Der thematische Fokus dieses BG-Blocks an der Fachmittelschule Solothurn war Realistische Malen mit Deckfarben (in der 3. bis 6. Doppellektion) nach einer Fotografie zum Thema «Natur und Technik im Dialog». Die fotografischen Vorlagen wurden von den Schüler/innen als Hausaufgaben nach zuvor erarbeiteten Kompositionsregeln (in der 1. und 2. Doppellektion) erstellt. Abschliessend (in der 7. und 8. Doppellektion) wurde das Bildthema in einem wesentlich kleineren Format (Postkartengrösse) nochmals umgesetzt, wobei die Bildaussage durch Anpassung der Komposition und mehr Freiheiten in der Maltechnik verstärkt werden sollte.
BEGRÜNDUNGS- UND SACHANALYSE
Die 22 Schülerinnen des 2. FMS-Jahres (grossmehrheitlich aus dem Berufsfeld Pädagogik) hatten bereits mit Deckfarben (Lascaux Gouache) gearbeitet (Übungen zur Farbenlehre) und sind es auch gewohnt mit den Primärfarben und Schwarz und Weiss zu arbeiten. Nach einer längeren Zeit (ganzen Frühling) ohne Präsenzzeit, konnte ich die Klasse unmittelbar nach den Sommerferien (ohne hospitiert zu haben) übernehmen.
– Beim Malen ging es vor allem darum (Vorgabe der Praxislehrperson) die Landschafts- und Objektfarben, Oberflächen und Strukturen, Grössen und Proportionen möglichst realistisch aufzunehmen um das Motiv in der gegebenen Maltechnik und vorgegebenen Zeit optimal umzusetzen.
– Das Bildthema (nicht zu verwechseln mit dem Unterrichtsthema) war eher Mittel zum Zweck ( Einsetzen der kompositorischen Regeln beim Fotografieren) und trat in der Hauptphase (der intensiven Auseinandersetzung mit dem Malen EINES Bildes über 8 Lektionen hinweg) eher in den Hintergrund. Erst bei der kleinen freieren Malarbeit am Schluss wurde das Bildthema nochmals von Bedeutung.
ABLAUF
Die beiden ersten Doppellektionen waren geprägt von Theorie zur Komposition (Schwerpunkt Fotografie) und entsprechenden Kompositionsübungen.
– Vom der ersten zur zweiten, und von der zweiten zur dritten Woche, hatten die Schüler jeweils den Auftrag zu fotografieren.
– In der 2. und 3. Doppellektion wurde der Bildtheoretische Teil noch mit Hinweisen zur Maltechnik ergänzt.
– Die Hauptphase des Malens wurde nach der 4. Doppellektion (genau in der Mitte des Blocks) mit einer gemeinsamen Zwischenstandbesprechung unterbrochen.
– Ergänzend aber auch im Kontrast zur Hauptaufgabe, malten die Schüler/innen in den letzten beiden Doppellektionen ein thematisch gleiches Bild unter anderen Bedingungen (Grösse, Zeitrahmen, geschärfter Fokus auf Bildaussage).
1. Doppellektion:
Was ein guten Bild ausmacht.
Im Hinblick auf die eigene Fotografie, die jede/r Schüler/in als Grundlage für seine Gouachebild benutzen wird, sind wir der Frage nachgegangen, was neben Bildsujet und Maltechnik/Farben ein gutes Bild ausmacht, nämlich die Bildkomposition. Komposition kann man definieren als das Anordnen von (Bild-) Elemente nach bestimmten Regeln oder Verhältnissen. Komposition kommt nicht nur in der Malerei und Fotografie vor, ebenso in der Grafik, beim Film, bei Musik, Architektur, Design, aber auch bei einer Schauffensterdekoration, bei Anrichten einer Speise usw. usf. Die Schüler/innen haben verschiedene zur Verfügung gestellte Bilder kompositorisch verglichen und analysiert. Nach einer Kurzeinführung der Drittelsregel (mit Hinweis zum Goldenen Schnitt) sind wir der Anordnung von (beherrschendem) Punkt und Linie im Bild nachgegangen, mit kurzem Exkurs zu Kandinsky’s «Punkt und Linie zu Fläche». Als Übung platzierten wir Kieselsteine auf eine Fläche, sodass kompositorisch spannende Anordnungen, Flächenaufteilungen entstanden.
Hausaufgaben: 1.) Selber ein Foto schiessen mit beherrschendem Punkt, wenn möglich mit (realen oder imaginären) Linien. Schwarz/weiss ausdrucken und mitbringen. 2.) Zwei weitere Bilder mitbringen: ein gutes und ein schlechtes.
2. Doppellektion:
Bildausschnitt
Rückblick auf Komposition. Wir betrachten Bilder von Monet als Beispiele.
– Gemeinsame Analyse mitgebrachter Bilder. Unterschied von «schnellen» Fotografieren heute (mit dem Handy oder Digitalkamera) und «überlegten» Fotografieren früher (Spiegelreflex mit Rollfilm). Vergleich von Bildkorrekturen im Labor und digitaler Bildbearbeitung.
– Individuelle Versuche das mitgebrachte schlechte Bild zu verbessern:
a) durch Veränderung des Ausschnittes
b) durch Veränderung der Bildaufteilung (Monochrom mit Gouache).
Hausaufgabe: Fotografiere eine landschaftliche oder urbane Situation zum Thema: «Natur und Technik im Dialog».
3. Doppellektion:
Bild farblich und kompositorisch anlegen
Kurzeinführung zur Maltechnik mit Deckfarben. Vergleich zu Aquarell-, Acryl und Ölmalerei.
– Besprechung der Hauptaufgabe: kein Vorzeichnen, mit grossem Pinsel arbeiten.
– Gemalt wird auf einem A2-Papier, wobei das Bild später auf A3 zugeschnitten wird. Dieses Vorgehen hat mehrere praktische Vorteile: eine Malunterlage erübrigt sich, denn um die A3-Malfläche herum gibt es 6-9 cm breite Ränder, die auch zum Probieren der Farbmischungen genutzt werden können. Es muss zudem nicht genau bis an den Rand gemalt werden (allfälliger Pinselschwung würde gebremst), sondern über den (A3-markierten) Bildrand hinaus.
1. Malphase: Flächiges, farbiges Herantasten ohne Vorzeichnung. Individuelle Beratung / Betreuung.
4. Doppellektion:
Weiterarbeit an Flächen, farblich und hell-dunkel verfeinern
Weitere Hinweise zur Technik und Möglichkeiten der Deckfarbenmalerei. Weiterhin ohne Details. Individuelle Beratung / Betreuung.
5. Doppellektion:
Plastizität, Struktur, Licht und Schatten
2. Malphase: Alle Formen, Objekte «setzen», Zwischentöne, Farbnuancen schaffen. Weiterhin so viel wie möglich mit dem grossen Pinsel malen, aber nicht grafisch werden: keine regelmässige Flächen. Ziel bleibt «Realismus». Auf Strukturen achten, (Borsten-) Pinsel «nutzen» (z.B. recht trocken oder mehrere Farben gleichzeitig auftragen, zur Strukturierung). Immer überall arbeiten, nicht einzelne Teile «fertig malen». Zwischendurch aufstehen und mit Distanz schauen. Individuelle Beratung / Betreuung.
6. Doppellektion:
Details erarbeiten, Fertigstellung
Endphase, letztes Mal. Bild soll danach «fertig» wirken. Wann wirkt ein Bild unfertig? Lichter und Tiefen setzen. Individuelle Beratung / Betreuung.
7. Doppellektion:
Bildaussage auch kleinformatig auf den Punkt bringen
Als Letztes haben die Schüler/innen die Aufgabe, das vorgegebene Bildthema «Natur und Technik im Dialog» auf der Basis ihres Fotos mit der Erfahrung ihres A3-Bildes, kleinformatig (auf Postkartengrösse) während drei Lektionen umzusetzen. Dabei soll die Bildaussage der Dialog / Kontrast von Natur und Technik noch gesteigert werden. Dabei kann die Formatausrichtung (Ausschnitt!), die Komposition (Bildelemente und Verhältnisse zueinander) neu gewählt werden. Auch farblich (Farbwahl, -mischung und -kontraste) haben die Schüler/innen alle Freiheiten. Gegeben ist einzig die Bildgrösse und die Farben (Primärfarben, Schwarz, Weiss).
8. Doppellektion:
Fertigstellung der «Postkarten-Aufgabe» und Feedback
Nach Ablauf der ersten Lektionen haben die Schüler/innen auf dem Aufgabenblatt noch die Möglichkeit Gedanken zu ihrer letzten Umsetzung festzuhalten. Dann besprechen wir die fertigen (nun zugeschnittenen) Bilder der Hauptaufgabe.
Zu guter Letzt erhalten die Schüler/innen noch einen Fragebogen mit 6 Fragen zum Unterricht, die sie auf einer Skala von 1-10 beantworten können. Es gibt Raum für Ergänzungen und allgemeine Kommentare. Schliesslich bitte ich die Schüler die 3 Hauptaufgaben (Fotografieren, Hauptbild, Postkarte) und eine Auswahl von 4 Übungen nach Interesse, Reiz, Sinn durchzunummerieren.
BEURTEILUNG
Die Schülerinnen haben am Schluss eine Note erhalten, die sich – wie angekündigt – aus dem Ergebnis der Hauptaufgabe (zählt doppelt) und dem Ergebnis der Postkartenaufgabe. Hierfür wurden je vier aufgabenspezifische Kriterien im Aufgabenbeschrieb aufgeführt.
– Für die Beurteilung der letzten Aufgabe waren die ausformulierte Gedanken zur Bildausführung sehr hilfreich.
REFLEXION
Das Thema Malen mit Gouachefarben war von der Praxislehrperson gewünscht. Obschon im Feedback ein Teil der Schüler/innen vier Doppellektion für die Hauptaufgabe als zu knapp bewerteten, wurde sowohl das Fotografieren wie auch die 2. Aufgabe als wertvoll und positiv angesehen.
– Auch wenn relativ viel Zeit in das Teilthema Komposition und auf das Erstellen einer guten Vorlage investiert wurde, gab es doch einige fotografische Vorlagen, die schwierig waren umzusetzen, weil sie thematisch, farblich oder technisch nicht wirklich genügten. Dem hätte man – wie es die Praxislehrperson auch schon gemacht hat – durch vorgegebene Fotos (oder durch die Auswahl von einigen vorgegebenen, sehr gut geeigneten Fotos) vorbeugen können. Das hätte die Beurteilung des Malens/Umsetzens sicher vereinfacht.
– Meiner Meinung war aber der Komposition (weil «Komposition» eben nicht nur in der Malerei von Bedeutung ist) ein sehr wichtiger zu vermittelnder Aspekt. Es zeigte sich auch, dass die meisten Schüler/innen es sehr geschätzt haben, von einer eigenen Vorlage auszugehen. Um dieser Problematik (teils keine optimale eigene Vorlage) Herr zu werden, müsste man wohl die Phase der fotografischen Bildkomposition mehr gewichten.
– Die Bildanalysen waren den Schüler/innen hilfreich, die Übungsaufgabe mit der Verteilung von Kieselsteinen auf einer Fläche aber offensichtlich zu Abstrakt.
– Ich habe das ausführliche Feedback der Schüler/innen (viele eigene, treffende Kommentare) sehr geschätzt. Obschon vieles mich nicht so überrascht hat, wird der eine oder andere Hinweis sicher dazu beitragen, eine ähnliche Aufgabe zu einem späteren Zeitpunkt noch besser zusammenzustellen.
– Ich hatte erstmals eine sehr grosse Klasse (22 Schüler/innen) in einem sehr grossen Raum. Im Kontext von «Corona» (mit Abstandregeln und grösstenteils Maskentragen) hatte die Raumgrösse Vorteile, aber es war kommunikativ eine Herausforderung. Lehrerseitig immer alles im Auge zu behalten, für die Schüler/innen der hinteren Reihen waren die A3-Bilder an der Wandtafel sicher recht klein. Gewisse Unterrichtsformen kamen aus organisatorischen Gründen nicht in Frage.
– Nicht desto trotz habe ich mich über den gelungenen Ablauf und die Ergebnisse gefreut. Die letzte Aufgabe, die z.T. sehr gut gelöst wurde, zeigte mir auch, dass mit wenig Zeit (und entsprechender Vorbereitung) sehr viel erreicht werden kann.
Raphaël Schmitt, November 2020