Ausdrucksstarke und charakteristische Ich-Figuren stehen im Zentrum dieses Unterrichtsprojekts. Die Umsetzung erfolgt spielerisch und experimentell in den Techniken Collage und Druck. Dabei orientieren sich die Schüler*innen an den wirkungsvollen Selbstportraits der Künstler*innen des Expressionismus und Dadaismus.
Das erste Praktikum kann ich am Kurzzeitgymnasium St. Klemens (Ebikon) in einer 2. Klasse durchführen. Da die Lehrerin schon eine Vorstellung hat, was diese Klasse behandeln sollte und sich am Lehrplan orientiert, einigen wir uns auf drei Unterrichtsinhalte: Selbstportrait, Drucktechniken und Expressionismus.
Inhalt
Sachanalyse: Die grossen Fragen «wer bin ich?» und «wer will ich sein?» beschäftigt die Menschen schon lange. Seit der Antike wird das menschliche Abbild gemalt, gezeichnet, gedruckt oder in Stein gemeisselt. Ab der Renaissance interessieren sich Kunstschaffende stark für die innere Auseinandersetzung mit sich selber, welchen Platz sie in der Gesellschaft einnehmen, oder in welche Rolle sie schlüpfen wollen. So werden Kunstschaffende in ihrer Selbstdarstellung stets beeinflusst vom Umfeld, dem Weltgeschehen und der Politik. Jede*r findet sein persönliches Ausdrucksmittel um seine Emotionen, seine Charakterzüge oder seine kritische Haltung anhand eines Selbstportraits darzustellen.
Mit dem Aufkommen von Smartphones und Social Media im 21. Jahrhundert ist der Wunsch nach Selbstdarstellung in der breiten Masse angekommen. Die «Selbstvermarktung» boomt und täglich werden unzählige Selfies geschossen, um danach auf Instagramm und Snapchat etc. gestellt und bewertet zu werden. Wie unterscheiden sich Selfies von künstlerischen Selbstportraits? Die Ausstellung „From Selfie to Self-Expression“ welche 2017 in der Londoner Saatchi Gallerie zu sehen war, suchte Antwort auf diese Fragen.
Literatur: Autorenteam (2017): bildÖffner – Bildnerisches Gestalten – Oberstufe, Band 3, Schulverlag plus.
Hannah Höch (Dadaismus) Johanna Goodman (zeitgenössisch)
Begründungsanalyse: Die Jugendlichen befinden sich auf der Suche nach Identität und einem Platz in der Gesellschaft. Ausserdem beschäftigen sich viele mit der Selbstdarstellung auf Social Media. Deswegen ist es wichtig, dass sie sich die Frage stellen, weshalb wir Menschen ein so grosses Bedürfnis haben nach Selbstdarstellung und weshalb wir auf Social Media oftmals eine andere Rolle einnehmen als in der Realität. Das Hinterfragen der modernen Selfie-Kultur, sowie auch das Gegenüberstellen vom Selfie zum künstlerischen Selbstportrait ist daher bedeutend. Die Jugendlichen sollen anhand von analogen, handwerklichen Collage- und Drucktechniken eine Alternative zur fotografischen Selbstdarstellung kennenlernen und auf eine spielerische und experimentelle Art die Vielfalt der Möglichkeiten ausloten. Die Idee der Dekonstruktion und der beinahe kindlichen, naiven Darstellung wird vom Expressionismus und dem Dadaismus abgeleitet. Aus der Bilderflut entsteht eine reduzierte, kleine Serie von charakteristischen und ausdrucksstarken Ich-Figuren.
Lernziele und Beurteilungskriterien
Die Schülerinnen und Schüler lernen…
- …die Collagetechnik kennen und eine neue Art der Selbstdarstellung.
- …ein Gespür dafür zu entwickeln, Körperformen (Augen, Mund, Gliedmassen etc.) so auszuschneiden und neu zusammenzusetzen, dass die gestaltete Ich-Figur auf die betrachtende Person eine Wirkung hat bezüglich Ausdruck/Emotionen und Körperhaltung/Proportionen.
- …unterschiedlichen Drucktechniken kennen. Sie experimentieren mit der Monotypie, des Materialdrucks und dem Schablonendruck.
- …sich Überlegungen zu machen zum Thema Bildkomposition sowie auch zur Grösse des Motivs (Symmetrie, Asymmetrie, zentrierte Platzierung, Goldener Schnitt, Motiv = gross/klein, etc.).
- …die Wirkung von Kontrast kennen. Sie lernen die gedruckten Strukturen so in der Collage einzusetzen, dass sie sich bezüglich hell/dunkel Kontraste voneinander abheben.
- …spielerisch in einer Serie zu arbeiten. Das Spiel mit Möglichkeiten und das spontane, experimentelle Arbeiten steht dabei im Zentrum
Ablauf
Doppellektion 1 & 2, Fotocollage: Die Bilderflut und die unzähligen Fotografien von sich selber (Selfies) dienen als Ausgangslage der ersten Aufgabe. Aus mitgebrachtem, persönlichem Bildmaterial stellen die Schüler*innen eine neue Art von Selbstdarstellung in Form einer Fotocollage her. Die Schüler*innen sollen sich die Frage stellen, wie sie sich darstellen möchten und welche Emotionen oder Charakterzüge sie in der Collage zeigen möchten. Die dadaistische Künstlerin Hannah Höch sowie die zeitgenössischen Collagen von Johanna Goodman dienen dabei als Inspiration.
Doppellektion 3 & 4, Einführung Drucktechniken: Gefolgt wird die Collage-Aufgabe von einer Einführung in die verschiedenen Drucktechniken: Materialdruck, Monotypie, Schablonendruck. Die Schüler*innen sollen in einem ersten Schritt möglichst frei experimentieren und ausprobieren. In einem zweiten Schritt drucken sie unterschiedliche Strukturen, welche an menschliche Körperoberflächen oder Kleider erinnern.
Übersicht Drucktechniken
Doppellektion 5, Gruppenarbeit serielle Ich-Figuren: Aus den Oberflächenstrukturen collagieren die Schüler*innen zu zweit eine 3er-Serie von verschiedenen Ich-Figuren. Dabei arbeiten sie parallel auf mindestens drei A3 Blättern und achten sich auf die Platzierung (Komposition), Ausdruck der Ich-Figur und das Kombinieren der gedruckten Strukturen.
Workflow: Collage-Arbeiten mit den gedruckten Strukturen
Doppellektion 6, 7 & 8, Schlussaufgabe Ich-Figur, 3er-Serie: Die Schüler*innen müssen in Einzelarbeit aus den gedruckten Strukturen ein Selbstportrait in einer 3er-Serie entwickeln, indem sie die Technik der Collage anwenden. In einem ersten Schritt werden nochmals gezielt schwarze und farbige Strukturen nachgedruckt, welche sie in ihrer Collage einsetzten wollen. In einem zweiten Schritt werden aus den gedruckten Strukturen Körperteile ausgeschnitten und auf dem Blatt zusammengebracht.
Reflexion
Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit meinem ersten Praktikum und den entstandenen Schüler*innen Arbeiten. Ich konnte die vorgegebenen Themen Selbstportrait, Drucktechniken und Expressionismus in meinem Unterrichtsprojekt gut zusammenbringen und fand den Ablauf aufbauend und rund. Die zusätzlich von mir gewählte Collagetechnik war eine gute Ergänzung zu den anderen Themen. Die Unterrichtsplanung war eher dicht angesetzt und in den einzelnen Arbeitsschritten hätten sich die Schüler*innen etwas mehr Zeit gewünscht. Obwohl ich finde, dass gerade bei der Collagetechnik unter Zeitdruck die besten Arbeiten entstehen. Die Arbeit mit der Klasse empfand ich als angenehm, die Schüler*innen waren ruhig und haben motiviert und meistens konzentriert mitgemacht. Vor allem die Drucktechniken haben ihnen sehr grossen Spass gemacht und ich empfand dann die Klasse auch als besonders lebendig und experimentierfreudig.