Linoldruckprojekt mit 3. Klasse am Kunstgymnasium Liceo Artistico Zürich
Abstract
Drucktechniken sollen angeblich vor allem bei Mädchen beliebt sein. Wenn dazu aber das eigene Hobby thematisiert werden darf, also z.B. auch Sport, dann sind auch die Jungs voll dabei. Der Lebensweltbezug ist somit in diesem Thema auf natürliche Weise gegeben. Ein wunderbares Buch von Lill Tschudi, «Die Faszination des modernen Linolschnitts,» hat mich zusätzlich inspiriert, Bewegung im Bild zu thematisieren. In diesem Zusammenhang kam die Schlussfolgerung auf, die eigenen Hobbys der SuS als Kreis-Bewegungs-dynamik zu erarbeiten, ähnlich dem roten Kreisdruck von Lill Tschudi (unten). Zusätzlich interessant ist der plakativ wirkende Illustrationsstil, welcher in der schwarz-weiss Reduktion angelegt ist. Anhand davon kann das Plakative in der Druckgrafik thematisiert werden.
Sachanalyse
Begründungsanalyse
Der analoge Vorgang der Linoldrucktechnik scheint womöglich etwas altmodisch zu sein. Beginnt man sich allerdings mit Hoch- und Tiefdrucktechniken zu befassen, kann man deren handwerkliche Faszination entdecken und darin eine eigene, aktuelle Bildsprache entwickeln. (Heutige Linolplatten sind auch nicht mehr so frustrierend hart wie die braunen von früher. Die Verletzungsgefahr minimiert sich dadurch.) Durch das Verständnis einer Drucktechnik (in unserem Fall Linoldruck), kann man weitere Druckverfahren im Umfeld besser erkennen und im besten Fall Handarbeit von digitaler Arbeit unterscheiden. Gleichzeitig behalten Schüler*innen den Zugang zu analogen Techniken und lernen zum Beispiel deren «Qualität des Unperfekten» zu schätzen.
Die Auseinandersetzung mit der grafischen oder plakativen Bildsprache ist ein wichtiges gestalterisches Stilmittel, welches in alle gestalterischen Felder einfliessen kann. Es geht dabei um die Vereinfachung von Linien und Flächen, um eine klare Anordnung von Bildelementen, die dann von weitem erkennbar und wirkungsvoll werden. Jugendliche sind sich gewohnt Werbeflächen und ihre Botschaften schnell zu erfassen. Aber sind sie sich dessen bewusst, weshalb Etwas von weitem gut lesbar ist? Oder wieso gewisse Stilmittel eindringlich wirksam und damit sogar manipulativ wirken können? Wieviel muss von einer Ideenskizze weggelassen werden, wieviel Information muss verdeutlicht werden, damit die Botschaft klar hervortritt?
Ob die Schüler*innen später in Werbeagenturen Plakate und Broschüren gestalten oder an einem Bühnenbild werken, ob sie eine Webseite für ihre Firma kreieren oder einfach einen Flyer layouten – bei zahlreichen Tätigkeiten ist ein gewisser plakativer Blick hilfreich, um sich in die Distanzhaltung des Betrachters hineinversetzen zu können, der die Botschaft lesen und verstehen soll, damit sie ihm näher kommen kann.
Und los geht’s!
1. Bringe Fotos Deines Hobbys mit
Da das Foto als Vorlagebild die Ausgangslage für das ganze Linolprojekt ist, sollte es bereits bestimmten Kriterien entsprechen, die in Richtung der Aufgabenentwicklung gehen. Dieses Aufgabenblatt macht deutlich, dass das Foto z.B. eine spannende Bewegungsdynamik aufweisen sollte.
2. Was ist mit Dynamik gemeint?
Der Begriff der Dynamik ist vielfältig und er ist nicht immer leicht zu beschreiben. Dynamik kann statisch oder kinetisch sein, und sie lässt sich im Sport finden, im Tanz, in der Architektur, im Design, aber auch in der Musik und den Naturwissenschaften. Weiter unten ist deshalb ein Übungsblatt, welches in alle diese Disziplinen einen kleinen Einblick gibt. Bei der letzten Übung, der Musik-Dynamik, können auch die Schüler*innen selbst drei Lieder mit unterschiedlicher Tempodynamik mitbringen, und sich gegenseitig vorspielen, um dann ungefähr die richtige Tempo-Kategorie zu erraten.
Illustration von Christoph Niemann (links) und Werbung von Munz
3. Die Aufgabenentwicklung für das Kreisformat
Es ist nicht ganz einfach ein Motiv der Kreisdynamik anzupassen. Aber auch nicht unmöglich. Das folgende Aufgabenblatt ist dazu eine hilfreiche Stütze. Und auf der Rückseite stehen die Kriterien zu dieser Arbeit.
Als gutes Hilfsmittel haben sich silberbeschichtete Glühbirnen erwiesen. Auch einen Türspion und ein Fischauge-objektiv hatte ich dabei, um die Kreisspezifische Verzerrung und auch die Kameraoptik verständlich zu machen. Es gibt einige Fischauge-Apps, die man natürlich ebenfalls benutzen könnte. Wir sind allerdings bei den analogen Hilfsmitteln geblieben.
Auch diese Arbeitsblätter waren hilfreich, um den Linoldruck zu entwickeln. Kreissegmente zur bewussten Setzung des Motivs im Kreis, Möglichkeiten der Flächenbearbeitungen und verschiedene Lösungen für den Kreisrand.
4. Druckgeschichte
In einem Vortrag habe ich zuerst die Druckgeschichte überflogen, um einen Überblick über verschiedene Hoch-und Tiefdruckverfahren und deren maschinelle Techniken zu ermöglichen: vom Buchdruck, über die Lithografie, Kupferradierung, Holzdruck, Siebdruck, Offsetdruck, Laserdruck, bis hin zu unserem Linoldruck (nicht linear).
In einem zweiten Teil habe ich über kunstgeschichtliche Beispiele geredet: Bekannte Vertreter der Drucktechniken sind Toulouse Lautrec, Felix Valloton, viele japanische Künstler, darunter Katsushika Hokusai und seit der Dokumenta 15 auch das Kollektiv Taring Padi. Sicherlich finden sich in Plakatsammlungen zahlreiche weitere Namen – und wenn wir schon bei der Plakatkunst sind – ein paar frische Zeitgenossen sind beispielsweise Illustratoren wie Casarramona oder Loizo, die dann allerdings meist digital drucken.
5. Der Linolschnitt und Druck
Die braunen Linolplatten von Gerstaecker sind nicht mehr so hart, wie sie früher waren. Die Schüler*innen hatten grösstenteils Freude an diesem Handwerk. Nur zwei waren darunter, die sehr langsam und fast übervorsichtig gearbeitet haben. Für den Druck stand uns eine ähnliche Rollpresse zur Verfügung, wie hier im Bild. Aber es geht notfalls und mit etwas Übung auch von Hand, bzw. mit grossen Rollen, oder eine steife Platte drauflegen, auf die man sich dann mit dem ganzen Körpergewicht drauf stellt.
Wenn Das Bild im Kleinformat (z.B. als Logo) gut wirkt, dann ist es plakativ. Nicht alle Motive sind gleichermassen plakativ gelungen. Auch die unterschiedliche, handwerkliche Sorgfalt ist in diesen Beispielen zu sehen. Leider blieb uns die Zeit nicht, um mehr Farbdrucke zu realisieren. Man könnte die Motive natürlich auch mehrfarbig und leicht verschoben drucken, wie in diesem Beispiel.
6. Bewertung
7. Reflexion
Bei diesem Projekt nimmt die Motiventwicklung einen grossen Teil in Anspruch. Was sich bewährt hat, ist ein derartiges Motiv auf A3 zu entwickeln, denn obwohl man mehr Material aus der Linolplatte schneiden muss, so geht es letztlich schneller voran, weil das Ganze grosszügiger ist. Das Ausschneiden von winzigen Details auf A4 kann ungenau und somit zum Frust werden. Die neuartigen Gummimaterialen sind für A3 Formate zu weich und zu brüchig. Es empfiehlt sich die klassischen Linolplatten zu nehmen.
Auf jeden Fall muss auch damit gerechnet werden, dass einige SuS sehr langsam auskratzen. Eine zusätzliche Druckaufgabe ist deshalb für die Schnelleren bereitzuhalten.
Die Aufgabenentwicklung wird in diesem Fall anhand der ersten beiden Arbeitsblätter eher geschlossen geführt, weil viele Faktoren zu beachten sind. Allerdings beinhaltet die Aufgabe auch Öffnungen, damit die Schüler*innen individuelle Bilder hervorbringen können, nämlich durch ihre persönliche Motiv-Inszenierung und deren komplexe Verzerrung im Kreisformat . Auch das schwarz-weiss-Verhältnis braucht viele Entscheidungen, die letztlich in einem persönlichen, illustrativen Stil münden.
Für die kurze Praktikumsdauer war das Alles schon Herausforderung genug. Ich hätte mir gewünscht noch mehr Zeit für Farbdrucke zu haben. Auch ein mehrfarbiger Stufendruck gehört zum Druck-knowhow (also auskratzen in Etappen, wobei die Matrix am Ende verloren geht.) Ich empfehle deshalb mindestens 10 Doppellektionen für dieses Projekt.
Dreifarbiger Stufendruck:
Mögliche Variation:
Es bietet sich an, den dreifarbigen Stufendruck als Selbstporträt zu realisieren, ähnlich wie die Beispiele der gemalten Bilder unten. Dazu können die Schüler*innen gemeinsam Fotos aufnehmen und diese dann im Photoshop bearbeiten, indem mit Schwellenwert und Graustufen gearbeitet wird. So erreichen sie ein Bild mit 3-5 Helligkeitsstufen, welches sich leicht in den Stufendruck umsetzen lässt. Wertvoll ist dabei der vielseitige Ablauf von der Fotografie, über die digitale Bearbeitung, bis hin zur analogen Drucktechnik.