Einführung Thema Raum, Umwelt und Baukultur, anhand der Entwicklung und Gestaltung einer eigenen Schule. Auseinandersetzung mit Fragen: Wie, wo und was wollt ihr lernen?
Sach- und Begründungsanalyse:
Es handelt sich um ein freies Praktikum, welches in der Offenen Schule Bern absolviert wurde. Die Offene Schule Bern (OSBe) ist eine private, integrative Schule für Regelschülerinnen und besondere Volksschülerinnen der 1. bis 10. Klasse. Neben der Arbeit an den fachlichen und überfachlichen Kompetenzen des Lehrplans 21 wird ein besonderer Schwerpunkt auf kreative, musisch-gestalterische Fächer wie Theater, Band, Atelierarbeit und Bewegung und Sport gelegt. (Quelle: www.osbe.ch)
Ich hatte die Möglichkeit ein 8-wöchiges Wahlfach im gestalterischen Atelier der Mittel- und Oberstufe anzubieten. Das Wahlfach wurde von 8 SuS ausgewählt, was eher eine grössere Gruppe darstellt.
Aufgrund meines persönlichen Hintergrunds, haben wir uns entschieden eine Einführung in das Thema Architektur zu planen. Mit dem Thema ‹Schulhaus› habe ich einen Alltagsbezug der SuS gesucht, der sich aber vom gängigen Entwurf eines Wohnhauses unterscheidet.
Ein Bewusstsein für unsere gebaute Umwelt erachte ich als wichtige, interdisziplinäre Kompetenz, unabhängig davon, ob eine Person selbst Architekt:in ist, oder nicht. Siehe auch Abschnitt Lernziele.
Vor einiger Zeit wurde ich auf den gemeinnützigen Verein Archijeunes aufmerksam, welcher seit längerer das Ziel verfolgt, «die Baukulturelle Bildung im Schweizerischen Bildungscurriculum zu verankern und Akteurinnen und Akteure der Baukultur zu vernetzen. Der Verein will Kinder und Jugendliche für die gestaltete Umwelt als Lebensraum sensibilisieren und sie befähigen, konkrete Qualitäten für ihren Lebensraum einzufordern.» (www.archijeunes.ch)
Ablauf
1. DL: Kennenlernen, Einführung in das Thema, Übung: Die Welt, eine Sammlung von verschiedenen Orten. Wo wird wie gebaut, was sind die Eigenschaften? Beispiele sammeln mit Weltkarte und PostIT-Zeichnungen. Video ‹Baukultur› Archijeunes (https://youtu.be/txDCqAXZWn4?feature=shared), Frage: Wo könnte sich deine Schule befinden? (Stadt, Wald, Berg, Höhle, Wüste, auf dem Wasser, Mond …). Blick von weit weg: Zeichnerische Umsetzung des Kontexts (Gebäude nur ganz klein, in der Mitte des grösseren Kontexts).
2. DL: Wie könnte die Schule aussehen, passend zum gewählten Ort. Was sind die ortsspezifischen Bedingungen? Beispiele: Haus im nassen Urwald sieht anders aus, als Haus auf dem kalten Berg. Es gibt Gründe dafür, weshalb die Häuser in Bern so aussehen, wie sie aussehen. Zeichnerisch/Malen anhand der Grundlage von 1. DL. (Daran Anknüpfendes Thema: Aus welchem Material könnte die Schule gebaut sein? Welche Materialien stehen zur Verfügung: Holz, Stein, Glas?)
3. DL: Überlegen, Beschreiben, Zeichnen, wie die Schule organisiert sein könnte: Wie viele Klassen? Wie grosse Klassen? Was wird gelernt? Wo wird gelernt, draussen / drinnen? Wo wird Pause gemacht? Gibt es Regeln? Welche?
4. DL: Einführung Planzeichnung: Wie sieht die Schule von Oben, von der Seite, von aussen, von Innen aus. Wie gross ist sie? Wie sehen die Räume aus; Welche Proportionen haben sie? Übung anhand von Beispielplänen. Begriffe: Grundriss, Schnitt, Fassadenansicht
5. DL: Einführung des Begriffs Aussenraum: Wie sieht der Garten aus? Welche Pflanzen? Was wird im Garten gemacht?
6. DL: Einführung Modellbau: Vorzüge des Materials Wellkarton erläutern, anhand eines Beispiel-Modells: Gratis da Abfallprodukt/rezyklierbar; Einfacher zu schneiden und lebendigere Erscheinung als Graukarton; Problemlos anstreichbar; Eine Seite ablösen ergibt eine gewellte Oberfläche; Einritzen und biegen/umknicken möglich. Beispielfotos werden gezeigt und weitere Modellbaumaterialien werden vorgestellt: Ton, Holzstäbli, weiches Wellkarton, farbiges Papier, Ton, Holzstücke, Alufolie, Klarsichtfolie. Anschliessend reflektieren die SuS und entscheiden individuell, welches Modellbaumaterial sich am besten für ihr Projekt eignen würde und beginnen mit dem Modellbau.
7. DL: Modell Bauen, Siehe 6.DL. Individuelle Lernbegleitung.
8. DL: Modellau abschliessen, Gemeinsame Ausstellung der Arbeiten kuratieren. Vorstellen der Projekte an externer Jury, z.B. Schulleitung. Apero, Vernissage und Abschied.
Lernziele
- SuS entwickeln ein Bewusstsein für baukulturelle Grundlagen (zB. dafür dass Bauwerke (fast immer) an einem Ort verankert ist, und welche (schwerwiegenden) Konsequenzen dies hat.)
- SuS lernen anhand von Beispielen Bauwerke und Räume kennen, welche sich vom ‘0815 Haus’ unterscheiden. (z.B. Foto Frank Gehry, Foto Paul Klee Zentrum)
- SuS entwickeln Bewusstsein über die Bandbreite, wo überall gebaut werden kann. (zb. Kloster in der Wüste, Hütte auf dem Berg etc.)
- SuS reflektieren den eigenen Schulalltag und werden zum fantasieren angeregt, wie und wo Lernen sonst noch stattfinden könnte.
- SuS erfahren, dass Räume und Umwelt von ihnen mitgestaltet und verändert werden können. SuS lernen einige Grundlagen der ‚Planzeichnung‘ (von oben, von der Seite) kennen.
- SuS lernen die Begriffe Aussen- und Innenraum kennen.
- SuS lernen einfache Modellbau-Techniken kennen.
Reflektion
Ich freue mich sehr über die grosse Vielfalt an kreativen Arbeiten, die die 8 SuS in den 8 Wochen entworfen, gestaltet, erfunden haben.
Während der Umsetzung des Praktikums zeigte sich, dass ich ziemlich viel von den SuS verlangt habe, indem eine Einführung in architektonische Grundlagen gelehrt und gleichzeitig eine Befragung des eigenen Schulalltags verlangt wurde. Einige SuS waren mehr am Entwurf einer Villa oder eines Ferienhauses interessiert.
Ich erachtete es als vermittlerische Herausforderung, die Motivation der SuS für die Ausarbeitungstiefe der Projekte zu erhalten.
Die Skills, die Bedürfnisse und die Motivation der SuS waren sehr breit gefächert, sowie tagesabhängig. Stets spontan darauf zu reagieren und individuelle Herangehensweisen zu erörtern war intensiv, aber sehr lehrreich und spannend.
Ein grosses Anliegen meinerseits war es, auf die Ortsbezogenheit von Architektur zu fokussieren. Ich erachte es nach wie vor als ausserordentlich wichtigen Aspekt, insbesondere um ökologische Themen zu behandeln. Trotzdem würde ich bei einer erneuten Architektureinführung vermutlich eher abstrakter mit hohlen/vollen Räumen, Licht/Schatten, Proportion, Materialität usw. starten. Zudem würde ich die Aufgabe beim nächsten Mal geschlossener formulieren und z.B. drei reale Standorte für mögliche Interventionen vorschlagen, anstatt, dass die SuS ihren Kontext selbst suchen zu lassen.
Ich stellte während der Durchführung des Praktikums fest, dass eine spielerische herangehensweise an den Themenkomplex Architektur, die Komplexität verringern und den Zugang erleichtern kann. (zB. Cadavre Exquit mit Gebäuden).
Ich hatte einen wertvollen, sehr lehrreichen Austausch mit der Praxislehrperson Livio Martina und danke ihm für die tolle Unterstützung und Zusammenarbeit.