Mit Schrift und Buchstaben zum ästhetischen Ausdruck. Schriften und das Schreiben scheinen in der Schule stets präsent zu sein. Wir wollen mit Schriften spielen und die Grenzen, den freien Umgang mit Schrift suchen. Dabei werden auch Grundlagen der Typografie und Plakatgestaltung berührt. Sowie Erfindungen zur Schriftverbreitung im zentral-europäischen Raum thematisiert.
Dieses Praktikum konnte ich in einer fünften Gymnasialklasse im Grundlagenfach an der kantonalen Mittelschule Uri während acht Doppellektionen durchführen. Das Thema Typografie und Schrift sollte nach Lehrplan bearbeitet werden.
Begründungsanalyse
Ich entschied mich für ein freieres Unterrichtsprojekt und orientierte mich dabei an Helga Kämpf Jansens ästhetischer Forschung. Jansen bietet einen starken und vielseitigen kunstpädagogischen Ansatz in ihrer Forschung, sie gibt aber wahrscheinlich bewusst keine Unterrichts- oder Planungsanweisungen. Ich sehe grosses Potenzial in freier ästhetischer Forschung und glaube, die Schüler*innen können darin eigene Bezüge zu ihrer Lebenswelt und Lebensrealität herstellen. Sie können individuelle und kollektive Ausdrucksformen erproben oder vertiefen.
Ich habe das Ziel, den Bezug zu Schrift, welcher in der Schule einer sehr funktionalen Rolle zugeordnet wird, zu lockern, aufzubrechen, möglicherweise etwas entgegenzuhalten. Ich sehe in Schrift und Typografie oftmals viel Präzision und Reduktion. Schrift kann aber auch sehr lustvoll und- oder kryptisch werden, kann uns herausfordern. Bedeutung und Sinn von Schrift kann aber auch sehr lustvoll und- oder kryptisch werden, kann uns herausfordern. Bedeutung und Sinn von Buchstaben sind in enger Beziehung mit unserem Sprachverständnis, mit unserem Humor. Wir schaffen Verbindungen zu unseren Lebenswelten und der kulturellen Prägung. Schrift und Buchstaben sind Werkzeuge, aber auch ästhetische Ausdrucksformen an der Basis der visuellen Kommunikation. Wir wollen in diesem Feld ausprobieren und neu denken, provozieren, amüsieren oder einfach Fragen an uns stellen. Wir können bspw. Buchstaben erstellen, auf eigene Art und Weise oder Aussagen wagen, Aussagen an Ort-, Kontext- und Material bezogen platzieren.
Weil ich als Praktikantin in ein bestehendes Unterrichtssystem kommen werde und meine Zeit in diesem Praktikum auf 8 Doppellektionen beschränkt ist, (In diesem Fall definitiv, weil die Sommerferien darauf folgen) werden die Schüler*innen doch so was wie Leitplanken haben an welchen Entlang sie arbeiten. Das sind verschiedene Künstler*innen-Positionen und drei Arbeitsvorschläge rund um Schrift. Sie erarbeiten daraus, ihr eigenes künstlerisches Projekt alleine oder in Gruppen. Sie sind frei in der Wahl der Medien. Um den Arbeits- und Forschungsprozess Ende des Praktikums auf einer weiteren Ebene zu visualisieren gestalten wir in der zweiten Hälfte des Praktikums Plakate, welche im Schulhaus aufgehängt werden.
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Sachanalyse
Lernziele und Beurteilungskriterien
Lektiosbedingt gibt es weitere Lernziele, hier ein kleiner Überblick
Praxis
- Die S. lernen verschiedene Künstler*innen und deren Arbeiten und Techniken durch kleinere Übungen und Videobeiträge kennen. Sie bilden danach Gruppen und tauschen sich über ihre Recherchen und Entdeckungen aus.
- Die S. entscheiden welche Vorgehensweise und Inhalte sie interessieren und recherchieren und praktizieren dort weiter.
- Die S. entscheiden selbst in welcher Sozialform sie arbeiten wollen. Sie vertiefen sich danach individuell oder kollektiv konzentriert und selbständig in ihrer ästhetischen Forschung.
- Die S. entscheiden sich für Umsetzungen oder weitere Forschungsprozesse, welche sie vertiefen wollen. Ihre Entscheidung teilen sie in einem zusätzlichen Gespräche mit den Lehrpersonen.
- Die S. schreiben, zeichnen, collagieren ein Projektvorhaben. Das können Skizzen und Gedankensammlungen sein. Darin zeigen sie Wege für weitere Umsetzungen oder Forschungsprozesse. Die S. werden mit dem Stellenwert und der Wichtigkeit ihrer Prozessjournale konfrontiert.
- S. lernen sich gegenseitig zu „Feedbacken“ und haben zusätzlich Gespräche mit den Lehrpersonen.
- Die S. dokumentieren abschliessend ihre Arbeiten mit einem Plakat für eine Plakatausstellung mit Titel, HAB WAS ZU SAGEN. Sie arbeiten dafür mit Fotografien, welche sie im Prozess erstellt haben.
- Die S. bekommen eine Einführung im „In Design“ um ihr Plakat zu gestalten. Sie erstellen ein Plakat in A3 Format.
Theorie
- Die S. und die LP führen Diskurs über verschiedenen Schriftsysteme, den Ursprung der Kommerzialisierung oder frühen Verbreitung von Schrift und «Print Medien». Weiter zeigt die LP Veränderungen durch die Digitalisierung auf. Wir stellen uns die Frage, wie Schriften auf den Bildschirm gebracht wurden und welche Schritte gingen den digitalen Fonts voraus.
- Die S. unterhalten sich untereinander über die Tragweite verschiedentlicher Erfindungen, welche Schrift verbreitet haben.
Beurteilungskriterien
Ablauf
Einstieg und Kennenlernen (1 Doppellektion)
Wir beginnen mit einem spielerischen Einstieg und versuchen zusammen möglichst viel über die Bildcollage von Irene Hug: Our Cause/ Casa Nostra, herauszufinden. Danach folgen Lockerungsübungen mit Tusche und Pinsel zu verschiedenen Buchstaben. In weiteren Lektionen haben die Schüler*innen ein Angebot verschiedener Arbeitsaufträge zu Typografie und Schrift und Künstler*innen-Positionen zur Verfügung. Sie wählen frei, welchen Auftrag sie machen wollen und wie lange sie daran bleiben.
Recherchephase (3 Doppellektionen)
Künstler*innen für die Recherchephase
Peter Jenny, mit dem Buch „Nachher“. Den beobachtenden Blick schärfen. Schrift und Buchstaben im Umfeld zu finden (unfreiwillige Buchstaben, Rady-made Buchstaben)
Irene Hug, genaue Untersuchung von Plakaten, Leuchtschriften, anderen schriftlichen Aufforderungen in der Öffentlichkeit, Fragen an uns als Gesellschaft.
Jenny Holzer, die Macht der Worte, i can`t tell you. Klare Botschaften am richtigen Ort, Arbeiten auf der Haut. Innere Werte erkunden und eigene Gedanken äußern und teilen.
Stefan Sagmeister, Happy Film. humorvolle Zitate und Hinweise durch Schrift an der richtigen Stelle, lustige Sprachliche Interventionen, die zum Lachen bringen können.
Duo Trevor Wealty & Cosmo Dean. Zwei junge Designer aus Toronto arbeiten mit dem Konzept sehr einfacher Botschaften in Form von grossen Schriftzügen in Landschaften. Sie arbeiten sehr kommerziell für Nike, Stussy, Topshop, Converse, Nordstrom ect.
Arbeitsblätter
Umsetzungsphase (2 Doppellektionen)
Die Schüler*innen skizzieren, formulieren und dokumentieren laufend. Sie sind aufgefordert nach vier Doppellektionen ein Vorhaben für eine Umsetzung oder weiteren forschenden Arbeitsprozess auf einer A4 kompakt festzuhalten. Dieses Blatt, dient mir zur Orientierung und den Schüler*innen um einen Moment innezuhalten. Auf dem Projektbeschriebblatt aufbauend hat jede*r Schüler*in oder Schüler*innengruppe ein Gespräch mit mir oder Praktikumslehrperson, um den Stand und das weitere Vorgehen zu erörtern.
Bilder aus der Umsetzungsphase
Alle wurden aufgefordert in der Umsetzungsphase ihre Arbeiten oder ihr Tun fotografisch festzuhalten. Folgende Fotografien habe die Schüler*innen gemacht, um ihr Arbeiten zu dokumentieren.
Theorie
Plakate (2 Doppellektionen)
Zum Schluss wollen wir unsere Prozesse nochmals visualisieren. Das Erstellen und Gestalten der Plakate steht im Hintergrund des vorhergehenden Arbeits- und Forschungsprozesses der Schüler*innen. Die Schüler*innen hatten den Auftrag, reduziert und auf einfache Weise, einen Einblick ihres Prozesses zu ermöglichen. Nach den Einführungen in die Programme «Photoshop» und «InDesign», mit zusätzlicher Hürde der Arbeitsgeschwindigkeit der Schulcomputer, blieb den Schüler*innen leider wenig Zeit für die Plakatgestaltung.
Um Recherchen im Bereich Plakatgestaltung oder Plakatgeschichte zu machen, kann ich euch die Webseite des Museum für Gestaltung Zürich empfehlen. Da findet ihr eine der weltweit umfangreichsten digitalen Plakatsammlungen. Das Archiv enthält über 330.00 Objekte aus der schweizerischen und internationalen Geschichte des Plakats.
https://www.emuseum.ch/search/
Reflexion
Für mich war es wichtig im vierten und letzten Praktikum am Gymnasium eine mögliche praktische Umsetzung der ästhetischen Forschung nach Helga Kämpf Jansens zu probieren. Helga Kämpf Jansens hat ein klares und sehr spannendes Konzept dennoch gibt es bei ihr, wohl bewusst, keine Anleitung für den Unterricht.
Um unsere ästhetische oder auch künstlerische Forschung im Praktikum anzustossen, schuf ich für die Schüler*innen Angebote als Boden oder Grundlage unseres Themas «Mit Schrift zum ästhetischen Ausdruck»/ HAB WAS ZU SAGEN. Die Vorbereitungen der Angebote, war enorm. Ich bin nicht sicher, ob weniger verschiedene Vertiefungsmöglichkeiten zu Beginn, den Schüler*innen den Einstieg erleichtert hätte. Es war ein grosser Erfolg beobachten zu können, wie unterschiedlich sich die Arbeitsprozesse der Schüler*innen entwickelt haben. Und weiter, dass die meisten Schüler*innen die freie Arbeitsatmosphäre im Schulzimmer nutzen konnten und schätzten.
Den Schüler*innen war vieles zu Beginn nicht klar. Sie fragten, wie ich die Arbeiten nebeneinander bewerten werde. Wieso ich kollektiv arbeitende Schüler*innen als Einzelperson bewerte. (Die Einzelnote war im Vorfeld vereinbart worden und ich habe daran nicht gerüttelt). Bei diesem Praktikum realisierte ich deutlich, dass einschneidende Veränderungen dem Gewohnten gegenüber, so wie die freie Ateliersituation im Schulzimmer, die Bewertung mit Fokus auf den Prozess, oder die Einzelbewertung eines kollektiven Prozesses, eine Herausforderung sein können. Ich empfand dabei meine Rolle als Praktikantin mit wenig Beziehung zu den Schüler*innen und kleiner Entscheidungskompetenz, als herausfordernd. Dieses Gefühl, nur für einen kurzen Moment zu unterrichten und danach zu verschwinden, hemmte mich zeitweise. Eine kooperative Praktikumslehrperson und viel Offenheit der Schüler*innen scheinen mir zwingend, um sich auf ein freieres Unterrichtsprojekt einzulassen. Da hatte ich viel Glück. Ein weiteres Mal war die Kürze des Praktikums mit 8 Doppellektionen eine grosse Hürde, um die aufgebauten Strukturen zu nutzten. Einiges bliebt an der Oberfläche oder kam zu kurz. So die Vertiefungen in Kunst- und Plakatgeschichte oder die Geschichte des Buchdrucks. Die Plakatgestaltung war mit viel Zeitdruck verbunden und die Schüler*innen konnten knapp eine erste Idee oder eine Plakatskizze entwickeln, dabei nicht ausprobieren oder eine Skizze verwerfen, was mir grundsätzlich wichtig wäre. Ich würde dieses Unterrichtsprojekt (mit selbem Zeitfenster) beim gegenseitigen Sichten des Dokumentationsmaterials und der entstandenen Arbeiten, oder Forschungsständen belassen. Ich bin trotz vieler Herausforderungen wirklich froh ausprobiert zu haben und kann allen Planenden nur raten, sich während der Ausbildung an der Hochschule zu trauen auszuprobieren!