An zwei ganzen Tagen setzten sich 24 ErstklässlerInnnen der Kantonsschule Ausserschwyz (Kurzzeitgymnasium), Pfäffikon, innerhalb ihrer Studienwoche mit dem Thema «der Baum in der Kunst» auseinander. Die Unterrichtsreihe startete mit einer erfinderischen Expedition in den angrenzenden Wald, die die SuS dazu einladen sollte, ihr vermeintlich so bekanntes Umfeld mit neuen, neugierigen Augen zu sehen. Dabei nahmen sie die Fragen, wie es mit Klimakatastrophe, Artensterben, Biodiversität steht und – als Schwerpunkt – was Bäume und Gehölze dazu erzählen „im Hinterkopf“ mit. Als Hauptaufgabe erfanden sie dazu einen eigenen Baum inklusive Wurzel, Stamm und Krone, den sie mittels ihrem Tetrapak-Druck in unser Schul-Arboretum pflanzten, um seine Art für die Zukunft zu konservieren.
Inhalt:
Sach- und Begründungsanalyse:
Seit jeher übt der manuelle Bilddruck eine besondere Anziehungskraft auf fast alle Künstler aus. Die menschliche, direkte Technik lässt Spielraum für elementare Fantasie und Experimentierfreudigkeit. Es steckt viel Abenteuerliches im Entstehungsprozess der Druckgrafik, denn bis zum letzten Augenblick bleibt im Unklaren, wie sie wirklich ausfällt. Beim Drucken kommen die SuS mit ungewohnten Materialien und mit neuen Werkzeugen in Kontakt, welches sie zum Experimentieren motiviert. Die Erfahrungsfelder kognitiven und sozialen Lernens sind überaus vielschichtig: in der Vorbereitung eines Druckes, im Umsetzen einer Zeichnung, in der Koordination all der handwerklichen Einzelschritte zugunsten eines zwar arbeitsteiligen, aber auch in sich geschlossenen Arbeitsprozesses. Auch das spiegelverkehrte Arbeiten fordert komplizierte Reflexionen der SuS.
Thema:
Der Baum in der Kunst – Radierung/TetraPak Druck
Bäume stellen für Künstler ein wunderbar abwechslungsreiches Thema dar, nicht nur wegen der Vielfalt an Formen, Charakter und Farben, sondern auch auf Grund des Reichtums an Assoziationen, Mythen, Folklore, religiöser und symbolischer Bedeutung, den sie zu verkörpern vermögen. Die Vielzahl der Darstellungsmöglichkeiten ist geradezu unerschöpflich. Für die SuS geht es darum, die Schönheit/Eigenarten und Symbolkraft von Bäumen wahrzunehmen, verstehen und wertschätzen zu lernen. Bäume sollen als ein Spiegel der menschlichen Seele empfunden werden und sie sollen lernen, sich in Baumbildern ausdrücken zu können.
Literatur:
- Rhein, E. (1971). Die Kunst des manuellen Bilddrucks: Eine Unterweisung in d. graph. Techniken.
- Hyland, A. & Wilson, K. (2021). Bäume in der Kunst.
- Rollig, S. & Halak, M. (2022). Grow. Der Baum in der Kunst: Belvedere Wien 2022.
- Marvin, L. (2020). Uralte Weisheiten der Bäume: Was Bäume über unser Leben verraten.
Lernziele und Beurteilungskriterien:
Lernziele:
- Die SuS können sich, durch die Aktivierung und den Waldspaziergang mit dem Thema „Baum in der Kunst“ verbinden.
- Die SuS kennen die verschiedenen Bedeutungen des Baumes in der Kunst.
- Die SuS lernen das Verfahren des Tiefdrucks und der Radierung kennen.
- Die SuS können ein eigenes Projekt in dem Verfahren des Tetrapak-Drucks umsetzen.
Beurteilungskriterien:
- Inhalt: Baumart und Abbild auf der Druckplatte
- Radierung: Linien zum Beschreiben von Formen, Tonalität zum Abwägen von Volumen und Gewichten
- Sorgfalt: Genauigkeit und Detailtreue
Ablauf:
Der Beginn der zwei Studientage und der vorliegenden Unterrichtsreihe steht unter den Begriffen: Wahrnehmung, Kontext und Orientierung.
Wir starten mit einer Wald-Exkursion, einer Walderfahrung mit allen Sinnen. Hierbei sollen die SuS den Wald aktiv erleben sowie intensiv und bewusst wahrnehmen. Ihre vielfältigen Eindrücke halten sie dazu in Skizzen und Notizen sowie mit dem Sammeln von Blättern und anderen Wald-Gegenständen fest. Auf ihrer Entdeckungsreise dürfen sich die SuS auf Dinge oder Plätze konzentrieren, die sie schön bzw. traurig finden und auf die sie ihre KlassenkameradInnen aufmerksam machen wollen. Farben, Formen und Materialien. Entdecken und Sammeln, Sortieren und Gestalten sind angesagt. Eine Naturwahrnehmung.
Begleitend liest die Lehrperson ein paar kurze Anekdoten aus dem Buch „Uralte Weisheiten der Bäume – Was Bäume über unser Leben verraten“ vor. Dadurch bekommen die Bäume einen Charakter, ihre Passivität und Selbstverständlichkeit wird aufgelöst und sie werden zu achtenswerten, spannenden Lebewesen, die uns für die weitere Arbeit inspirieren.
Im Klassenraum besprechen wir anschliessend die gemachten Erfahrungen. Die SuS empfinden den Wald als einen natürlichen Lebensraum und verbinden ihn vorwiegend mit Ruhe, Frieden, Leben, Natürlichkeit. Sie sehen ihn auch als Erholungs- und Rückzugsort für den Menschen an. Aus den Notizen wird klar, dass der Wald derzeit aber auch bedroht ist, dass die SuS sich um ihn sorgen und ihnen Anzeichen von Zerstörung und Verfall aufgefallen sind.
Um sich noch weiter rezeptiv und praktisch mit dem Wald zu beschäftigen, und einen Bogen zu dem anschließenden Druckprojekt zu schliessen, arbeiten die SuS mit der „Frottage“. Mittels einem weichen Bleistift wird die Oberflächenstruktur der gesammelten Laubblätter auf Papier überführt. Dazu werden die Arbeiten von Max Ernst, der in seiner „Histoire Naturelle“ im Jahre 1925 die Frottage als künstlerische Ausdrucksmöglichkeit maßgeblich prägte, gezeigt.
Nach der praktischen Auseinandersetzung mit dem Wald lernen die SuS Kunst in Bezug auf den Baum kennen. Der Baum ist in der Kultur tief verwurzelt – als Vermittler zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen, als Objekt der Wissenschaft, als Warnsignal ökologischer (Fehl-)Entwicklungen. Als Referenz sehen wir uns Videos über die Ausstellung GROW im Belvedere (Wien, 23. September 2022 – 8. Januar 2023, kuratiert von Miroslav Haľák) an.
- Kapitel 1: Baum der Erkenntnis von Gut und Böse / Das Übernatürliche im Baum
- Kapitel 2: Baum des Wissens / Inspirierende Ähnlichkeit und praktische Form
- Kapitel 3: Achse der Welt / Vom Symbol des Lebens zum Statement des Überlebens
Der zweite Teil des ersten Tages steht unter dem Begriff: Prozess.
Die Tetra Pak Radierung (auch Tetra Pak Intaglio oder Milchtütendruck genannt) ist eine experimentelle Version der traditionellen Kaltnadelradierung oder Tiefdrucktechnik.
Wie funktioniert der Tiefdruck? Beim Tiefdruck sind es fast ausschliesslich die vertieften Stiche, Punkte, Tonflächen der Druckplatte, die – nach Einreiben der Platte und nach anschliessendem Abwischen der noch stehengebliebenen Fläche – Druckfarbe empfangen und abgeben kann.
Es folgt „Aufgabe 01“. Die SuS setzen ihre Zeichnung des Laubblattes in eine Radierung auf dem TetraPak um und sammeln erste Druckerfahrungen mit den neuen Materialien.
SuS-Arbeiten des ersten Tages:
In Gruppenarbeit gestalten die SuS jeweils ein Plakat zu den drei Themenfeldern des Baumes und erarbeiten insbesondere die visuellen Merkmale, die sie später für die Umsetzung ihres Druckes verwenden können.
Die Zeichnung wird auf den Druckstock (Tetrapak) übertragen und mit der Radiernadel wird die Tiefdruck-Schablone erstellt:
Entweder kann der Druck mit der Reibetechnik (mittels einem Kochlöffel) oder mit der Nudelmaschine erstellt werden:
SuS-Arbeiten des zweiten Tages:
Der Abschluss wird durch das Präsentieren und Kommunizieren vollzogen.
Durch das gegenseitige Reflektieren können sich die SuS ein ästhetisches Urteil bilden und dieses begründen sowie ihre gesammelten Erfahrungen mitteilen.
Reflexion:
Ich war in der Idee, der Umsetzung und der Ausführung dieser zwei Studientage komplett frei, sodass die gesamte Planung und Durchführung in meiner eigenen Hand lag. Dies war im Vergleich zu meinen beiden vorherigen Praktika, eine für mich neue, spannende und durchaus anspruchsvolle Erfahrung. Der Vorbereitungsaufwand für zwei volle, aneinander gereihte Tage ist enorm und darf nicht unterschätzt werden. Eine rollende Planung, wie dies bei acht Doppellektionen, verteilt über mehrere Wochen, der Fall ist, entfällt. Auch der Energie-Aufwand als Lehrperson kann nicht mit dem Abhalten von einer Doppellektion verglichen werden.
Ich habe mich bewusst für die experimentelle Version der Tiefdrucktechnik entschieden, da es keine Druckpresse im Schulhaus gab und ich mit vorhandenen „Küchenutensilien“ arbeiten wollte. Einerseits kann dieses Verfahren von den SuS privat zu Hause nachgemacht werden, andererseits verdeutlicht es, dass man „Kunst“ nicht nur mit „Spezialmaterialien“ machen kann. Dennoch würde ich in Zukunft von dem TetraPakDruck im Schulkontext Abstand nehmen, sofern im Schulhaus eine Druckpresse vorhanden ist, da dieses Verfahren zusätzlich ein sehr präzises und sorgfältiges Arbeiten der SuS erfordert, um gute Druckergebnisse erzielen zu können. Eine Enttäuschung über das Druckergebnis, kann nach stundenlanger Arbeit mit dem Druckstock, die Motivation der SuS hemmen.
Die SuS zeigten grosses Interesse an den biologischen Inhalten (Wurzel, Stamm, Krone eines Baumes) innerhalb der Gruppenarbeit. Hier möchte ich in Zukunft unbedingt weiter dran arbeiten. Dieses Projekt eignet sich hervorragend für ein fächerübergreifendes Projekt mit der Biologie. Themen wie Klimakatastrophe, Artensterben, Biodiversität können hierfür als Aufhänger dienen.
Tipp zum Nachmachen: Es lohnt sich, für das Drucken klar getrennte Arbeitsbereiche einzurichten, sodass die farbintensiven Arbeitsschritte vom eigentlichen Drucken getrennt werden. Eine gute Organisation in der Druckwerkstatt ist erforderlich.