Die SuS aus dem Leistungskurs Kunst, der 12. Klasse im demokratischen Gymnasiums Evangelische Schule Zentrum Berlin (ESZB), hatten Stühle entworfen und Papierkleider designt und schlossen mit meinem Unterrichtsprojekt zu «Spielzeuge der Zukunft» ihr Produktdesign-Semester ab.
INHALT: SACH- UND BEGRÜNDUNGSANALYSE
Spielzeuge sind anregende, emotional und symbolisch aufgeladene Objekte. Teils wichtige Bezugsobjekte in der Kindheit und oft sind sie gar dicht verwoben mit persönlichen Alltags-Abenteuern und Geschichten. Doch sie erziehen auch gesellschaftspolitisch. Sie schaffen u. a. mit aggressivem Gendermarketing Rollenbilder und Stereotypen (vgl. Das Rosa-Hellblau-Dilemma) oder halten gezielt eingesetzt dagegen an (vgl. Puppen für Jungs). Irgendwann werden sie jedoch freiwillig oder forciert immer mehr aus dem Alltag der dem Kindesalter entwachsenden Jugendlichen gedrängt oder durch «komplexere Spielzeuge» aus einem grossen Fundus von Design- und Kunstobjekten ersetzt.
Die Produktion von Design-Objekten ist heute nicht mehr auf wenige begrenzt, die im Besitz von Kapital und einem grossen Maschinenpark sind. Sogenannte «Maker» zielen darauf ab, die Produktionsweisen zu demokratisieren in dem sie in Fablabs Wissen austauschen (vgl. hier) und niederschwelligen Zugang zu digitalen Werkstätten ermöglichen, um dabei nicht weniger als die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen (vgl. Fablab und FabLabCharter).
Mich interessierte es, die SuS durch künstlerische Forschung an vertrauten Alltagsgegenständen spielerisch in dieses Themenfeld hinein zu führen.
ABLAUF
Assoziierend, zeichnend und ertastend setzten sich die SuS mit einem ersten Spielzeug auseinander. Dieses klopften sie dann auf seine praktischen, ästhetischen und symbolischen Funktionen ab. Zur Aufwärmübung suchten sie sich ein weiteres Spielzeug, welches im Gegensatz zum ersten Spielzeug steht (Material, Dichte, Oberfläche, Farbe, etc.). Sie zerlegten beide Spielzeuge und setzten sie als ein Spielzeughybrid neu zusammen:
Nach einer Tages-Exkursion in eine 3D-Werkstätte folgte die Hauptaufgabe: Zwei zweckfremde Alltagsgegenstände (Spielzeug + Gebrauchsgegenstand) zu einem Hybriden entwickeln, wobei die jeweiligen Funktionen erhalten bleiben, verbessert werden oder gar neue entstehen sollten. Nach deren jeweiligen Präsentation diskutierten die SuS die Qualitäten der Objekte. Gewisse waren bereits an der Grenze des «guten Geschmacks», andere lösten neue Assoziationen aus und verschoben dadurch die praktischen, ästhetischen und symbolischen Funktionen.
Dann sollte der Spielzeug-Gebrauchsgegenstand-Hybride digitalisiert werden, um mittels Augmented Reality aufgeblasen als Monument in den öffentlichen Raum gestellt zu werden. Dafür gab es eine anregende Einführung über das MocMoc, ein neues Wahrzeichen am Bahnhof Romanshorn, des Künstlerduos Com&Com. Es spielte mit den Themen von Identität, Partizipation und Provokation. Einige Bürger*innen verglichen es empört mit einem «japanischen Pokémon» oder einer «Plastikente». Dabei diskutierten die SuS, wie ihr Design-Objekt nun auch immer stärker in das Feld der Kunst mäandriert und teilweise auch zu gesellschaftlichen Themen einen Kommentar setzt.
Der nächste Schritt war es dann das, mit der Qlone App gescannte, Objekt verkleinert und vereinheitlicht in Material und Farbe als 3D-Druck zu printen. Desweiteren die Druckdatei unter einer Creative-Common-Lizenz Makern auf der ganzen Welt als Open-Design-Download zur Inspiration oder Weiterentwicklung zu Verfügung zu stellen. Dazu erstellten die SuS eine gemeinsame Website, auf der alle Ergebnisse gebündelt präsentiert werden: www.toysforfuture.home.blog. Diese war dann auch Teil der Sommerausstellung an der die Resultate SuS anderer Lehrgänge und Eltern gezeigt wurden.
BEURTEILUNG
Die Bewertungskriterien setzten sich aus folgenen Punkten zusammen:
1. Formales & 2. Umsetzung:
– Spannung durch Gegensätze
– Formen repetiert oder doppelte zusammen gelegt und verdichtet
– Fähigkeiten erhalten, ergänzt, verstärkt oder neue erzeugt
– Inszenierung und Dokumentation
3. Prozess & 4. Inhalt:
– Reflexionstext zum Vergleich des Hybriden mit dem 3D-Druck und dem AR-Monument, zu praktischen, ästhetischen und symbolischen Funktionen
– Zielgruppenbeschrieb in einem Werbeslogan.
REFLEXION
Das Unterrichtsprojekt hat mit grossem Schwung gestartet. Bereits in der ersten Stunde zerstückelten die SuS lustvoll Spielzeuge, um sie erneut zusammen zu setzen. Das motivierte die SuS trotz Sommerhitze und Schuljahresende fürs Abschlussprojekt. Der direkt darauffolgende Ausflug in eine 3D-Werkstätte brachte einen inspirierenden realen Bezug zu aktuellen und zukünftigen Produktionsmöglichkeiten und schrittweise einen Einstieg in den theoretischen Teil. Rege wurde über den Übergang der Objekte von Design zu Kunst im Kontext zeitgenössischer Kunst diskutiert.
Der 3D-Scan mit den SuS, der 3D-Druck der Objekte in Zusammenarbeit mit der 3D-Werkstätte und der Aufbau der Website dauerten länger als geplant. Das Programm wurde gegen Ende zu dicht und dadurch oberflächlicher. Wodurch die künstlerische Forschung und die Erkenntnisse darüber an Qualität verlor. Es hätte das Potenzial für ein längeres Unterrichtsprojekt und auch für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Fächern Geschichte, Ethik und Wirtschaft.
Dem Projekt könnte durch weitere künstlerische Forschung und Strategien das Thema Objektstudie, Stop Motion oder eine Vertiefung von Gender & Design folgen. Es wäre auch möglich gezielt weitere «Toys» zum Verkauf an einem Design-Markt oder an einem Schulevent zu entwickeln.