Detail. Man muss diese nicht erst zeichnen oder modellieren lernen, um sie zu thematisieren, sondern kann diese direkt verwenden, um Neues zu schaffen. Gerne würde ich mit den Kindern auch diese Materialien zuerst gemeinsam suchen und dann damit arbeiten. In diesem Projekt haben wir für die Tiere hauptsächlich mit Zeitung, Klebeband und Gouache-Farbe gearbeitet, selbst als wir mit den Pflanzen gearbeitet haben, waren diese bloss von mir gesammelt, gepresst und sortiert worden. Ich möchte die Kinder gerne im ganzen Prozess einbeziehen – und ich schreibe recht konkret auch über die Zukunft, weil ich eine Möglichkeit habe in diesem Team zu bleiben und weiterhin an Sonntagen – seltener als während den letzten drei Monaten aber doch -immer wieder mit den Kindern zusammen zu arbeiten.
Schliesslich ist das Geschichten-Erzählen ohne Bilder, das ich von Ruth Müller habe lernen dürfen, etwas, das mich mit Sicherheit in Zukunft noch viel beschäftigen wird. Da habe ich persönlich noch viel Potential zum darin Hineinwachsen und mich in diese Geschichten tatsächlich hineinzudenken und einzufühlen… Ich denke die Schöpfungsgeschichte war für mich ein guter Start, da ich die Auswirkung dieser, um mich herum sehen kann. Die Schöpfung hört nicht auf, mich zu faszinieren und seit ich mich mehr mit ihr auseinandergesetzt habe, verbindet sie mich irgendwie auch mehr mit Leuten von denen ich räumlich oder zeitlich getrennt bin. Zum Beispiel mit Menschen in Asien und Afrika und auch mit historische Figuren, die lange vor mir gelebt haben. Es waren dieselben Sterne, unter welchen Gott zu Abraham geredet hat und es ist die gleiche Sonne unter der schon so viele Schlachten gewonnen und verloren wurden…
Nennenswerte Inspirationsquellen
- Geta Bratescu Ausstellung St. Gallen, 9. Juni – 15. November 2020
- Parlament der Pflanzen Ausstellung Liechtenstein, 9. September 2020 – 17. Januar 2021
- GeoArt, Kunstwerk Erde Bernhard Edmaier
- Arcimboldo (1526-1593), Die Jahreszeiten
- Bibelgeschichten:
- Engel befreit Petrus aus Gefängnis
- Schöpfungsgeschichte
- Weihnachtsgeschichte/ Jesus Geburt
- Die wundersame Brotvermehrung/ Jesus läuft auf dem Wasser
- Der wunderbare Fischzug
- Jona im Bauch des Fisches
- Jesus stillt den Sturm
- Verwandlung des Wassers zu Wein auf der Hochzeit von Kana
- Meine Schildkröte Cinty – ich habe die Kinder nie aufgefordert Schildkröten zu gestalten, es ihnen verboten habe ich das aber auch nicht. Nun kann ich mir aber vorstellen, dass ich in Zukunft doch darauf bestehen werde müssen, dass die Kinder etwas Anderes als Schildkröten gestalten. Meine Schildkröte Cinty war von Anfang an Raffaels beliebteste Inspirationsquelle aber erst am 31.1.2021 (am letzten Tag des Praktikums), als es darum ging, verschiedene Wasserlebewesen für das Wandbild zum Wundersamen Fischzug zu gestalten, war es dann offensichtlich, dass die Schildkröte zu einer Art monopolisierten Inspirationsquelle geworden war.