Abstract
Das Atelier Drucken/Zeichnen an der Schule für Gestaltung Biel am Propädeutikum umfasste 7 ganze Schultage (8 Lektionen) verteilt auf 2 Wochen. Das Kursangebot ist eines von 3, welches die Schülerinnen und Schüler des Propädeutikums (nachfolgend als S*S bezeichnet) wählen können, um Techniken zu vertiefen und weitere Arbeiten für das bevorstehende Bewerbungsverfahren bzw. die persönlichen Portfolios zu erstellen. Das „Freie Praktikum“, mein Drittes, durfte ich zusammen mit den Lehrpersonen Michelle Dillier und Toni Parpan vorbereiten und durchführen. Anders als bei den vorangegangenen Praktika haben wir im Voraus keinen festen Zeitplan erstellt (keine Feinplanung für jeden Tag, jedoch einen Grobplan, welcher jedoch stetig angepasst werden musste), sondern mit Technik- und Themenfeldern gearbeitet und die Räumlichkeiten sehr gründlich vorbereitet (Arbeitsstationen und Druckatelier). Nach technischen Inputs und spielerischen Anfängen konnten die S*S ab dem 3 Tag anfangen, sich in eine selbständige Arbeit zu vertiefen.
Sach- und Begründungsanalyse
Das Drucken und Zeichnen als künstlerische Praxis mit einer langen Vorgeschichte sind wichtige Ansätze für die eigene künstlerische Ausdrucksmöglichkeit und die Auseinandersetzung mit sich und seiner Umwelt. Es geht dabei zum einen um die Entwicklung einer eigenen Bildsprache und den Einsatz von bekannten und neuen Techniken und den spielerischen Umgang von ebendiesen. Verschiedene Drucktechniken heben verschiedene Qualitäten eines Bildes bzw. Motivs hervor. Welche Technik erfüllt meine Ansprüche zur Umsetzung einer Idee? Das Experimentieren und vor allem das stetige Weiterarbeiten sind wichtige Bestandteile des Ateliers. So gibt es Techniken, bei welcher man als Autor*in präzis auf den Druckstock einwirken kann, bei anderen geht es mehr um einen Umgang mit Zu- und Unfällen. Auf der anderen Seite hat das Zeichnen viel mit der eigenen Handschrift zu tun, kann je nach Bedarf schnell und skizzenhaft oder sehr langsam und detailreich sein. Welche Form soll der eigene Ausdruck annehmen? Auch können beide Techniken zusammen angewendet werden, sich gegenseitig beeinflussen, können weiterbringen oder einschränken. Arbeiten, welche den S*S nicht gefielen, konnten von ihnen selber oder jemand anderem überarbeitet werden und so wieder zu einer wertgeschätzten Arbeit werden.
Inhalt und Ablauf
Tag 1
Ausgangssituation zu Beginn ist eine konzentrierte Zeichenübung im Fundus, einem Raum mit einem grossen Sammelsurium an Objekten. Danach Arbeit an 2 Stationen: Zeichnen aufgrund von Aufgabenstellungen und Frottagen-Sammlung anlegen. Alle Ergebnisse sortieren nach Kriterien gut/schlecht, fertig/angefangen. Nicht gelungene Blätter können überarbeitet werden, die Resultate werden aufgehängt.
Tag 2
Alle S*S erhalten einen genauen Auftrag, wie sie an diesem Vormittag weiterarbeiten sollen, aufgrund ihrer Ergebnisse vom Vortag. Es werden verschiedene Drucktechniken (individuell) vorgestellt und die S*S können ihre angefangene Arbeit vertiefen. Einzelgespräche im Verlauf des ganzen Tages mit allen S*S. Am Ende des Tages sagen alle, wie genau sie am übernächsten Tag weiterarbeiten wollen.
Tag 3
Kurzer Input zu Künstler*innen, die ihre Arbeit anschauen bzw. mitten im Arbeitsprozess stehen und über ihre Arbeit nachdenken. Dann Weiterarbeiten und weitere ausführliche Einzelgespräche. Neue Arbeitsplätze werden eingerichtet, die Stationen mit verschiedenen Techniken umgestellt, so dass sie den Bedürfnissen der S*S für den weiteren, vertieften, Arbeitsprozess entsprechen. Alte Arbeiten, welche nicht mehr weiterverfolgt werden, werden verräumt.
Tag 4
Grosse Auslage von vielen Kopien von Werken aus der Kunstgeschichte, ein persönliches Sammelsurium der Lehrperson. Die S*S können Blätter, die ihnen gefallen oder mit ihrer Arbeit in Verbindung stehen, kopieren und am Arbeitsplatz aufhängen. Der Zeitplan für die restlichen Tage wird kommuniziert. Vertiefen der Arbeit.
Tag 5
Am Morgen Durchsage mit einem Megaphon: Alle S*S teilen den anderen mit, was sie in den kommenden Tagen noch vorhaben. Weiterarbeiten an den eigenen Arbeiten.
Tag 6
Weiterarbeiten an den eigenen Arbeiten, einzelne Blätter oder Serien an einem neutralen Ort aufhängen, besprechen mit den Lehrpersonen.
Tag 7
Fertigstellen der Arbeiten. Auswahl treffen. Ausstellungsorte im Gebäude werden zugeteilt, die S*S können ihre Resultate oder Teile davon aufhängen. Auswahl wird besprochen und je nach dem umgehängt. Zum Abschluss ein kurzer Durchgang bei allen Arbeiten.
Richtziele und Lehrplanbezug
SUS können eine künstlerisch-gestalterische Arbeit konzipieren, realisieren und präsentieren
SUS entwickeln eine forschend-interessierte Lernhaltung
SUS pflegen sowohl einen spielerischen als auch einen reflektierten Umgang mit Bildwelten und Bildwirklichkeiten
SUS verstehen gestalterische und künstlerische Arbeit als Prozess
SUS verfolgen und beurteilen ihre Ideen selbstkritisch
SUS lernen in der Auseinandersetzung mit Kunst einen Umgang mit Antwortlosigkeit
Zweidimensionale Bildmittel als elementare Darstellungs- und Ausdrucksmöglichkeiten begreifen und nutzen
Form und Farbe wahrnehmen und umsetzen
Sich im Gestaltungsprozess mit der Visualisierung der Wirklichkeit, der Imagination und Fiktion auseinandersetzen
Zusammenhänge zwischen Form und Farbe erproben, sichtbar machen und interpretieren
Reflexion
Das „Freie Praktikum“ war eine sehr intensive und lehrreiche Zeit. Durch die neue Situation, dass ich das Praktikum von Beginn an nicht alleine planen und vorbereiten musste, war eine positive Erfahrung und hat einen neuen Blick auf die Arbeit als Lehrperson geworfen. Die Struktur von den 45-Minuten-Lektionen zu durchbrechen war eine sehr befreiende Erfahrung. Natürlich hat die Erfahrung der beiden anderen Lehrpersonen eine grosse Rolle bei der Vorbereitung und Herangehensweise gespielt. Wäre ich alleine gewesen, hätte ich von Anfang an einen genaueren Zeitplan und Zwischenstopps eingeplant. Jetzt war es eher eine rollende Planung, laufend haben wir uns darüber ausgetauscht, welche Schritte/Etappen die nächsten sind und immer wieder die meisten Ideen über Bord geworfen. Durch das grosszügige Zeitgefäss von 7 ganzen Tagen und nicht einzelnen Lektionen à 45 Minuten hatten die S*S viel mehr Möglichkeit, sich in eine Arbeit zu vertiefen. Die vielen Einzelgespräche, welche ich zum einen selber führen konnte, bei welchen ich aber auch einfach dabei sein und zuhören konnte, habe ich viel über das Besprechen und zusammen weiterdenken gelernt. Zu Beginn der Vorbereitung war es nicht immer einfach, meinen Platz zu finden in dieser Lehrpersonen-Konstellation. Mit der Zeit hat sich meine Position jedoch ergeben und ich konnte immer selbständiger mitwirken und mit den S*S sehr interessante Arbeitsgespräche führen.