Mithilfe der Fotografie und einem persönlichen Objekt die Umwelt genau beobachten – eine Kollaboration von Mensch, Gegenstand und Umwelt.
Abstract
Mein drittes Praktikum fand an der Atelierschule in Zürich statt. Die Praktikumslehrperson bat mich, eine Einführung in die technischen Basics der Fotografie und in die Bildgestaltung in meinen Unterricht miteinzubeziehen. Ausgangspunkt für die technischen Übungen, die Hauptübung und die Nebenübung war jeweils ein persönliches Objekt, das die SuS mitgebracht hatten. Ziel der zwei Wochen war es, das Beobachten der Umgebung zu fördern und zu der Situation passend einzugreifen. Das heisst, den eigenen Gegenstand bewusst in einer beobachteten Szenerie zu platzieren und die Fotografie als Werkzeug zu nutzen, diese Situation mit ästhetischer Absicht wiederzugeben.
Bedingungs- und Sachanalyse
Die Schwerpunktfachklasse zählte zu dem Zeitpunkt meines Praktikums zehn SuS. Das Praktikum fand an sechs Nachmittagen während zwei aufeinanderfolgenden Wochen statt. Die zwei Wochen mit mir waren für die SuS die erste gemeinsame Erfahrung in ihrem Schwerpunktfach Bildnerisches Gestalten. Wie im Abstract schon erwähnt, sollte ich in diesen zwei Wochen die Fotografie behandeln. Meine Praktikumslehrperson meinte, dass dieses Medium für die SuS sehr wichtig ist – sei es für die Dokumentation von Arbeiten oder als Werkzeug für eigenständige Arbeiten. Für mich war klar, dass wir uns in dieser kurzen Zeit des Praktikums nur mit der digitalen Fotografie beschäftigen konnte. Wichtig war mir, dass die SuS viel Zeit für das Bildermachen hatten. Die Atelierschule konnte mir sechs Spiegelreflexkameras zur Verfügung stellen, weitere vier lieh ich von der HSLU aus. Die Schule besitzt fünf Mac Pros, auf denen die SuS die gemachten Bilder gross anschauen und schlussendlich auch eine Auswahl für die finale Serie treffen konnten. Sie wechselten sich mit der Benützung der Computer ab. Einer der Macs war an einem Inkjetprinter angeschlossen, mit dem die ausgewählten Fotos ausgedruckt wurden.
Neben dem Vermitteln von technischem Wissen und der Stärkung von Fähigkeiten in der Bildbetrachtung sowie der Bildproduktion, war ein weiteres Ziel dieses Praktikums, ökologische Gedanken zu thematisieren. Dies versuchte ich zu einem durch die genaue Beobachtung der Umwelt in der Hauptaufgabe und zum andern mit dem Versuch, die Welt aus der Sicht eines Objektes zu sehen in der Nebenaufgabe zu erreichen.
Ablauf
Erster Teil
Vorab bat ich die SuS einen persönlichen Gegenstand auszusuchen und diesen dann in der ersten Lektion mitzubringen. Sie sollten eine Verbindung zu diesem Gegenstand haben; ich schrieb: „Er soll Euch interessieren, faszinieren oder mit einem Thema zu tun haben, das Euch beschäftigt. Ein solches Objekt könnte zum Beispiel sein: eine Teekanne, ein Seidentuch, ein Tennisschläger, ein Skateboard, ein Pullover, Strandgut, ein Stofftier, eine Zimmerpflanze, ein Keyboard usw.“
An unserem ersten Treffen stellten sich die SuS vor, erzählten, welche Erfahrungen sie mit Fotografie haben und warum sie ihren Gegenstand mitgenommen haben. Auch ich stellte mich vor und zeigte einige meiner künstlerischen und fotografischen Arbeiten.
Im ersten theoretischen Input sprach ich über die technischen Basics der Fotografie: Über die Blende, die Verschlusszeit sowie der ISO Wert und wie diese zusammenhängen bzw. wie sie sich beeinflussen. Zudem zeigte ich, was unter Brennweite zu verstehen ist. Ich präsentierte eine Folie mit Beispiel- und Vergleichsbildern und Grafiken. Gleichzeitig demonstrierte ich das Erzählte an einer analogen Spiegelreflexkamera und machte sogleich den Bezug von der digitalen Fotografie zur analogen Fotografie.
Der Schwerpunkt des zweiten theoretischen Inputs lag auf den Bildaufbau, dem Arrangement und dem Licht. Dafür zeigte ich auf dem Beamer viele unterschiedliche Fotografien: von klassischen Bildern der Fotogeschichte, bis zu aktuellen Arbeiten von zeitgenössischen Künstler*innen. Der Unterricht verlief im Plenum, in dem wir gemeinsam über folgende Fragen sprachen:
Wie wirkt das Bild?
Was für ein Gefühl löst es bei Dir aus?
Wie ist das Licht?
Wie sind Gegenstände abgebildet und wie wirken die auf Dich?
Wie könnte der Bildaufbau die Aussage des Bildes unterstützen?
Die erste Übung war technischer Natur. Die SuS sollten im Schulzimmer Bilder mit ihren mitgebrachten Gegenständen machen. Es ging zum einen darum, die Kamera kennenzulernen und zum andern darum, Gehörtes und Gelerntes aus den theoretischen Inputs anzuwenden.
In einem weiteren Input zeigte ich fotografische Positionen in der zeitgenössischen Kunst. Auch hier wurde während der Präsentation und im Nachhinein gemeinsam darüber gesprochen.
Zweiter Teil
Nebenübung
Am Tag bevor ich die Hauptübung einführte, erhielten die SuS eine Hausaufgabe: Sie sollten die Perspektive wechseln und sich eine Geschichte aus der Sicht ihres Gegenstandes überlegen. Wie sieht er die Welt? Kann er überhaupt sehen, hören, fühlen? Wo wurde er geboren? Was hat er erlebt? Was denkt er über die Menschheit? Gleich zu Beginn der nächsten Lektion erzählten sich die SuS gegenseitig ihre Geschichten. Danach erklärte ich, weshalb wir diese Übung machten: «Zum einen kann sie für die Bildfindung der darauffolgenden Hauptübung hilfreich sein. Und zum andern glaube ich, dass die anthropozentrische Weltansicht schon sehr viel Schaden auf der Erde angerichtet hat. Klar, wir sind nun mal Menschen und die meisten von uns kennen nur diese Sichtweise, aber ich bin mir sicher, dass der Versuch, so zu sehen oder zu fühlen, wie ein Objekt oder ein anderes Lebewesen es tut, unsere Art und Weise wie wir handeln beeinflussen kann – und das nicht nur zugunsten von menschenzentrierten Interessen.»
Hauptübung
Formales Ziel der Hauptübung war es, eine Fotoserie von drei bis sieben Bildern zu erstellen und diese auf dem Inkjetprinter auszudrucken. Zudem sollten sie einen passenden Titel zur Serie finden. Zum Inhalt: Auf den Bildern sollte der eigene Gegenstand in einer vorgefundenen oder arrangierten Situation inszeniert werden. Für die Suche nach geeigneten Orten gab es keine Einschränkung. Die SuS sollten gut beobachtend durch die Gegend streifen und sich überlegen, welcher Ort zu ihrem Gegenstand passt oder wie sie ihn passend machen können. Danach sollte das Objekt platziert und einen Blickwinkel gefunden werden. Schliesslich sollte die Szene fotografiert werden. Es sollte eben keine isolierte, studio-ähnliche Situation, sondern vielmehr eine Kollaboration zwischen ihnen, ihrem Gegenstand und der Umwelt sein. Auch hier erklärte ich, weshalb wir diese Übung machten: «Die genaue Beobachtung der Umwelt macht einen aufmerksam auf kleine Details, Lichtsituationen, leichte Veränderungen usw. Und wenn Ihr es schafft, Euer eigenes Objekt passend zu den gegebenen Umständen zu platzieren und dieses Situation so als ästhetisches Bild einzufrieren, dann bin ich mir sicher, dass diese Kollaboration das Bewusstsein und den Respekt für die Umwelt erhöht.» Die SuS hatten dann zweieinhalb Nachmittage Zeit, ihre Fotoserie zu erstellen. Ich bat ihnen im Schulzimmer sowie draussen meine Hilfe an. Zwischendurch zeigte ich einen letzten Input am Beamer – diesmal zum Thema Fotoserien. Nachdem die SuS ihre Bilder auf den Computer kopiert und ihre Auswahl der Fotos getroffen hatten, sollten sie diese ausdrucken und dann im Schulzimmer – einer Ausstellung ähnlich – aufhängen. Als Abschluss schauten wir uns jede einzelne Serie an und sprachen darüber.
Als weitere Nebenaufgabe bat ich die SuS, eine Bildrecherche zu betreiben. Sie sollte zur Kontextualisierung und zur Bildfindung helfen. Der Auftrag dazu lautete wie folgt: Wie wurde Dein gewählter Gegenstand (oder ein ähnlicher Gegenstand) bereits fotografisch dargestellt? Was gibt es bereits? Sammle Fotos dazu in Zeitungen, Magazinen, Bücher, Instagram, Internet, Fotoalben etc. Diese Bildrecherchen schaute ich einzeln mit den SuS an.
Ziele
- Kenntnis von den Basics der Fotografie zu erarbeiten.
- Gedanken zu einem Bildaufbau gemacht zu haben.
- Eigener Gegenstand bewusst in eine Szenerie zu platzieren. Fotografie als Werkzeug zu nutzen, diese Situation mit ästhetischer Absicht wiederzugeben.
- Beobachten der Umgebung zu fördern – und zu der Situation passend einzugreifen.
- Sich mit der Produktion von Bildserien auseinandergesetzt zu haben.
- Über eigene Interessen zu sprechen und diese für kreative Arbeit zu nutzen.
Reflexion
Dieses Praktikum bereitete mir unglaublich viel Freude! Ein wichtiger Faktor war, dass ich viele meiner eigenen Interessen und Erfahrungen im künstlerischen Schaffen mit einbauen konnte. Mindestens so wichtig waren jedoch zum einen auch die positive Art und Weise, wie meine Praktikumslehrperson mir viel Freiraum liess und mir gleichzeitig konstruktive Kritik gab und zum andern die motivierte Klasse selbst. Mir ist bewusst, dass eine solche Situation nicht alltäglich für eine LP auf Sek II ist: eine Klasse von nur zehn SuS, die unglaublich motiviert und talentiert sind. Da mein erstes Praktikum coronabedingt nur digital und das zweite nicht auf der Zielstufe Sek II stattfand, war ich sehr froh zu merken, dass es mir gut gelingt, vor einer Klasse zu stehen und mit ihnen zu arbeiten.
Ein genialer Moment war, als wir im Plenum über verschiedene Fotografien bezüglich dem Bildaufbau und der Wirkung sprachen. Es war toll zu sehen, wie alle SuS immer mehr trauten zu sagen, was sie dachten und so wundervolle Diskussionen innerhalb der Klasse entstanden.
Probleme tauchten bei der Technik auf: Der Tintenstrahldrucker funktionierte nach etwa der Hälfte der zu druckenden Fotoserien immer schlechter und schlussendlich dann gar nicht mehr. Die verbleibenden Serien druckten wir dann notgedrungen mit dem Laserdrucker aus – doch das Ergebnis war nicht überraschend eine Enttäuschung.
Ein anderer Punkt, über welchen ich im Nachhinein noch viel nachgedacht habe und auf den ich mit mehr Zeit sehr gerne noch tiefer eingegangen wäre, ist hinsichtlich ökologischen Fragen das Objekt der SuS an sich als materieller Gegenstand mehr zu untersuchen. Auch das Ziel, in dem Praktikum ökologische Themen anzusprechen, war ein wenig hochgesteckt. Wir waren mit allem anderen schon genug beschäftigt. Nichts desto trotz glaube ich, dieses Setting hätte das Potential, auch die Ökologie zu thematisieren.
Für dieses Praktikum habe ich viel Zeit mit der Vorbereitung verbracht. Aber es hat sich gelohnt. Ich glaube, der Aufbau der gesamten zwei intensiven Wochen, sowie der Inhalt und die Aufgaben selbst sind mir gelungen. So konnte ich mich gut auf die einzelnen SuS einlassen und mit ihnen gemeinsam zu denken.
Präsentationen
Arbeiten von SuS