Abstract
In dieser Unterrichtseinheit lernen die Schülerinnen und Schüler verschiedene Animationstechniken kennen, verknüpfen theoretische Grundlagen mit praktischen Übungen, blicken hinter die Kulissen, begegnen technischen Herausforderungen und entwickeln handwerkliche Kompetenzen im Bereich der Stop Motion Animation.
Sach- und Begründungsanalyse
Die Animation macht das Unmögliche möglich. Sie ist die filmische Illusion einer Bewegung von scheinbar leblosen Objekten. Film ist allgegenwärtig und flimmert tagtäglich über die Handybildschirme der Schülerinnen und Schüler (SuS). Diese Unterrichtseinheit schärft das Filmverständnis im Bereich Animation und generiert einen künstlerischen Mehrwert des Smartphones. Das Konsumgut Handy wird zum Werkzeug.
Der Fokus dieser Unterrichtseinheit liegt auf der Stop Motion Animation mit der Vertiefung Legetrick. Wie wird’s gemacht und was steckt dahinter? Durch unterschiedliche Übungen zu diversen Animationstechniken nähern sich die SuS dem Filmhandwerk. Die erarbeiteten Grundkenntnisse werden mit der Hauptaufgabe gefestigt. Der Schwerpunkt liegt auf der Animation; der Bewegung und nicht auf dem Abzubildenden. Dieses wird auf Minimum reduziert und lebt von der Abstraktion.
In Zweier-, maximal Dreiergruppen erarbeiten die SuS ein eigenständiges Projekt. Sie lernen aufeinander einzugehen, sich gegenseitig zu inspirieren und unterstützend aufeinander zu wirken. Die Hauptaufgabe fordert das Zusammenspiel dreier Komponenten: eine geometrische Form, ein Verb und ein Stück Schnur. Das Verb erzwingt eine Bewegung, eine Veränderung oder eine Verwandlung der Form. Die Schnur dient als Auslöser oder Hilfsmittel. Die SuS setzen sich zusammen und diskutieren ihre Ideen. Miteinander entwickeln sie ein Storyboard, das ihnen als Vorlage für die Umsetzung dient. Unter Beachtung der vorgegebenen Abspielrate studieren sie Bewegungsabläufe und Formveränderungen.
Diese Aufgabe konfrontiert die SuS mit gestalterischen Problemen, birgt Überraschungen und Irritationen. Sie müssen ausprobieren, experimentieren, wagen, scheitern, reflektieren und umdenken.
Lernziele und Beurteilungskriterien
Diese Unterrichtseinheit wurde mit einer 3. Klasse am Langzeitgymnasium Reussbühl durchgeführt.
Richtziele: Die Schülerinnen und Schüler
- kennen Grundlagen der fotografischen, filmischen und digitalen Gestaltungstechniken. (Grundkenntnis)
- gehen differenziert mit Linie, Farbe, Form und Raum um. (Grundfertigkeit)
- entwickeln Experimentierfreudigkeit und Risikobereitschaft, lösen intensiv und ausdauernd gestalterische Problemstellungen und reflektieren sie. (Grundhaltung)
Grobziele: Die Schülerinnen und Schüler
- unterscheiden zwischen den drei Animationstechniken: Zeichentrick, Stop Motion und Computeranimation.
- nutzen die Technik der Stop Motion Animation und erstellen filmische Bewegungsillusionen.
- entwickeln ein Verständnis für Bewegungsabläufe.
- können auf einander eingehen, sich gegenseitig inspirieren und unterstützend aufeinander wirken.
- entwickeln einen kritischen Blick und nehmen Stellung zu ihrer Arbeit.
- entwickeln ein Verständnis des künstlerischen Mehrwerts ihres Smartphones.
- verdeutlichen den Umgang mit technischen Hilfsmitteln wie Smartphone und App.
- exportieren ihre Projekte gemäss Vorgabe und sorgen für eine fristgerechte Abgabe.
Beurteilungskriterien:
- Bildidee: Eigenständigkeit, Themenbezug
- Bildkomposition: Linien, Flächen, Farben
- Dramaturgie: Aufbau, Rhythmus
- Umsetzung: handwerkliche Qualität
- Abgabe: fristgerecht und korrekt
Aufbau
Die Unterrichtseinheit ist in zwei Teile gegliedert: Die ersten drei Doppellektionen dienen der Einführung und Übungsphase. Die vier Sitzungen im Anschluss gelten der Planung und Umsetzung der Hauptaufgabe. Die letzte Doppellektion rundet die Einheit ab.
Wir klären die Begrifflichkeiten und suchen nach typischen Merkmalen und Gemeinsamkeiten allgemein bekannter Animationsfilme. Auf eine spielerische Art und Weise lernen die SuS verschiedene Animationstechniken kennen, sammeln erste praktische Erfahrungen im Zeichentrick (Rollkino, auch Zweiphasentrick) und blicken mit dem Stop Motion Animator Daniel Alderson hinter die Kulissen von Kubo and the two Stings. Ein Klassenexperiment (.gif) zum Schluss bildet die Überleitung zur zweiten Doppellektion.
Wir nehmen das Experiment unter die Lupe und sammeln Verbesserungsvorschläge. Die gewonnenen Erkenntnisse verwerten die SuS in einer Gruppenarbeit. Unter Berücksichtigung der Stop Motion Technik schaffen die SuS eine Bewegungsillusion (App Stop Motion Studio) und kreieren animierte Portraits (Pixilation).
Gemeinsam beurteilen wir die Ergebnisse des letzten Treffens. Die dritte Doppellektion ist dem Legetrick gewidmet. Aus einer Sammlung verschiedener Gegenstände wählen die SuS einzelne aus. Auf farbiges Papier zeichnen sie deren Umrisse. Die ausgeschnittenen Formen, mit Klammern zu Figuren verbunden, animieren die SuS auf dem Tricktisch. Filmausschnitte der Dokumentation Die Frau hinter den Schatten: Lotte Reiniger dienen dem Verständnis und der Inspiration.
Die folgenden Lektionen bauen auf dem erarbeiteten Wissen auf, vertiefen die Kenntnisse der SuS in der Technik des Legetricks und fördern ihre Kompetenzen in der Stop Motion Animation. Das Abzubildende wird auf ein Minimum reduziert (geometrische Formen und ein Stück Schnur). Die SuS lernen die Grundlagen des Storyboards kennen und verstehen es, ihre Ideen zu verbildlichen. Ein kurzer Input zur Bewegungsanalyse verdeutlicht den Schwerpunkt der Animation. Eine technische Einführung macht die SuS mit der Arbeitssituation vertraut. In Zweier-, maximal Dreiergruppen erarbeiten die SuS ein eigenständiges Projekt.
«Es gibt für das
Animationskino vielleicht keinen wichtigeren Film als diese erstaunliche Arbeit
einer 26 Jahre alten Frau”, schreibt Kino-Zeit.de. Die letzte Doppellektion gehört
Lotte Reinigers Die Abenteuer des Prinzen Achmed.
Reflexion
Mein erstes Praktikum war eine herausfordernde und lehrreiche Erfahrung. Die Thematik stiess bei den SuS auf grosses Interesse. Der Unterricht wurde als abwechslungsreich und vielfältig wahrgenommen.
Der Bereich Animation bietet eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten und fordert eine zeitintensive Unterrichtsvorbereitung. Komplexe Sachverhalte wie diese bedürfen einer präzisen mündlichen und visuellen Erklärung. Denn die SuS müssen sehen, um zu verstehen. Schliesslich ist der Film ist eine Illusion, die es erst zu begreifen gilt. Doch die Erarbeitung der Theoriebeiträge und praktischen Übungen waren das eine, die Klärung technischer Herausforderungen (Handyhalterung, Lichtgestaltung, Exportweg und Projektabgabe) das andere. Das richtige Equipment ist für den gelingenden Unterricht zentral. Ich betrieb grosse Nachforschungen, um den SuS eine simple, aber hochwertige Technik zu garantieren.
Erstaunt war ich über den teilweise fehlenden Ehrgeiz der SuS, Dinge selbstständig lösen zu wollen. Bei Schwierigkeiten wurden weder die Mitschülerinnen und Mitschüler noch das Aufgabenblatt zu Rate gezogen – die Hand ging hoch, der Lehrer gerufen.
Die letzte Doppellektion war ein Flopp. Lotte Reinigers Die Abenteuer des Prinzen Achmed passte bestens zur Thematik, wurde im Unterricht mehrfach erwähnt und ist zweifellos ein Meisterwerk. Doch sind sich die SuS derartiges Kino nicht gewohnt. Der Film war zu lang, zu repetitiv; schlicht zu alt. Prinz Achmed stiess auf das falsche Publikum; Ausschnitte hätten besseres geleistet.