Mit einer 3. Klasse der Kantonsschule Alpenquai habe ich ein Unterrichtsprojekt mit dem Titel “Atmosphärisches Videostillleben” durchgeführt. Die Schüler*innen nahmen Sounds und Videos mit ihren Smartphones aus dem Alltag auf. Die Aufnahmen wurden in eine gemeinsame, digitale Bibliothek hochgeladen. In einem nächsten Schritt erstellten sie daraus individuelle Video-Projekte mit Soundspur, in denen eine eigen gewählte Atmosphäre zum Ausdruck kam.
Inhalt
Sachanalyse: Im bildnerischen Gestalten wird bisher sehr selten mit Sound gearbeitet, obwohl es ganz klar immer mehr Kunstschaffende gibt, die sich hauptsächlich dem Sound in ihrer künstlerischen Praxis widmen. Auch mit Video hatte diese Klasse noch keine Erfahrung gesammelt.
Begründungsanalyse: Es ist mir ein Anliegen, die Beobachtungsgabe im Alltag der SuS zu stärken. Was höre ich alles? Was klingt vertraut, was skurril? Welche ästhetischen Phänomene sind interessant zu beobachten? Was entdecke ich, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf das Jetzt verschiebe. Auf den Begriff des “Videostilllebens” bin ich bei der Betrachtung der Video-Werke von Wolfgang Tillmans im Museum für moderne Kunst in Wien gekommen. In seinen Videos wird der Blick auf scheinbar nebensächliche Vorgänge gelenkt. Auf einer Kinoleinwand abgespielt, konnte ich in die Bilder eintauchen, meditativ treiben lassen.
Lernziele:
- Intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Umgebung (gewisse Achtsamkeit entwickeln) und lernen, diese zu beschreiben
- Kennenlernen von Video und Sound als künstlerisches Gestaltungsmittel
- Prozesshaftes Arbeiten durch Beobachten, Sammeln, Kombinieren, Auswerten und Verändern
- Bildausschnitt, Komposition
- Basics des Sound-Designs lernen
Beurteilungskriterien:
Sound- und Videojournal:
- Vollständigkeit, korrekte Form, korrekte Bezeichnung, Favoritenwahl (2)
- Vielseitigkeit der Aufnahmen (2)
- Experimentierfreudigkeit/Einzigartigkeit (2)
- Beobachtende Untersuchungen sind erkennbar (2)
- Eigene Formsprache kristallisiert sich heraus, auch durch Favoritenwahl (2)
Atmosphärisches Videostillleben:
- Titel greift Atmosphäre auf (2)
- Vollständige Abgabe (2)
- Atmosphäre: eindeutige Stimmung erkennbar, Narration/Spannungsbogen erkennbar
- Sound: Auswahl, gute Qualität, Variation (Geräusche, Töne, Klänge) (4)
- Technisch: Übergänge bewusst gestaltet, Komplexität Audiospur (Überlagerung, Bruch, Wiederholung) (4)
- Videos: Auswahl, Variation durch Kontraste/Perspektive/vers. Inhalte, Querformat, min. 1 min lang, min. 3 verschiedene Videos (4)
Die Beurteilungskriterien für das atmosphärische Videostillleben hat die Klasse gemeinsam definiert. Durch meine Inputs habe ich versucht aufzuzeigen, worauf zu achten ist/was entscheidend sein kann. Dieses Experiment von meiner Seite hat sehr gut funktioniert. Die SuS haben zuerst in Gruppen Kriterien kreiert und im Anschluss in der Klasse verhandelt.
Ablauf:
Erster Teil: In den ersten vier Doppellektionen ging es um das Sammeln und Experimentieren mit Video und Sound. Dies geschah einerseits während den Lektionen, andererseits machten die SuS auch Aufnahmen in ihrer Freizeit, welche sie zu der gemeinsamen Video- und Soundbibliothek beisteuerten.
Zweiter Teil: Während den restlichen vier Doppellektionen arbeiteten die SuS an ihren individuellen Projekten. Es gab technische und gestalterische Inputs von mir und die SuS gaben sich auch gegenseitig eine kritische Rückmeldung.
Lektion 1-2: Was ist Sound? Unterscheidungen, Fokus auf Hören, Assoziationen, Sammlung Sound-Files hochgeladen
Lektion 3-4: Was ist Atmosphäre? Input Werbung, erste Kriterien
Lektion 5-6: Experimentierwerkstatt zu Sound, Input Foley-Artists
Lektion 7-8: Welche Stimmungen erlebt ihr in eurem Alltag? Input Filmausschnitte „Hateful Eight“ und „Reason I Jumped“, zuerst ohne, dann mit Sound, Wie beeinflusst der Sound das Video? (verstärkend, abschächend, verändernd), Einführung in Adobe Rush Schnittprogramm
Lektion 9-10: Endlich ins Machen kommen, Sehen, was andere machen, Feedback geben
„Auflockerung“ durch Integrieren eines Begriffes
Lektion 11-12: Fragen zur Aufgabenstellung beantworten, Soundkulisse: Gestaltungsansätze erkennen und selber anwenden
Lektion 13-14: Ausformulieren der Kriterien in Gruppe, dann Klasse, weiterarbeiten
Lektion 15-16: Übung Komplexität in Soundspur durch Überlagerung, Bruch, Wiederholung etc.
Lektion 17-18: Auswahl der Ergebnisse in Gruppen analysieren, in Klasse vorstellen, gemeinsam schauen mit Rückmeldung, Feedbackbogen an mich
Fazit: Allgemein nahm ich dieses Praktikum als mein anstrengendstes wahr. Von Beginn an kämpfte ich mit der Technik, da der Surfer der Schule sehr träge war und teilweise das Arbeiten stark verlangsamte. Dies führte wiederum dazu, dass die Klasse in solchen Momenten unruhig wurde oder gar nicht mehr arbeitete. Durch eine Sitzordnung und gezielte Eingriffe von meiner Seite konnte ich die Klasse von 26 SuS wieder in den Griff kriegen. Ich lernte, beharrlich zu sein und immer wieder Ruhe einzufordern. Während des Schneid-Prozesses in Adobe Rush war es sehr anspruchsvoll, den Überblick über Arbeitsstand und Qualität der Projekte zu behalten. Ab dem Moment, als die Klasse in ihre individuellen Projekte starten konnte und verstand, wozu sie diese Aufnahmen im Vorfeld tätigten, waren sie motiviert. Auch die Auseinandersetzung mit diesen Medien im bildnerischen Gestalten schien einige sehr zu interessieren
Zum Ändern: Durch den Verzicht auf eine gemeinsame Video- und Soundbibliothek auf dem Schulsurfer würde ich bei einem erneuten Durchführen verzichten, da dieses mit erheblichen technischen Störungen verbunden war. Das individuelle Projekt würde ich früher ansetzen und parallel dazu weiter Experimentieraufgaben geben. Dadurch werden die SuS schrittweise mit dem Programm vertraut und sehen den inhaltlichen Zusammenhang klarer. Eine prozesshaftere Arbeitsweise würde vielleicht eher in einer 5. Klasse austesten.
Wie Weitergehen: Die Auseinandersetzung mit Sound und experimentellem Video fand ich auch für mich persönlich sehr lehrreich. Ich habe mir viel neues Wissen angeeignet und habe Lust weitere Unterrichtsprojekte in diese Richtung zu gestalten. Die technische Hürde sollte dabei, wenn möglich, möglichst tief gehalten werden.