Im Grundlagenfach „Bildnerisches Gestalten“ an der Atelierschule in Zürich beschäftigen sich die Schüler:innen der 11.Klasse mit Natur- und Landschaftstudien. Das Thema «vernetzte Pflanzenwelt» soll den Blick auf die Welt als zusammenhängender Organismus schärfen und das Verständnis für die Mensch-Natur-Beziehung sensibilisieren. Im Anschluss auf das Grundlagenfach folgt ein zweiwöchiges Landschaftspraktika im Engadin.
Während dem 4 wöchigen Grundlagenfach „Bildnerisches Gestalten“ findet der Unterricht außerhalb des Klassenzimmers statt. Auf verschiedenen Exkursionen im Raum Zürich beobachten und skizzieren die Schüler:innen die Pflanzenwelt, die Vegetation und die Landschaft. Das Endprodukt ist ein gefülltes Skizzenheft.
2. Sach-und Bedingungsanalyse
Atelierschule Zürich (Rudolf Steiner Schule Zürich), Grundlagenfach BG: 11.Klasse, 14 Schüler:innen, 17 Lektionen, 10.05.2023 – 01.06.2023
Der Unterricht findet ausserhalb des Klassenzimmers statt. Im Vorfeld recherchierte ich darum verschieden Orte in Zürich, die sich zum Skizzieren mit Schulklassen eignen. Ich durchwanderte verschiede Parks, Wiesen und Wälder und dachte mir «Schlechtwetter-Alternativen» aus. Ich besuchte Institutionen wie z.B. die Sukkulenten-Sammlung, den Botanischen Garten und den Zoo Zürich. Eintrittspreise, Öffnungszeiten, Gruppenanmeldungen und die Erreichbarkeit mit ÖV galt es abzuklären und zu organisieren. Für das Praktikum kaufte ich neue Skizzenbücher und verschiedene Stifte. Für die Gruppen-Kommunikation richtete ich einen «WhatsApp-Chat» ein. Nicht nur die Standorte und Treffpunkte wurden so geteilt, sondern auch Beispielbilder damit ausgetauscht.
Das Thema der «vernetzten Pflanzenwelt» beschreibt die Erkenntnis, dass Pflanzen in einem komplexen Netzwerk miteinander kommunizieren und interagieren können. In den letzten Jahren wurde zunehmend erkannt, dass Pflanzen über ihre Wurzelsysteme, Pilznetzwerke und chemische Signale miteinander verbunden sind und Informationen austauschen können. Dieses Phänomen, das als «pflanzliche Intelligenz» bezeichnet wird, eröffnet ein neues Verständnis für die Natur und ermutigt dazu, die Pflanzenwelt zu schützen und sich selbst als Teil eines größeren Organismus zu sehen. Das Ziel ist, das Bewusstsein für die enge Verbindung der Pflanzenwelt zu schärfen und eine nachhaltige Beziehung zu ihr zu entwickeln.
Weitere Fragestellungen:
Das traditionelle Verständnis von Natur wird als etwas Trennendes oder von der menschlichen Einflussnahme Unberührtes definiert.
-> Wandel des Naturbegriffs: Was ist Natur? Gibt es noch eine „natürliche Natur“? (Kunstpädagogik, J.Penzel, ecological turn, 2019)
-> “Mit James Bridle die Welt neu sehen“ Fernsehepisode: Sternstunde Philosophie, 29.März 2023
3. Lernziele und Beurteilungskriterien
Lernziele: Die Schüler:innen schärfen ihre Wahrnehmung durch verschiedene Zeichnungs- und Skizziertechniken.
4. Ablauf
Wir begannen das Thema «Vernetzte Pflanzenwelt» mit einem Filmausschnitt aus dem Film «Fantastic Fungi», der eindrucksvoll die Welt der Pilze darstellt und verdeutlicht, dass auch wir selbst aus Pilzen bestehen.
In der Sukkulenten-Sammlung in Zürich blühten zahlreiche Kakteen in den Glashäusern. Beim Skizzieren konzentrierten sich die Schüler:innen hauptsächlich auf bestimmte Bildausschnitte, indem sie mit den Fingern einen Sucher bildeten. Die Kakteen wurden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und ausgewählte Details wie Blüten oder Kaktusstacheln genau studiert und im Skizzenbuch festgehalten. Den Schüler:innen wurde anschaulich vermittelt, wie Sukkulenten in ihren fleischigen Blättern Wasser speichern, um in sehr trockenen Gebieten zu überleben. Auch die vielseitigen Eigenschaften der «Wunderpflanze» Aloe Vera wurden genauer untersucht.
Im Park skizzierten die Schüler:innen Bäume und fokussierten sich auf die «negativen Formen» und «positiven Formen». Auch die Formen und Texturen der Baumrinden wurden festgehalten.
In der Masoala Halle im Zoo Zürich erkundeten wir einen Teil des Regenwalds und hielten die Vielfalt der tropischen Vegetation in unseren Skizzenbüchern fest. Die Schüler:innen konzentrierten sich dabei vor allem auf die Formen und Texturen der einzelnen Pflanzen. Wir sprachen auch über die bedrohte Abholzung und Rodung in Madagaskar, die eine große Herausforderung für die dortige Pflanzenwelt darstellt.
An den letzten beiden Nachmittagen lag der Fokus auf der räumlichen Empfindung. Statt Pflanzen als isolierte Objekte darzustellen, wurden sie als Teil einer Landschaft betrachtet. Die Schüler:innen konzentrierten sich dabei auf den Vorder- und Hintergrund sowie die Horizontlinie.
Alle Einheiten waren wie folgt strukturiert:
1. gemeinsame Aufwärmübung (ca. 10 Minuten)
2. Wissensinput zum Thema «vernetzte Pflanzenwelt» (ca.5 Minuten)
3. freies Skizzieren mit verschiedene Beobachtungsschwerpunkten (60 Min)
4. «Doppelseite-Werkschau» (ca.10 Minuten)
5. Reflexion
Es war faszinierend, einen Einblick in eine Rudolf-Steiner-Schule zu bekommen, die großen Wert auf eine ganzheitliche und fächerübergreifende Bildung legt. Mir gefällt es, dass den künstlerischen, musikalischen und handwerklichen Fähigkeiten viel Raum gegeben wird. Die Schüler:innen zeigten ein starkes Bewusstsein für die Natur und die Umwelt, was sich in kritischen Diskussionen und Hinterfragungen, auch beim Besuch des Zoos, widerspiegelte. Es war sehr eindrücklich zu erleben, wie hochmotiviert und konzentriert die Schüler:innen waren. Oftmals haben Schüler:innen auch nach dem regulären Unterrichtszeiten noch weiter skizziert.
Da wir uns zweimal in der Woche für fünf Stunden trafen, konnte ich eine enge Beziehung zu den Schüler:innen aufbauen und ihre Fortschritte beobachten. Während den praktischen Übungen hatte ich Zeit auf einzelne Fragen einzugehen und die Schüler:innen beim Skizzieren individuell zu unterstützen.
Die Methode der «Werkschau von Doppelseiten» diente in dieser Gruppe als Inspirationsquelle und Lernfeld. Jede:r Schüler:in hatte eine unterschiedliche Herangehensweise und zeigte Bereitschaft, neue Techniken und Ausdrucksformen auszuprobieren. Diese förderten den Austausch und die Vielfalt im Unterricht.
Das Programm konnten ich flexibel den Wetterverhältnissen anpassen. So fanden wir bei Regen nicht nur Schutz in den Glashäusern der Sukkulenten-Sammlung, sondern auch eine spannende Umgebung zum Skizzieren. Da wir unterwegs waren und die Schüler:innen viel Gepäck mit sich herumtrugen, erwies sich die Sammeltasche für alle Skizzenbücher und Stifte als sehr praktisch. Der Klassenchat war nützlich, um neben Informationen auch Beispielbilder auszutauschen.
Die Praktikumszeit an der Atelierschule in Zürich war eine sehr lehrreiche Erfahrung.
Foto aus dem Skizzenheft von Alysha.