Die SuS erarbeiten über neun Doppellektion ein eigenständiges Comic zum Thema ‚Ende Gelende‘. Dabei erlernen die SuS unterschiedliche Elemente einer visuellen Erzählform und vertiefen gestalterische Grundlagen wie die Wahl eines Bildausschnittes, die unterschiedlichen Formen von Bildübergängen sowie einen, für die erzählte Geschichte passenden, Zeichenstil.
BEDINGUNGS- UND SACHANALYSE
Das Thema Comic ist so vielfältig wie gezeichnete Geschichten es gibt. Malereien auf Wänden und Stoffen versuchten schon 25‘000 v. Chr. menschliche Ereignisse festzuhalten und ein Weltbild darzustellen. Zuerst war das Bild, dann der Text. So zog sich die Malerei und Zeichnung mit ihrer visuellen Erzählform durch die ganze Kunstgeschichte. Bereits bei den Ägyptern wurden Sequenzen einer Handlung mit Zeichnungen und Stoffmalereien festgehalten und erzählt. Diese Wucht und Intension des Ursprungs von Bildern wollte ich den SuS in der ersten Lektion vermitteln um zu zeigen, dass Comics nicht nur Spider Man und Simpsons sind. Comic kann viel mehr und ist in der heutigen Zeit Ausdruck vieler moderner und zeitgenössischer KünstlerInnen.
Mit diesem kleinen und doch sehr breiten Kunsthistorischen Exkurs eröffnete ich mein Praktikum mit der dritten Klasse an der Kantonsschule Wettingen. Mit 23 SuS war es meine bisher grösste Klasse. Der mir zur Verfügung gestellte Raum war ebenfalls sehr gross. Dies war zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig. Schon bald aber konnte ich die Vorteile des doch äusserst schönen und geräumigen Raumes geniessen. Zu jeder Lektion bereitete ich einen Inspirationstisch vor, auf dem stetig wechselnde Comic Bücher waren und um den sich die Klasse jeweils versammelte, wenn ich Übungen und Einführungen mit Beispielen aus den genannten Büchern veranschaulichte.
Die SuS befassten sich vor meinem Projekt mit dem figürlichen Zeichnen und ich konnte direkt daran anknüpfen. Mir war es wichtig, das Zeichnen und die zeichnerische Sprache nicht als leistungsorientierte Disziplin zu vermitteln, bei der es um eine objektive Schönheit und Richtigkeit geht. Viel mehr wollte ich den mit zeichnerischen Mitteln mögliche Ausdruck lehren. Dabei ging es mir um eine Eigenständigkeit in der Zeichnung, um ein Finden eines passenden Stils für die zu erzählende Geschichte. Ich brachte diesbezüglich absichtlich eher wenig Beispiele von klassischen Comics und viel mehr radikale visuelle Erzählformen, welche ihre Qualität nicht primär in der Zeichnung sondern im Ausdruck haben.
Mit diversen Übungen, teils mit zeitlichem Druck, ermutigte ich die SuS, eine gewisse Dynamik in die Zeichnung zu bringen. Schnelle Skizzen und direkte zeichnerische Ausführungen ohne Feinschliff sollten die SuS dazu bringen, aus dem möglicherweise vorhandenen Korsetts des ‚schön Zeichnen‘ auszubrechen.
ABLAUF
Bereits in der ersten Lektion hatte ich nach der kunst- & kulturhistorischen Einführung eine erste zeichnerische Übung gemacht. Die Übung bestand darin, zu unterschiedlichen und von mir vorgegebenen Haikus (japanische Gedichtform / Kurzgedicht) maximal fünf Minuten zu skizzieren. Im Aufgabenblatt stand „Zeichnen Sie das, was Ihnen ohne gross zu überlegen als Erstes in den Sinn kommt“. Zu Verfügung standen diverse Zeichnungsmedien wie Kohle, Fineliner, Edding, Bleistift und Tusche sowie unterschiedliche Papiere. Mit den Medien waren die SuS vertraut. Meine Intention dieser Aufgabe war in erster Linie ein Erreichen von Freiheit im Zeichnen, entgegen dem Detail versessenen und eher zeitaufwändigen Zeichnen. Deswegen hatte ich bei dieser Übung auch ein Zeitlimit gegeben.
Als Lehrmittel diente mir Scott McCluds ‚Comics machen‘. Daraus entnahm ich seine Theorie der ‹fünf Elemente des Comic erzählen› und führte mit unterschiedlichen Übungen zu den jeweiligen Elementen Schritt für Schritt in das Thema ein. Dabei legte ich Schwerpunkte auf die Mimik & Gestik, die Wahl des Augenblickes, den Bildausschnitt sowie die Atmosphäre und den Schauplatz der Geschichte. Einer der wichtigsten Aspekte dabei war die Klarheit und den Wiedererkennungseffekt, welche mit teils einfachen aber bewusst eingesetzten Mitteln umzusetzen waren.
Eine Übung bezüglich dessen war der Gemeinschaftscomic. Dabei teilte ich die Klasse in vier Gruppen auf. Die SuS erhielten von mir ein A4 Blatt mit eingezeichneten Panels (jeweils so viel Panels wie SuS in der Gruppe). Das erste Panel sollte ein Schauplatz sein. Ebenfalls wies ich die SuS darauf hin, dass sie stilistische Elemente übernehmen sollten, als wäre es aus einer Feder gezeichnet. Ziel der Übung war auch, zeichnerisch stilistische Merkmale zu erkennen und anzuwenden.
Die Regeln waren klar: Fünf Minuten pro Panel, dann rechts weitergeben. So entstanden in jeder Gruppe zwischen fünf und sechs Comics.
Eine weiter Übung machte ich mit einem kurzen Animationsvideo. Dabei ging es hauptsächlich um die Benennung der unterschiedlichen Bildeinstellungen und wie viele es waren, wenn man sie zeichnerisch umsetzten würde. Ebenfalls ein wichtiger Aspekt bei dieser Übung war die Erkennung von Schüsseleinstellungen für die Geschichte. Welche Frames (Panels) könnte man weglassen um die Geschichte dennoch zu verstehen. Diese Übung bezüglich der Handlung machten wir auch noch mit einem einfachen zeichnerischen Beispiel.
BEURTEILUNG
Bei der Beurteilung hatte ich die Beteiligung zwar drin, musste aber am Ende feststellen, dass es bei einer solch grossen Klasse unmöglich war, davon eine Teilnote zu erstellen, weil ich schlichtweg den Überblick nicht mehr hatte. Ich wollte mich auch während dem Unterricht nicht Notizen machen, weil das meiner Ansicht nach zu störend gewesen wäre. Somit liste ich es hier trotzdem auf, habe es aber in der Beurteilung nicht miteinberechnet.
Die Beurteilungskriterien für die Schlussnote des Projektes sehen folgendermassen aus:
Prozess
– Auffassung und Umsetzung Übungen
– Entwicklung
(Den Weg von der Idee zur Realisierung auf vielfältige Weise beschreiten)
– Eigeninitiative
(Eigene Ziele und Präferenzen formulieren und selbständig Schwerpunkte setzen)
– Interesse und Neugier
(Eine eigene Bildsprache entwickeln und die Freude am persönlichen Ausdruck stärken)
Beteiligung
– Mündliche Beteiligung bei Besprechungen im Plenum
(Entscheidungen, Vorgehensweisen und Resultate begründen, beurteilen und Kritik annehmen)
– Aktives Arbeiten
– Beteiligung in der Gruppe
Endprodukt
– Bild // Bildsprache
(Anhand Comics bildnerische Mittel unterscheiden und gezielt anwenden)
(Vertrauen in die eigene Bildsprache entwickeln)
(Bildnerische Mittel in der eigenen Gestaltung adäquat und reflektiert anwenden)
(Wirkungsabsichten in verschiedenen Bildmedien unterscheiden und einschätzen)
(Gestaltungsideen und Entwürfe in Skizze und Zeichnung visualisieren)
– Visuelle Kommunikation
(Menschen / Objekte mit Wirkungsabsichten inszenieren und abbilden)
(Werkzeuge, Mittel und Techniken einzeln und in Kombination sowohl wirkungsorientiert als auch intuitiv einsetzen)
(Sinn, Aussage und Wirkung von Bildern in Bezug auf das Motiv und die Darstellungsweise erfassen und deren Kontext einordnen)
-Gesamteindruck
Aus einem einfachen Durchschnitt der zwei Teilnoten ensteht eine Gesamtnote.
Dazu habe ich allen SuS individuelle Ergänzungen auf das Blatt geschrieben.
REFLEXION
Mit den Endresultaten der SuS war ich fast durchgehend sehr zufrieden. Was mir während diesem zeichnerischen Projekt besonders aufgefallen ist, war die meinerseits bereits von Beginn an vermutete Scheu vor schlechtem Zeichnen. Immer wieder musste ich darauf hinweisen, dass ein expressives und dynamisches Zeichnen eine sehr ergiebige Übung sein kann, dass Fehler willkommen sind und eine gewisse Quantität in einem zeitlichen Rahmen von Vorteil sein kann. Die SuS waren von der Idee im Kopf schon bei der direkten Umsetzung und zu bald schon an einer Reinzeichnung. Ich ermutigte sie, den Schritt der Versuche und der Übung nicht auszulassen. Dies war mir teils sehr gelungen. Einzelne SuS waren in der Skizzenphase so bei der Geschichte, dass sie dabei unbewusst einen zeichnerischen Stil entwickelt hatten, welcher sehr passend war. Es bedarf einer gewissen Einsicht, dass es genau so legitim und wertvoll ist, eine ‚komische‘ Zeichnung zu machen, wenn die Geschichte eine gewisse Skurrilität aufweist. Wichtig dabei fand ich es, aufzuzeigen, dass die Zeichnung und ihr Stil eine solche Legitimation nur dann schafft, wenn sie mit einer Klarheit und Bewusstheit umgesetzt wird.