Die Kunstausstellung „Bits & Boobs: Eine feministische Ode an den Digitalismus“ von Sam Heller und Fabienne Lengweiler im Exhibition Lab in Kriens war eine Feier der Kunst als Mittel zur Schaffung von Veränderungen und zur Aufdeckung neuer Perspektiven. Hier präsentierten wir unsere Ansätze zur Verbindung von Digitalismus und Feminismus in einer Welt, in der Technologie und Gesellschaft unzertrennlich sind. Diese Ausstellung lud dazu ein, die Grenzen des Konventionellen zu überschreiten und in eine faszinierende Welt einzutauchen, in der Kunst, Technologie und Feminismus auf kreative Weise verschmelzen.
Exhibition Lab Kriens, Ausstellung und Workshops
Inhalt
Unsere Ausstellung erinnerte an ein Wohnzimmer, welches erst auf den zweiten Blick etwas irritierte. Alles darin enthaltene befasste sich mehr oder weniger direkt mit der Ethik im digitalen Raum, mit Sexualisierung von Körperteilen und Objekten und mit der künstlichen Intelligenz. In meiner Arbeit präsentierte ich weibliche Organe losgelöst vom Körper, entledige sie ihrer ursprünglichen Funktion und spreche ihnen neue Funktionen zu. Dabei spielt meine Arbeit mit zwei Aspekten. Zum einen bewirke ich durch das Loslösen vom Körper eine Entkontexualisierung und einer dadurch mögliche Entsexualisierung. Durch die neu zugesprochene Funktion gebe ich ihnen wiederum den sexuellen Kontext, der durch die gesellschaftliche Objektifizierung entstanden ist, indem ich Bezug auf gängige Klischees und Anmachsprüche nehme. Der Raum wurde absichtlich regelrecht aufgeladen mit diesen Themen. Dabei spielten wir mit billigen Klischees, welche beabsichtigt Diskussionen entfachten. Und da unsere Ausstellung heikle Themen und Darstellungen behandelte, entwarfen wir ein Programm, welches den Austausch und die Auseinandersetzung damit ermöglichte. Wir begannen mit ausführlichen Führungen und einer Performance zu «Pick-up-Lines». Des Weiteren gab es einen Vortrag zum Thema «Geschlecht und Identität in der Kunst» gefolgt von Workshops zu den Themen «AI and Porn» und «Sexualisierung von Körperteilen und Objekten». Abschliessend wurde bei einem partizipativen Vortrag die Erkenntnisse der vergangenen Veranstaltung aufgegriffen.
Lernziele und Beurteilungskriterien
Die Lernziele und Beurteilungskriterien variierten von Workshop zu Workshop.
- Die Besuchenden kennen Fakten zum Feminismus und zur Sexualisierung.
- Die Besuchenden diskutieren und reflektieren zum Thema.
- Die Besuchenden kennen ChatGPT.
- Die Besuchenden kennen die Basics einer Porn-AI.
- Die Besuchenden diskutieren und reflektieren zur Ethik im digitalen Raum.
- Die Teilnehmenden setzen sich mit dem Thema Sexualisierung von Körperteilen auseinander.
- Die Teilnehmenden beschäftigen sich mit ihrem eigenen Körper.
- Die Teilnehmenden lernen das Abformen von Körperteilen.
- Die Teilnehmenden kennen einige Fakten zur Farbtheorie und zur Farbmischung.
- Die Teilnehmenden diskutieren im Plenum zum Thema.
- Die Besuchenden kennen Fakten zum Thema Geschlecht und Identität in der Kunst.
Ablauf
Tag 1:
Am 16.06.2023 fand die Vernissage der Ausstellung «Bits&Boobs: Eine feministische Ode an den Digitalismus» statt. Nach ersten Blicken in die Ausstellung, Apero und Gesprächen führten wir gemeinsam durch die Ausstellung. Dabei gingen wir auf die einzelnen Werke, auf Beziehungen zwischen den Werken und auf für uns wichtige Aussagen und Herstellung ein. Viele Werke der Ausstellung wurden mithilfe einer künstlichen Intelligenz erstellt. Dafür benötigte es eine eigens eingespeiste Datenbank, die obszöne Inhalte verarbeiten konnte. Solche Hintergrundinformationen mitzuteilen war für uns wichtig, um den digitalen Bezug zu Sexualität und Sexualisierung aufzuzeigen. Während der Führung gab es immer wieder Fragen und Diskussionen zwischen uns und den Besuchenden. Anschliessend fand unsere Performance statt, wo wir uns am Tisch gegenüber sassen und uns emotionslos Anmachsprüche vortrugen. Die Reaktionen der Besuchenden waren extrem spannend, da viele anfangs aufgrund der Absurdität der Sprüche lachen mussten. Gegen Ende verstummten die Lacher meistens, was -wie wir von ihnen erfuhren- daran lag, dass ihnen erst dann auffiel, wie anmassend die Sprüche eigentlich waren. Durch die Vortragsart wurde dies auch noch unterstützt, da wir keine Emotionen vorgegeben haben.
Tag 2:
Am zweiten Tag gab es ein lockeres Programm mit musikalischer Untermalung, wo wir einfach die Gespräche und das Zusammensein zelebriert haben. Es war ein sehr geschützter und intimer Rahmen, der uns -wie wir fanden- noch mehr persönliche und interessante Gespräche während einer Führung ermöglichte.
Tag 3:
Tag 3 bestand aus einem sehr interessanten Vortrag zum Thema «Geschlecht und Identität in der Kunst» von Sandro Weilenmann. Er macht gerade seinen Doktor zu diesem Thema und gab uns mit seiner Präsentation einen Einblick in seine Studien. Er fing an mit den ersten feministischen Kunstaktionen von beispielsweise Valie Export und führte uns dann weiter bis hin zu den neusten Folgen der Netflix-Serie «Black Mirror», wo er -passend zu unserer Ausstellung- den Bogen zum Digitalismus machte.
Tag 4:
Am darauffolgenden Freitag fand ein Walk-in-Workshop statt, wo das Thema «AI and Porn» behandelt wurde. Es wurde sehr stark über die Ethik im digitalen Raum diskutiert, wobei Pros genannt wurden, wie die Möglichkeit zur Eindämmung von pädophilen Handlungen, oder der Tatsache, dass dabei keine Menschen zu Schaden kommen. Contra-Positionen wie das Inspirieren zu abartigen Handlungen, oder auch die Verstärkung von pädophilen Vorstellungen wurden auch genannt. Auch unsere digitale Assistentin Chat GPT hatte folgendes zu sagen:
Vorteile einer Porn AI:
- Personalisierung: Eine Porn AI kann auf individuelle Vorlieben und Präferenzen der Benutzer eingehen und personalisierte Inhalte erstellen, die besser zu deren Interessen passen.
- Kreativität: Eine Porn AI kann neue und innovative Inhalte generieren, die über das hinausgehen, was bisher verfügbar ist. Das kann zur Bereicherung der erotischen Unterhaltung beitragen.
- Anonymität: Die Nutzung einer Porn AI kann die Anonymität der Benutzer bewahren, da sie keine echten Personen involviert. Das kann für einige Menschen ein wichtiger Faktor sein.
Nachteile einer Porn AI:
- Ethik und Missbrauch: Eine Porn AI kann dazu verwendet werden, um gefälschte Pornografie herzustellen, bei der das Gesicht von Personen in unzulässiger Weise verwendet wird. Dies kann zu schwerwiegenden ethischen Bedenken und Missbrauch führen.
- Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen: Wenn Menschen vermehrt auf Porn AI zurückgreifen, um ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen, könnte dies Auswirkungen auf ihre zwischenmenschlichen Beziehungen haben. Es könnte zu einer Abnahme der Intimität und des Interesses an realen Beziehungen kommen.
- Unrealistische Darstellung von Sexualität: Pornografie ist bekannt für ihre unrealistische Darstellung von Sexualität. Wenn eine Porn AI diese Inhalte generiert, kann dies zu noch weiter verzerrten Vorstellungen von Sex und Körperbildern führen.
- Datenschutz: Die Nutzung einer Porn AI kann mit Datenschutzrisiken verbunden sein. Benutzer müssen möglicherweise persönliche Daten preisgeben, um die AI zu nutzen, und es besteht das Risiko, dass diese Daten in falsche Hände geraten oder missbraucht werden.
Das austesten der Porn AI «Mage» ergab sehr spannende Reaktionen, da einige dann doch relativ ungehemmt Dinge vorgeschlagen, zuvor jedoch die negativen Seiten einer Porn AI aufgezählt haben. Andere wiederum haben sich fast nicht getraut, was zu sagen. Die Haltungen zur Porn AI haben sich in einer abschliessenden Diskussion dann teils verändert, sind teils aber auch gleich geblieben. Dazwischen gab es dann auch noch eine Performance von Sam Heller zum «Letzten Einhorn». Es handelt sich um ein Ereignis in ihrer Laufbahn als Schreinerin, als sie in einem Baumarkt stark unterschätzt wurde und daraufhin das letzte Einhorn tötete, da auch das Einhorn ein Chauvinist war, das es sich nur von unschuldigen Jungfrauen einfangen liess.
Tag 5:
Am 5. Tag traf sich eine kleine Gruppe bereits Nachmittags zu einem Workshop im Exhibition Lab. Gestartet wurde mit einer Vorstellungsrunde, wo sich die Teilnehmenden mit einem Objekt ihrer Wahl vorstellen sollten. Denn bei diesem Workshop ging es um die Objektifizierung und Sexualisierung von Menschen und deren Körperteilen. Anschliessend führte ich durch die Ausstellung, um in das Thema einzuführen. Die Hintergründe und Macharten der Werke wurden aufgezeigt, um daraufhin den Bogen zur Künstlichen Intelligenz zu ziehen, welche bei diesem Workshop Fragen beantwortete und half eine Auflistung zu den sexualisierten Körperteilen zusammenzustellen.
Nach der Diskussionsrunde zwischen Mensch und Maschine wechselten wir dann rüber in den Garten, wo ich schon alles bereit gestellt hatte, um Abdrücke zu erstellen. Angekommen sammelten wir nochmals kurz die genannten Körperteile auf einem gezeichneten, neutralen Menschen. Die Teilnehmenden hatten daraufhin Zeit sich Körperteile auszuwählen, die bei ihnen schonmal sexualisiert wurden, sie selbst schon mal sexualisiert haben, oder generell sexualisiert werden. Nach einer kurzen Einführungs- und Testphase in das Abformen mit Gips, oder Alginat besprach ich mit jeder Person das Vorhaben, um die geeignetste Abform-Methode zu erschliessen.
Danach war Zeit für eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Körperteil, da sie es durch das Abformen nicht nur genau betrachten, sondern auch berühren mussten. Das anschliessende Giessen mit Gips brachte dann die Entkontextualisierung vom Körper voran, da es «nur ein Finger» war.
Es wurde dann geschliffen und präpariert. Dann gab es eine kurze Einführung in die subtraktive Farbtheorie, damit alle auf dem gleichen Stand sind. Dafür habe ich Becher mit Lebensmittelfarbe in den drei Grundtönen vorbereitet, welche dann gemischt wurden.
Basierend auf den Grundtönen wurde dann nämlich auch der eigene Hautton mit Acryl gemischt, welcher auf die Gips-Rohlinge aufgetragen wurde. Eine abschliessende Diskussion ergab viele neue Erkenntnisse zum Thema, denn den meisten waren die Ausmasse der Sexualisierung nicht bekannt. Sie bekamen nicht nur ein breiteres Wissen zum Thema, sondern auch einen anderen Bezug zu den Körperteilen, durch deren Loslösung vom Körper.
Am Abend gab es dann zur Bellpark-Nacht (die Krienser Museumsnacht) etliche Führungen und einen partizipativen Vortrag von mir zu den Workshop-Ergebnissen. Dabei wurde auch ChatGPT zu diesen Themen befragt und man konnte die AI auf sich selbst anwenden.
Tag 6:
Am letzten Tag fand dann die Finissage statt. Die Besuchenden waren eingeladen an einer Führung teilzunehmen, Diskussionen mit uns und den anderen Besuchenden zum Thema zu führen und auch mit ChatGPT zu sprechen. Sam und ich schlossen das Ganze dann mit einer erneuten Performance zu den Anmachsprüchen ab.
Reflexion
Wir waren begeistert, wie viele Menschen unsere Ausstellung besucht haben. Zu jedem Anlass durften wir eine gute Menge an Personen begrüssen, welche interessante Inputs gebracht und mit uns diskutiert haben. Die Rückmeldungen waren alle sehr positiv. Viele kamen, aufgrund des abwechslungsreichen Programms, sogar mehrmals zur Ausstellung. Allerdings muss man auch sagen, dass das Anwerben von Leuten extrem mühsam war und fast den grössten Teil der Vorbereitung eingenommen hat. Nur durch viel Instagram Werbung, Websiten-Content, Flyer verteilen, Plakate aufhängen, private Whatsapp-Nachrichten und Mund-zu-Mund-Propaganda war es uns möglich, unsere Ausstellung mit anderen Menschen zu teilen. Alles in Allem hat es sich aber definitiv gelohnt und wir sind sehr glücklich mit dem Ergebnis.