Praktikum an einem Kurzzeitgymnasium 1. Klasse
Abstract
Das Praktikum erstreckt sich über acht Doppellektionen, von denen die ersten drei Kurzaufgaben im Feld der Malerei, Pinselführung und Farbe beinhalten und die restlichen fünf Doppellektionen sich einer längeren gestalterischen Aufgabe widmen.
In den ersten drei Doppellektionen des Praktikums wird ein spielerischer Zugang zur Malerei und Farbe ermöglicht. Verschiedene Kurzaufgaben bieten den Teilnehmer*innen die Gelegenheit, Theorie praktisch zu erfahren.. Ziel ist es, ein grundlegendes Verständnis für die Wirkung von Farben zu entwickeln und erste Erfahrungen beim Malen zu sammeln.
In der längeren Aufgabenstellung sollen die Schüler*innen ihr Erlerntes anwenden und eine malerische Ansichtskarte gestalten.
Sach- und Bedingungsanalyse
Das Oberthema Sehnsuchtsort verknüpft den Alltag mit den eigenen Wünschen. Die Schüler*innen fotografieren einen Raum ab und nehmen diese Handyfotografie in den Unterricht mit. Sie transformieren einen ihnen bekannten Raum, in einen Sehnsuchtsort. Das Praktikum findet im Winter statt und es war oft kalt und regnerisch. Die Ansichtskarte ermöglicht den Schüler*innen aus einem bekannten Ort eine Wohlfühloase zu kreiiren. Der Sehnsuchtsort soll persönlich sein und über einen einfachen Strand mit Palmen hinausgehen. Die Schüler*innen sollen in sich gehen und sich fragen, welche Gegenstände (materiell oder immateriell) sie glücklich machen. Sehnsucht ist ein universelles Thema. Die Herausforderung – und was es spannend macht – ist sich das Thema zu etwas eigenem, persönlichen anzueignen.
Inhalt
Erste Doppellektion
Erste Annäherung an das Thema Farbe.
Übung 1: Farbkarten sortieren
Es wurden drei Teams gebildet und Farbkarten verteilt. Die Aufgabe war es nun, die Farbkarten in eine Ordnung zu bringen. Die Teams wählten verschiedene Arten der Ordnung an. Ein Team sortierte nach Farbwerten. Ein Team ordnete die Farbkarten im Kreis an, das letzte Team erstellte einen Strang.
Danach diskutierten wir über die drei Parameter: Helligkeit, Farbton und Sättigung. Die Farbkarten waren von einem Baumarkt und hatten spezifische Beschriftungen. Zum einen wegen der genauen Mischangaben und zum anderen erfunden Farbnamen wie z.B. Basketballorange. Wir eröffneten eine Diskussion, wer den Farben überhaupt Namen gibt und inwiefern die Industrie mitredet.
Übung 2: Malen nach Wörtern
Alle Schüler*innen erhielten ein Bild mit einer Transparentfolie. Nun mussten sie mit einem Folienmarker die Farbfelder auf der Fotografie markieren und in Worten die Farbe möglichst so beschreiben, dass ein*e Klassenkamerad*in die Farben nur mit der Beschreibung möglichst gut Nachmischen und auf ein anderes Blatt malen konnte.
Zweite Doppellektion
Die Klasse wurde in drei Gruppen aufgeteilt und sahen sich die Übung von letzter Woche genauer an. Folgende Fragen wurden dazu gestellt:
Welche Arten der Farbbeschreibung treffen wir hier an? Wählen Sie zwei Beispiele unterschiedlicher Art.
Welche Beschreibungen geben genug Information ab, um die Farbe nachzumischen? Wählen Sie ein Beispiel.
Welche Beschreibungen sind zu ungenau und wieso? Wählen Sie ein Beispiel.
Nach einem theoretischen Input über Ittens und Küppers Farbkreis, und deren Tücken und Mankos, gingen wir zu einer weiteren Kurzübung.
Folgende Hypothese wurden in den Raum gestellt: Wenn unsere Drucker mit CMYK drucken, ist es dann möglich ein Bild zu übermalen mit den Farbtuben Cyan, Magenta, Yellow und Schwarz, und dabei alle Farbtöne des Bildes zu simulieren?
Die Klasse erhielt dieselbe Postkarte für diese Aufgabe (von Timbuktu Postkartenständer erworben) und malte mit Temperafarben.
Dritte Doppellektion
In der dritten Doppellektion ging es um die Farbwahrnehmung. Folgende Übung wurde dazu eingeleitet:
Die Begriffe waren spezifisch:
himmeltraurig
herzzerreissend
todesmutig
seelenruhig
lebensfreudig
schlaflos
hundemüde
märchenhaft
wutentbrannt
liebesverrückt
Diese Aufgabe bietet eine gute Ausgangslange um über gesellschaftlichen Konsens bei Farben, kulturelle Unterschieden und Subjektivität vs. Objektivität zu reden.
Als Hausaufgabe mussten die Schüler*innen auf die nächste Lektion eine Fotografie eines Raumes mitnehmen. Der Raum musste einer sein, mit dem sie Lust haben zu arbeiten für das längere Projekt.
Vierte und fünfte Doppellektion
Übung 1: Anhand der Farbkarten, die in der letzten Woche angefertigt wurden, sollen die Schüler*innen harmonische und spannungsreiche Farbzusammenstellungen machen.
Danach wurde das Aufgabenblatt verteilt und zusammen durchgegangen.
Danach ging es um den Entwurfsprozess. Welche Inhalte von der Fotografie des Raumes sollen in der Postkarte vorkommen? Welche Bildelemente könnte ich hinzufügen?
Wir diskutieren, was ein Sehnsuchtsort alles sein kann. Ist es möglich, dass Palmen am Strand ein individueller Sehnsuchtsort ist? Wie geht man an einen Entwurfsprozess heran. Devise -> Alle Ideen müssen raus! Die Schüler*innen skizzieren auf a6 Blättern und mit Bleistift. Nach der ersten Entwurfsrunde werden die Skizzen ausgebreitet und verschiedene Herangehensweisen hervorgehoben.
sechste siebte und achte Doppellektion
Da es bei meiner Aufgabenstellung nicht um den Aufbau einer Malerei geht, sondern um die Farbgebung und die inhaltliche Auseinandersetzung, wird die endgültige Skizze mit dem Fotokopierer auf ein a5 skaliert und ausgedruckt. Die Schüler*innen können mit den deckenden Temperafarben nun direkt über ihre Skizze malen. Zuerst sollen sie jedoch an einem Farbkonzept arbeiten und sich auf einem separaten Blatt eine Farbzusammenstellung machen. Anhand von Comics wird gezeigt, was es bedeutet eine Farbpalette zu definieren und diese durchzuziehen. Comics eignen sich da gut, da meist anfangs Farben bestimmt werden und sich über alle Bilder weiterziehen. Zwei verschiedene Beispiele werden gezeigt. Ein sehr knalliger Graphic Novel und ein Graphic Novel, welcher vor allem in Sepia-Farbtönen gemalt wurde.
Beispiele Endresultate
Reflektion
Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem «Sehnsuchtsort» war nicht ganz einfach. Es wurden schnell auf banale Stereotype zurückgegriffen. Der persönliche Zugang zu Sehnsucht musste mehrmals mit der Klasse thematisiert werden, was Zeit kostete und die Schüler*innen verunsicherte. Viele verwandelten ihr ausgewähltes Zimmer nicht zu einem Sehnsuchtsort indem sie ein Bildelement hinzufügten, sondern fusionierten einen Ferienort mit ihrem Raum, z.B. durch das Fenster, sah. man plötzlich den Eiffelturm.
Würde ich diese Unterrichtseinheit noch einmal aufgreifen, würde ich ein anderes inhaltliches Thema wählen. Die Schüler*innen wurden zudem dazu aufgefordert einen Raum auszuwählen, mit dem sie nachher auf der Postkarte arbeiten sollten. Dies jedoch ohne zu wissen, dass sich das Oberthema um Sehnsuchtsorte drehen wird. Dies gibt in der Retrospektive keinen Sinn, da die Schüler*innen so einen zufälligen Ort wählten und plötzlich sollte es ein Sehnsuchtsort darstellen. Ich rettete die Aufgabenstellung so, dass ich den Schüler*innen nahelegte, dass sie den Ort jetzt in einen Sehnsuchtsort verwandeln müssen. Nachdem diese Schönheitsfehler korrigiert wurden ging es jedoch wieder sinnvoll zu und her.
Bei der Notengebung merkte ich jedoch, dass wir von den Kriterien und der Aufgabenbeschreibung somit natürlich minim abgewichen sind. Zwar wurde das im Unterricht zusammen thematisiert und die Anpassung der Aufgabenstellung angeschaut, aber ich bin nicht mehr darauf eingegangen, dass das Aufgabenblatt demnach noch einige veraltete Beschreibungen beinhaltet. Das heisst genau gesagt, dass ein Bewertungskriterium nichtig wurde, da wir es im Unterricht nie angeschaut haben. Bei der Benotung an sich merkte ich dann, dass Schüler*innen theoretisch auf das Aufgabenblatt verweisen könnten, wenn sie unzufrieden mit ihrer Note sind. Falls so etwas noch mal passieren würde, muss ich unbedingt eine zweite Version des Aufgabenblattes verteilen und die Anpassungen des Kriterienrasters mit der Klasse besprechen! Rollende und flexible Planung finde ich sinnvoll, bedarf jedoch bürokratischer Anpassungen, um Verwirrung zu vermeiden.
Un nun ganz Allgemein:
Der Aufbau mit den Einstiegsübungen bereitete der Klasse grossen Spass und die LP-SuS-Beziehung profitierte von der lockeren, wenn auch sehr rassigen, Athmosphäre am Anfang des Praktikums. Für dieses Praktikum bereitet ich die Feinplanung penibel in einem Raster vor und ordnete die Materialien gut sortiert auf meinem Rechner. Die vorherigen Praktika habe ich damals handschriftlich und mit Skizzen, also visuell zwar kreativer, vorbereitet, dennoch erkenne ich den Mehrwert der genauen Vorbereitung und Archivierung der Feinplanungen, da es in Zukunft viel einfacher sein wird, dieses Projekt und die Planung mit einer Klasse zu wiederholen.