ABSTRACT
Der ungewöhnliche Titel deutet auf meine Schwerpunkte: Objektstudium weist auf die Lerninhalte und die Grobziele gem. Lehrplan hin. Abfallforschend steht für den Themenschwerpunkt und die Methode Ästhetischer Forschung. Agiles Angehen schliesslich, deutet auf eine selbst gestellte Unterrichtsvorgabe, nämlich auf die bewusst gewählte und angewandte «agile Didaktik» (nach Christoph Arn).
Vom 23. April bis 2. Juli 2021 unterrichtete ich im Rahmen meines 3. Praktikums an einer FMS 1 der Kantonsschule Sursee 11 Schülerinnen und 4 Schüler, die später ein Primarlehrer/innen-Studium anstreben.
INHALT
Die oberste Priorität meines Unterrichtskonzepts bildete der FMS 1 Lehrplan und die im letzten Quartal fälligen Lerninhalte und Grobziele.
FMS 1: Grobziele
Arbeitsbereich «A»: GRAFIK/FORM
– grundlegende optische Erscheinungen begreifen und deren Möglichkeiten der Darstellung anwenden, differenziert wahrnehmen und beobachten.
– Beobachtetes und Erlebtes bildnerisch umsetzen
– Bildwirkungen erkennen und erzeugen
FMS 1: Lerninhalte
– Mit einfachen grafischen Mitteln umgehen lernen: Punkt, Linie, Fläche, Struktur, Textur, Helldunkel-Modulierung, Licht und Schatten, Umriss und Binnenformen
– Objekt- und Naturstudium üben
– individuelle Bildsprache entwickeln
– Komposition, Hell/Dunkel
– zeichnerischer Ausdruck
Es war von Anfang an klar, dass ich in 8 Doppellektionen nur einzelne Aspekte der Methode «Ästhetischer Forschung» nach Helga Kämpf Jansen werde berücksichtigen können. Mit dem von mir vorgegebenen Oberthema Abfall, das allgegenwärtig ist, konnten die Jugendliche leicht abgeholt werden. Es ist ein Thema, das persönlich angegangen werden kann UND das sich auch für die Umsetzung der zeichnerischen und gestalterischen Forderungen des Lehrplans eignet.
In der Fachdidaktik wurden wir auf das Buch «Agile Hochschuldidaktik» von Bildungswissenschaftler Christoph Arn hingewiesen. Seine didaktische Ansätze – welche durchaus auf Sekundarstufe II, aber teilweise auch schon in unteren Stufen eingesetzt werden können (und es meiner Meinung nach sollten!) – bestätigten mir, dass das, was ich in vielen Jahren Unterricht unbewusst anwendete durchaus gerechtfertigt ist. In einem Satz: mit der Grobplanung im Hintergrund, wahrnehmen, was im Klassenzimmer läuft und das Unterrichten «agil angehen», das Vorgehen also laufend anpassen. So habe ich in diesem Praktikum bewusst nicht alles bis ins letzte Detail geplant und bin auch spontanen Eingebungen gefolgt. Das barg Risiken, aber auch Chancen. Die Methode der agilen Didaktik habe ich erst ganz am Schluss rückblickend erwähnt.
LERNZIELE UND BEURTEILUNGSKRITERIEN
Das zeichnerische Ergebnis (die aussagekräftige Bleistift-Zeichnung auf A3 nach eigener Komposition) zählte angesichts der projektartigen Unterrichtsform bei der Beurteilung nur zur Hälfte.
Der Arbeitsprozess wurde gleichwertig beurteilt. Dazu gehörte die persönliche Auseinandersetzung mit der Forschungsfrage und deren Umsetzung, aber auch die Dokumentationsskizzen und die Übungen in der Entwurfsphase.
ABLAUF
Der Unterrichtsablauf wird in diesem Bericht entlang der drei gewählten Unterrichtsschwerpunkte aufgerollt.
Ästhetische Forschung
Mit dem kurzen Video «ästhetische Forschung» wurde die Methode eingeführt. Anhand des Aufgabenblattes «ABFALL, ein zeichnerisches Forschungsprojekt» (PDF) erläuterte ich die 3 Schritte, die wir im Rahmen des Praktikums vor allem im Einstieg berücksichtigen würden: 1. die individuelle Forschungsfrage, 2. Forschen, Sammeln, Erfahren und 3. Material aufbereiten. Dort sind auch die entsprechende (Haus-) Aufgaben und der Terminplan ersichtlich. Das Präsentieren und Reflektieren (Schritt 4 und 5) sollte uns durch das ganze Praktikum hinweg begleiten.
Natur- und Objektstudium
Die meiste Unterrichtszeit sollten die Schüler/innen für das Natur- und Objektstudium und für die damit verbundenen Ziele verwenden. Dazu gehörte die Inszenierung der von ihnen zu ihrer Forschungsfrage gesammelten Objekte sowie Übungen zu Komposition und Arbeiten mit dem Motivsuchrahmen, zu Hell-Dunkel und Zeichnen mit dem Bleistift und nicht zuletzt zu Beobachtung und kritische Auseinandersetzung mit dem Thema und dem gewählten Motiv. Nach einem kurzen Input wurden die Schüler/innen meist individuell begleitet. Die 5. bis 7. Lektion wurden ausschliesslich der Zeichnung A3 gewidmet.
Agile Didaktik
Agil zu unterrichten ist nicht einfacher als nach Plan! Die Vorbereitung ist aufwendiger, es braucht Pfeile im Köcher (die man u. U. nicht verwendet) man muss als Lehrperson bereit sein abzuweichen, Risiken einzugehen im Wissen und Vertrauen, dass der Unterricht dadurch besser wird, wenn die Wünsche, Bedürfnisse oder unerwartete Inputs der Schüler/innen wahrgenommen UND aufgenommen werden. Ablaufänderungen, die z.B. aus organisatorischen (stundenplantechnischen) Gründen entstanden, habe ich jeweils als Chancen betrachtet.
REFLEXION
Auf der einen Seite war es eine Gratwanderung, so vieles in ein Praktikum packen zu wollen, auf der anderen Seite auch ein Glück, dass mich die Praxislehrperson experimentieren liess.
In den schriftlichen Rückmeldungen der Schüler/innen zeigte sich, dass sie die Freiheit der Objektwahl geschätzt haben und auch zeichnerisch einiges mitnehmen konnten. Für einzelne war die Umsetzung der Forschungsfrage aber zu komplex, es hätte viel mehr Zeit gebraucht.
Den Schüler/innen wurden viele Freiheiten gegeben (oder zugemutet?). Dies scheint mir auch auf dieser Stufe noch recht schwierig: Um Entscheidungen treffen zu können, braucht es Erfahrungswerte, Eigenbeobachtung und Selbstreflexion. Softskills, die selbstverantwortliches, forschendes arbeiten ermöglichen, müssten wohl schon in früheren Jahren beigebracht und geübt werden. Im BG aus Sekundarstufe II bleibt neben den fachlichen Anforderungen des Lehrplanes kaum Zeit für solche Prozesse.
Die Beurteilung empfand ich anspruchsvoll, trotz der detaillierten Kriterien, die diese Form der Beurteilung bedingten.
Ich habe in diesem Praktikum zwar versucht bewusst agil zu unterrichten, aber das Potential habe ich noch längst nicht ausgeschöpft und es erfolgte nur im bescheidenen Rahmen. Ein Vorteil davon war aber auf jeden Fall, dass ich mich nicht selber mit einem minutengenauen Plan unter Druck setzte und das Unterrichten so noch viel mehr Spass macht. Die angedachte Herstellung eines «Fanzines» mit Kopien aller Zeichnungen habe ich im Rahmen agiler Didaktik, in Anbetracht des Themas (Abfall!) und in Absprache mit den Schüler/innen weggelassen. Wir haben hierfür ein neues Format entwickelt, das «Digitalfanzine» oder kurz PDF ;-). Es eignete sich gut, um im Rahmen des Rückblicks das Projekt gemeinsam zu betrachten und die Arbeiten zu kommentieren.
QUELLENNACHWEIS
Arn, Christoph: Agile Hochschuldidaktik. Weinheim, 2020
Bianchi, Paolo: Theorien des Abfalls. Kunstforum International, Bd. 167. Ruppichteroth 2003
Franke, Annette: Aktuelle Konzeptionen der ästhetischen Erziehung. München, 2007
Kämpf-Jansen, Helga: Ästhetische Forschung. Wege durch Alltag, Kunst und Wissenschaft. Köln, 2001.
Penzel, Joachim: Integrale Kunstpädagogik. Martin Luther Universität Wittenberg. http://www.integrale-kunstpaedagogik.de/ [Zugriff: 20.03.2021]
Penzel, Joachim:Ästhetische Forschung. ikp_movie #006 – 2018 – 4:30 min.
https://www.youtube.com/watch?v=VUucnd6Nvxw [Zugriff: 20.03.2021]
Petry, Michael: Nature morte: Stillleben in der zeitgenössischen Kunst. München, 2013