Stop Motion Animation (2. Klasse Langzeitgymnasium)
Abstract
Schüler und Schülerinnen gingen von Alltagsgegenständen aus und konzipierten daraus einen max. 1-minütigen Animationfilm. Als Leitmotiv in diesem Film standen die Begriffe Verfremdung, Überraschung oder Irritation. Die Schüler*innen arbeiteten zu zweit oder zu dritt und wählten einen Alltagsgegenstand als Hauptprotagonist für ihre Animation aus. Dieser sollte dann verfremdet werden, eine Irritation provozieren oder eine überraschende neue Funktion ausüben.
Der Inhalt der Filme entwickelten die SuS selbst, dieser sollte klar visualisiert werden. Dafür wurde das Medium Storyboard eingeführt und zusammen geübt, wie man solch aufwendige Technik wie die des Stopmotiones planen kann. Gearbeitet wurde mit den Handykameras der Schüler*innen und der Gratisversion des Apps «Stop Motion Studios».
Begründungs- & Sachanalyse
Dieses Praktikum erstreckte sich über acht Doppellektionen hinaus und wurde mit einer zweiten Klasse des Langzeitgymnasiums Reussbühl absolviert. In der Klasse waren fünfzehn Schüler*innen, alle etwa im Alter von vierzehn Jahren.
Das Projekt Der Lauf der Dinge bewegte sich inhaltlich um Objekte rund um ihren Alltag und weist somit einen Bezug zu den individuellen Lebensräumen der Schüler*innen auf. Mit spielerischen und assoziativen Einstiegsübungen sollte den Schüler*innen das Potenzial des Zufalls nähergebracht werden. Sie sollten merken, dass man mit jedem Objekt gestalterisch arbeiten kann. Dafür lernten sie verschiedene (ko-)laborative Methoden kennen, um auf gestalterische Ideen zu gelangen. Der Klasse wurde die Aufgabe gestellt, auf möglichst viele Ideen zu gelangen die mit der Verfremdung, Überraschung, Irritation oder Transformation eines Objekts in Verbindung standen. Eine dieser Umsetzungen sollte dann in den 3D-Raum transferiert werden und als Claymation umgesetzt werden.
Bei den Ideenfindungsübungen merkten sie, dass es für einen selbst zugängliche und weniger zugängliche Objekte gibt. Anhand von Kriterien wurde zusammen elaboriert, was für Objekte sich für das Projekt eignen würden.
Die Stop-Motion Technik ist eine aufwendige und bedingt verschiedene Arbeitsschritte in der Preproduction, Production und Postproduction. Die Schüler*innen nahmen selbst Arbeitsaufteilungen vor durchliefen aber trotzdem alle die technischen und gestalterischen Inputs.
Die Schülerinnen und Schüler hatten in der Gestaltung der Filme auf inhaltlicher und gestalterischer Ebene viele Freiheiten. Die einzige Vorgabe war das Objekt und Knete zu benutzen. Diese Freiheit erachte ich als Vorteil zur Förderung des Erfinderreichtums und des selbständigen Arbeitens. Insbesondere mussten die Schüler*innen auch noch als Team funktionieren und organisatorische Aufgaben übernehmen, sowie ihre Ideen verbal verständlich kommunizieren oder visuell verständlich skizzieren.
Die Schwierigkeit des Projekts lag darin, sich von der Funktion des ausgewählten Objekts zu lösen und die Erzählung des Kurzfilms auf das Wesentliche zu reduzieren um den Inhalt verständlich visuell erzählen zu können.
Lernziele und Beurteilungskriterien
Lernziele:
– Experimentieren an der Schnittstelle von 2D und 3D.
– Wechselwirkung von Standpunkt und Perspektive begreifen.
– Gestalten oder verändern von Räumen, Objekte oder Modellen.
– Arbeiten mit einer erweiterten Auswahl unterschiedlicher analoger und digitaler Medien
– selbstständig alternative Lösungen während des Bildfindungsprozesses erproben.
– Assoziation und Zufall in bildnerische Arbeiten einfliessen lassen.
Beurteilungskriterien:
Prozess:
– Reichtum der Ideensammlung / Sichtbarkeit Planungsschritte und Organisation / Visuelles Denken / Vollständigkeit
Bildaufbau:
– Wirkung der Bildgestlatung und Komposition / Inzenierung / Stimmigkeit Perspektive und Blickwinkel der Kamera
Inhalt:
– Verständlichkeit / überraschende Erzählung
Technik:
– Geschwindigkeit und Fluss der Animation passt zur Erzählung
Verlauf des Praktikums
- Doppellektion
Erst sich Kennenlernen, dann:
Einleitung inhaltlichen Thema mit einem zeichnerischen Zugang.
Die Klasse erhielt jeweils Pinsel, Tusche und pro Zeichnung 3 Minuten Zeit. Die Bänke stellte ich vis-a-vis voneinander auf. Jeweils in der Mitte von zwei sich gegenübersitzenden Schüler*innen eines von zahlreichen Objekten. Pro Runde gab es eine Aufgabe von mir. Diese lautete zum Beispiel wie folgt: Zeichne das Objekt ab mit einer Veränderung oder: Zeichne das Objekt nur zur Hälfte, dann: sitze an ein anderes Pult und zeichne für die fehlende Hälfte das neue Objekt. etc.
2. Doppellektion
Die Zeichnungen wurden besprochen. Wie wirkt ein gezeichnetes Objekt, welches das ganze Papier ausfüllt? Wie wirkt es, wenn das Objekt ganz klein auf dem Papier (quasi dem Frame) platziert wurde? Für die Besprechung wollte ich die Hemmschwelle möglichst tief behaltet, weshalb ich Zettel verteilte. Alle SuS mussten auf mindestens zwei Zetteln ein Adjektiv schreiben über eine Zeichnung «Wie wirkt das Objekt auf diesem Bild?» und unter eine Zeichnung legen.
Danach wechselten wir in den animierten Raum und zwar mit der bescheidensten Form einer Animation: der Diashow! Die SuS erhielten je eine Spielzeugauto und mussten es von einem Punkt A zu einem Punkt B in der Animation bringen. Regel: Das Auto darf nicht einfach nur fahren! Zusätzlich zum Spielzeugauto erhielten sie auch Knete. Eine Animation von 10 Fotografien sollte am Ende der Lektion auf meinen Rechner geschickt werden. Die Schüler*innen sollten dabei darauf achten, welchen Bildausschnitt sie wählten für die Fotografien und wie sie das Auto auf der Fotografie platzierten. In der Anfangsbesprechung der Zeichnung wurde dies thematisiert. Die Kürzestanimationen schauten wir uns danach, am Ende der Lektion, an. Diese Übung absolvierten die Schüler*innen bereits in der Gruppe, in der sie nachher auch das Hauptprojekt angingen. Als Hausaufgabe musste jede Gruppe einen Alltagsgegenstand in die nächste Lektion mitbringen.
Beispiel von zwei Schülerinnen
3. Doppellektion
Aus den Auto-Diashows nahm ich jeweils eine Fotografie heraus und druckte sie auf ein Papier. In der Klasse besprachen wir die Hintergründe der jeweiligen Fotografien. Inwiefern erzählt der Hintergrund mit? Für welche Narration stört der Schulzimmer-Hintergrund? Bei welcher erzählt er mit?
Das Aufgabenblatt wurde verteilt.
Danach bereitete ich verschiedene Stationen vor, um das Potential der mitgebrachten Objekte auszuloten und das kollektive Gedächtnis der Klasse zu nutzen. An einem Tisch wurde kollektiv für die jeweiligen Objekte gebrainstormed in Form eines visuellen Mind-maps. Zudem gab es einen persönlichen Fragebogen pro Gegenstand. Ich verteilte eine Drehbuchvorlage und bat die Klasse in ihren Gruppen, ihre zwei besten Ideen in eine szenische Reihenfolge zu bringen.
4. Doppellektion
Es wurde an den Drehbüchern weitergearbeitet und eine Feedbackart: Der Fischteich eingeführt. Dabei wurde jeweils ein Drehbuch gelesen und in einer Gruppe von ca. 6 Schüler*innen der Reihe nach auf drei Fragen geantwortet: 1) Was sehe ich in dem Storyboard? 2) Was verstehe ich in dem Storyboard? 3) Was verstehe ich nicht?
Danach sollten die Gruppen jeweils ihr Storyboard überarbeiten. Hier war bei vielen Gruppen die Schwierigkeit, dass die Ideen den Zeitrahmen sprengten.
5. Doppellektion – 8. Doppellektion
Das App Stop Motion Animation wurde erklärt und im Zuge dessen auch noch gleich wie die Bewegungen von animierten Objekten natürlicher wirken können. (Beschleunigung/ Entschleunigung)
Was kann man in der Postproduktion noch anpassen und was gibt es alles für Kameraeinstellungen?
Es stand Material bereit, für die Gruppen, die einen Hintergrund machen wollten und Knetmasse für die Interaktion mit ihrem Alltagsgegenstand. Die Schüler*innen hatten jeweils ein Mini-Stativ für ihre Handys.
Am Ende der 8. Doppellektion wurden alle Animationen gewürdigt und zusammen angeschaut.
Beispiele von Schüler*innen
Reflexion
Im Grossen und Ganzen war ich mit den entstandenen Ergebnissen zufrieden. Man merkte, dass sich die Mehrheit der SuS sehr ins Zeug legten, Spass bei der Umsetzung hatten und einiges aus dem Projekt mitnehmen konnten. Durch den Einfluss von TikTok etc. waren viele mit Schnittprogrammen bereits geübt und technische Inputs wie das Erklären eines Schnittprogramms erübrigten sich dadurch. Den Einstieg mit der Diashow finde ich raffiniert, da der Fokus dort auf dem einzelnen Bild liegt und dennoch bereits das Konzept von Stop Motion verstanden wird. Die zeichnerische Anfangsübung würde ich das nächste Mal weglassen und gleich mit Knete und Kamera beginnen.
Die Aufgabe von Alltagsobjekten auszugehen, bereitete einigen SuS jedoch etwas Mühe. Es fiel auf, dass viele Gruppen in ihren Videos zwar Alltagsobjekte integriert hatten, aber keine wirkliche Neuinterpretierung des Alltagsgegenstandes passierte. Bei einer Wiederholung dieses Projektes würde ich ein echtes inhaltliches Thema, wie zum Beispiel «Picknick» aufgeben. Die Verwandlung eines Gegenstandes ist schliesslich eher eine formale Spielerei, wie ein inhaltlicher Anknüpfungspunkt.
Dadurch, dass die Klasse sehr klein war (14 Schüler*innen) konnte intenstiv an den Storyboards und an der Narration gearbeitet werden. Dafür wurden technisch nur die Basics eingeführt.
Es brauchte viel Stauraum, da die Schüler*innen in der kommenden Woche ihre Knetfiguren und Hintergründe wieder aufbauen mussten und sie aber unter der Woche möglichst unversehrt lagern mussten. In der Animation merkte man die Breaks und und die verschiedenen Lichteinstrahlungen etwas. (Ein Schüler in der Klasse hatte jedoch die Idee, jede Woche eine neue Szene zu beginnen z.B. ein Close-up, um diese leichten Verschiebungen zu vertuschen.) Die Klasse war interessiert und hat sich ausnahmslos für das Projekt engagiert.